In einer Münchner Bibliothek ist das Sitzen verboten. So hält man sich nicht zu lange am Ort auf, was ja heutzutage als gemeingefährlich gilt. Ich hätte da noch ein paar Vorschläge.
In der Stadtbibliothek in München-Sendling dürfen Besucher an den vier PC-Arbeitsplätzen nicht sitzen, berichtet BILD; nur stehen und knien ist erlaubt, was einem verantwortungslosen Rentner zum Verhängnis wurde, der sich doch tatsächlich auf einen Stuhl gesetzt hatte und schließlich von vier Polizisten vom Tatort abgeführt wurde. Warum das Sitzen nicht erlaubt sei? Man wolle „die Zahl der Anwesenden im Blick behalten“ und die „Verweildauer beschränken“, so Bibliothekssprecherin Judith Stumptner. Wegen Corona.
Das erinnert an das zeitweilige „Verweilverbot“ in der Düsseldorfer Altstadt vor mehr als einem Jahr. Die Idee, die Menschen von gut besuchten Orten wegzuekeln, sollte Schule machen. Warum nicht die Sitzplätze im Tennis-Stadion in Stehplätze umwandeln? Dann möchte man mal sehen, wie viele Tennisfreunde in der Lage sind, einem Viereinhalb-Stunden-Match stehend beizuwohnen! Oder Opernfans, die sich in Bayreuth an vier Abenden „Der Ring des Nibelungen“ zu Gemüte führen wollen.
Ein Sinfonieorchester könnte das Stimmen der Instrumente vor dem Konzert auf 45 Minuten ausdehnen – dann gehen alle vorzeitig nach Hause, die sich irrtümlich in einem Tempel der Zwölftonmusik wähnen, und nur die hartgesottenen Schönberg-Fans verharren auf ihren Plätzen. So bleibt der Abstand gewahrt! Im Museum könnte das Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtend gemacht werden. Fußfesselverweigerer haben ohnehin keinen Zutritt, und die Besucher, die zu lange vor einem Exponat verweilen, bekommen nach, sagen wir spätestens zwei Minuten einen empfindlichen Stromschlag verpasst. Gehen Sie weiter, es gibt noch mehr zu sehen!
Im Restaurant wird jeder zweite Tisch einfach nicht bedient, dann gehen die Virenschleudern schon irgendwann von allein. Keine Dixi-Klos mehr auf Open-air-Konzerten, das reduziert die Teilnehmeranzahl recht erklecklich. Urgemütliche Gasthäuser werden schnell ungemütlich, wenn im Hintergrund ausschließlich der Singsang von Karl Lauterbach dudelt. Im Rotlichtmilieu könnte man das Mindestalter der Dienstleisterinnen auf 80 hochsetzen. Auch im Theater lässt sich die Zahl der Zuschauer drastisch vermindern, wenn der Veranstalter erst einmal einen Schwung weißer Mäuse oder einen Schwarm Hornissen im Saal freisetzt. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Was die aktuellen Wahlkampfveranstaltungen betrifft, sollten ausschließlich intellektuell bettlägerige, unsympathische und sturzlangweilige Politiker auftreten, dann stehen nur vereinzelt ein paar Zuhörer herum. Das klappt ganz hervorragend, wie man zurzeit überall im Land beobachten kann.