Kultur dürfte relativ sein. Als ich in frühen 50er Jahren auf Klassenreise ging gab mir meine Mutter neben sauberer Wechsekleidung auch ein Stück Seife, eine Tube Zahnpasta, eine Zahnbürste, einen Kamm und einen Waschlappen mit. Die letzten fünf genannten Dinge wurden mir in einem „Kulturbeutel“ mitgegeben.
Wie viele Deutsche haben Interesse an Hochkultur? Gehen regelmäßig ins Theater oder Klassikkonzert? Fünf Prozent? Zur Fussball-WM ist hier (Frankfurt am Main) immer ein bunt gemischtes Volk beim Public Viewing dabei. Das nenne ich Kultur!
Um den zauberhaften Abend beim Freiluftkonzert im Innenhof des Klosters Eberbach sind Sie zu beneiden. Der kulturelle Hochgenuss an diesem ganz besonderen Ort wird Ihnen sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Auch ich bin stets beeindruckt vom genuinen Interesse insbesondere fernöstlicher Menschen an der Klassischen Musik des Westens. Dieses zeigt sich in den vielen hochtalentierten Studierenden, den hervorragenden Interpreten oder auch “nur” in einem faszinierten fernöstlichen Publikum. Ich bin sehr froh und dankbar, dass die Wertschätzung dieses Teils unserer Kultur (neben weiteren wie Literatur, Malerei, etc.) uns mit unzähligen Menschen in oder aus fernen Ländern und anderen Kulturkreisen auf wunderbare Weise verbindet. Und dies angesichts der Tatsache, dass wir hierzulande so sehr viel weniger geneigt sind, uns mit den vielfältigen Kunstformen, welche die einzelnen fernöstlichen Kulturen ihrerseits bieten, auch nur ansatzweise zu beschäftigen. In diesem Falle kann man also von einer bedauerlichen “Einbahnstraße” sprechen, wie mir scheint. Womit ist dies eigentlich zu rechtfertigen? Was das Interesse an “klassischen” westlichen Kulturgütern angeht, befürchte auch ich, dass bei den meisten Leuten, die sich aus anderen Teilen der Welt zu uns gesellen, vermutlich nicht einmal auf längere Sicht besonders viel zu erwarten sein dürfte. Am besten, wir lassen uns überraschen. Die Aufgabe der Hoffnung könnten wir doch einfach mal auf später verschieben.
Vielleicht klappt es mit den neu Zugereisten nicht, weil sie die Entwicklung von der Barbarei zur Dekadenz ohne Umweg über die Kultur sind.
Was, wenn die Zugewanderten unter Kultur etwas völlig anderes verstehen als wir es tun? Vielleicht ist ihnen die Bedeutung des Wortes Kultur auch nicht bekannt oder sie ist ihnen einfach fremd. Unser Kulturbegriff könnte ihnen fremd sein. Stolz und Tradition in Bezug auf Errungenschaften, mit denen man sich identifiziert. Errungenschaften etwa künstlerischer Art. Wenn wir uns doch selber so wenig dafür begeistern, können wir dieses ernsthaft von ihnen erwarten? Es fehlt nicht nur an Bildung, sondern vor allem an Interesse. Schön, dass die Achse so schöne Dinge wie das kleine Klavierkonzert von heute morgen anbietet.
Berliner Waldbühne, immer so Ende Juni. Die Berliner Philharmoniker - der Wahnsinn schlechthin! - geben ihr alljährliches Saison-Abschlußkonzert. Publikum aus der ganzen Welt, ganz offensichtlich. Die Asiaten aus Fernost (jetzt wird´s rassistisch) fallen da besonders ins Auge. Weit gereist, oft mit dem Hauptziel, die BP zu erleben. Von Schweizern, Franzosen, Spaniern usw. muß man nicht reden. Nicht ins Auge fallen dagegen Leute aus der muslimischen Gesellschaft - nicht mal mit der Lupe suchend - obwohl es sie gerade in Berlin reichlich gibt. Ich rede da nicht von “Kopftuchmädchen” oder Burkaträger*Innen; die bereichern uns ja schon mit ihrer folkloristischen Bekleidung. Sondern ich meine die, denen man tagtäglich im gesamten Stadtgebiet begegnet, also die, die vom Äußeren gut zuzuordnen sind, aber ansonsten nicht weiter auffallen. In der Walbühne: nichts und niemand. Zugeben muß ich allerdings, nicht jeden der 22 000 Zuschauer zu Gesicht bekommen zu haben. Vor Jahren mußte das Konzert wegen Regens auf Ende August verlegt werden. Sitznachbarn aus der Schweiz meinten, “da sind wir wieder da”, andere aus Chile waren totunglücklich. Die, die unsere Kultur angeblich so bereichern, interessierte das nicht - sie waren sowieso nicht anwesend…
Herr Rietzschel, es handelt sich hierbei nicht um ein ergebnisoffenes Aushandeln oder einen freien Wettbewerb der Kulturen wie in der Ringparabel, wo der echte Ring seine Kraft erst noch erweisen muss. Es steht doch auf beiden Seiten von vorne herein fest, dass die deutsche Kultur hinterwäldlerisch ist, dumpf und bräsig, eine Mischung aus Frauke und Beatrix, während jede Lebensäußerung eines Südländers als Ausdruck purer Lebensfreude angesehen wird, von Menschen, deren Friedensliebe nur durch ihre Liebe zur Ausmerzung Ungläubiger übertroffen wird. Und unsere Jugend ist fasziniert von deren offener Einstellung zu demonstrierter Männlichkeit und allen Arten von Drogen. Ja, das ist cooler als wir alten Säcke, die sich Eltern und Lehrer nennen…
Die neuen Mitbürger haben so viel Interesse an deutsche Kultur wie ne Kuh an Autokino. Ich muss mich wirklich wundern, das es Menschen gibt, die sich darüber wundern. Ich würde mir nicht mal eine Sekunde darüber Gedanken machen. Für mich ist das Sonnenklar
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