Thomas Rietzschel / 08.07.2018 / 12:30 / Foto: Pixabay / 42 / Seite ausdrucken

Sean Connery kam bis ins Rheingau

Der Raum macht die Musik. Nicht immer und überall, aber mitunter kann er Klangerlebnisse suggerieren, die uns mehr ergreifen, als es die Musiker mit ihrem Spiel vermöchten. Für wenige Orte gilt das so wie für das einstige Zisterzienser-Kloster Eberbach im Rheingau, unweit von Wiesbaden. Viele dürften es allerdings eher als eine finstere Kulisse des Mittelalters vor Augen haben, so düster, wie es in der Verfilmung von Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ zu sehen war, mit Sean Connery in der Hauptrolle des Mönchs William von Baskerville.

Ob der Schauspieler nach den Dreharbeiten Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts jemals wieder dort war, wissen wir nicht. Und wenn er heute käme, würde er das 1136 gegründete Kloster kaum wiedererkennen. Kurz nach dem Abschluss der Filmaufnahmen wurde die Anlage aufwändig restauriert.

Musik liegt in der Luft

Seit Jahren bildet sie den schönsten Rahmen für zahlreiche Konzerte des Rheingau Musik Festivals. Wie kaum eine andere Bühne bringt das Kloster die Musik zum Klingen. Gleich, ob die Aufführungen in der hoch aufstrebenden Basilika oder im Innenhof des Kreuzgangs stattfinden, immer verschmilzt das Ambiente der romanisch-frühgotischen Architektur mit den Klangbildern klassischer Musik. Die Gäste genießen den sinnlichen Gesamteindruck mit heiterer Ehrfurcht.

Als wir diese Woche da waren, um unter freiem Himmel und umgeben von den Rundbögen des Kreuzgangs unter anderem Stücke von Mozart hörten, sangen anfangs noch die Vögel in der Abendsonne. Es fiel kaum auf, dass das Orchester, die Kammerakademie Potsdam, geführt von der Ersten Geige, zunächst ein bisschen fiedelte, bis einer der beiden Solisten des Abends, Andreas Ottensamer, Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, den Musikern dirigierend Beine machte. Die Wirkung des Raumes der ehrwürdigen Mauern tat ein Übriges zum sinnenfreudigen Erlebnis.

Das kundige Publikum, das sich nicht nach jedem Satz klatschend in Szene setzte, applaudierte zum Schluss begeistert. Für zwei Stunden war es ganz bei sich gewesen, versunken in die Tradition christlich-abendländischer Kultur. Der Ort und die Musik hatten es möglich gemacht.

Kulturelle Bereicherung ist keine Einbahnstraße

Wie schade, dachte ich, dass unter den Besuchern nicht eine oder einer zu sehen war, von denen man hätte annehmen können, sie wären erst unlängst zu uns gekommen, weil sie hofften unter dem Schirm einer ihnen bis dato fremden Kultur in Sicherheit zu sein. An günstigen Angeboten, die es ihnen ermöglichen würden, fehlt es jedenfalls nicht, nicht einmal beim Rheingau Musik Festival. Denn wenn wir unserseits nach den Worten der Kanzlerin gehalten sind, die Zuwanderung aus dem arabischen Raum als eine „kulturelle Bereicherung“ zu begrüßen, dann könnte das doch umgekehrt genauso gelten.

Wie sollen die Flüchtlinge in der Fremde jemals heimisch werden, wenn sie sich nur für die Sozialsysteme interessieren, nicht aber für die Kultur des Landes? Warum nehmen sie sich kein Beispiel an den Einwanderern aus den Ländern Asiens, die sich auch mit kultureller Neugier in ihrer neuen Heimat einrichten? Warum schotten sie sich ab, während sich Chinesen und Japaner für Bach, Beethoven oder Mozart begeistern, bei den Konzerten im Rheingau, in Schleswig-Holstein und an vielen anderen Orten, die jetzt wieder einen Sommer lang Musiker aus aller Welt zu Gast haben?

Wie soll uns eine Kultur bereichern, die selbst kein Interesse an anderen Kulturen zeigt? Was ist eine „Willkommenskultur“ wert, die darauf keinen Wert legt? Bisher herzlich wenig. Statt des verheißenen Zugewinns droht uns ein Kampf der Kulturen. Und das mindestens so lange, wie wir in den Räumen, in denen die Musik spielt, unter uns bleiben, glücklich für Stunden, aber doch auch der Zeit entrückt im kulturellen Exil.

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Cornelia Buchta / 08.07.2018

Nun ja: unsere Musikhochschulen sind voller hochmotivierter asiatischer Studenten, folglich ist es dieses Spezial-Klientel und mit ihren Familien, die man dann auch in Konzerten antrifft. Generell besuchen sehr wenige junge Leute klassische Konzerte. Das Interesse an Kunst und Kulturgeschichte wächst mit zunehmendem Alter. Unsere neuen kinderreichen Zuwanderer sehe ich eher im Zoo als bei Kulturveranstaltungen. Und die Hoffnung, dass junge Männer zwischen 17-27 sich für klösterliche Musik interessieren kann man sich getrost abschminken (selbst wenn keine hinderlichen ideologischen Gründe vorhanden wären…)

Peter Ruckelshausen / 08.07.2018

Lieber Herr Rietzschel, nicht nur beim Rheingau Musikfestival sondern bei allen kulturellen Veranstaltungen ist mir dies aufgefallen. Um es zynisch zu sagen: Über ein Kopftuchverbot bei kulturellen Veranstaltungen der klassischen Gattung muss keine Diskussion geführt werden, weil es nicht praktisch wird. Kulturelles Exil - diesen Ausdruck nehme ich mit, wobei mir dabei die musizierenden Asiaten eine helle Freude sind.

Hans Krebel / 08.07.2018

Die int. sich schon für unsere Kultur-aber nur für die vor 80 Jahren…

Helge-Rainer Decke / 08.07.2018

Als Abonnent der Berliner Philharmoniker, sowie der Staatskapelle unter Barenboim und des DSO, das einst unter Fricsay weltberühmt wurde, empfehle ich Ihnen Konzerte in der Philharmonie zu besuchen. Das Publikum ist gemischt. Von der Kopftuchträgerin bis zur weißhaarigen alten Dame deutschen „Geblüts“. Großstadt eben, nicht Rheingau. Das West Divan Orchester, von Barenboim gegründet, setzt sich aus arabischen und israelischen Musikern zusammen und wird im August in der Waldbühne Berlin gastieren. Gleichwohl, an der Kunst, an der Musik, an der Literatur, haben leider nur Wenige Interesse. Also läuft Ihre Belehrung über den Islam, der unsere Kultur bedroht, insoweit ins Leere.

Gernot Radtke / 08.07.2018

Hier einige Wege aus der verweigerten Teilhabe-Misere: Ticket-Preise für die Autochthonen drastisch erhöhen und für Selbsteinlader und Globetrotter aus der Fremde auf Null absenken; dann klappt’s vielleicht mit der Durchmischung der Festivalbesucher. - Noch besser und grundlegender: solche Festivals gänzlich abschaffen, führen sie doch regelmäßig zu exkludierender Selbstüberhöhung hochbourgeois verzärtelter Hedonisten des in seiner Abgehobenheit historisch längst widerlegten Salonhumanismus. - Oder: Mehr ‚Allah-turca-Stücke‘ oder anderes schlichte Orient-Gedudele (z.B. Morisken) ins Programm! - Vielleicht sollten auch öfter mal die weltberühmten Symphonieorchester aus Mekka, Kairo, Rabat, El Alamein, Ouagadougou usf. als ‘artists in residence’ eingeladen werden.

Archi W. Bechlenberg / 08.07.2018

Warum muss ich hier an das Trüppchen Naivmenschen denken, das neulich in Stuttgart für und mit Flüchtigen ein munteres Singen veranstalten wollte, und nicht ein Orientale ließ sich blicken? Dabei hätte die das nicht einmal etwas gekostet. Warum also die vom Autor beklagten Zustände? Ob es sich in syrischen Fachärztekreisen herum gesprochen hat, dass es eine deutschgeprägte Kultur gar nicht gibt? Oder, wie im Fall Eberbach, keine österreichische (wir wollen Mozart schließlich nicht anschließen). Vielleicht hat das Wetter die Menschen, die noch nicht so lange hier leben, auch eher in die Freibäder gelockt, wo der Eintritt frei ist und das gebotene Programm etwas sinnesfreudiger. Oder nimmt man dem Wolferl gar die Entführung aus dem Serail übel? Ach, es gibt noch viele Hürden zu überwinden.

Detlef Wilke / 08.07.2018

danke für diesen anrührenden Beitrag! Wenn wir nicht aufhören, gegen die Dumpfbacken und Triefaugen, die uns regieren bzw. uns ohne Mandat ihre unintellektuellen Moralvorstellungen aufzuzwingen versuchen, anzuschreiben, anzureden und anzuschreien, haben wir vielleicht noch eine Chance, mit drei blauen Augen davonzukommen. Wenn nicht, dann nach uns die Sintflut. Die Sonnenflecken werden es schon richten.

Gabriele Schulze / 08.07.2018

Als zur Wendezeit etliche Kollegen aus der gewesenen DDR zu uns am Theater stießen, waren wir neugierig, wollten wissen, wie es “da” war, welche beruflichen und andere Verhältnisse herrschten. Ausgiebig wurde berichtet, bis mir nach einiger Zeit auffiel, daß wirklich nicht ein einziger sich über unser Leben erkundigte, auch nicht nach Monaten, Jahren der “Integration”. Äußerst pfiffig gestalteten sie ihr Überleben. Immer aber schwang ein beleidigter Unterton mit. Ich wage die These, daß es Parallelen gibt. Muslimische Leute sind auch gern beleidigt, von Asiaten habe ich das noch nie gehört. In permanenter Schmollhaltung, als selbsternannter Underdog, öffnet man sich wenig oder gar nicht. Am Rande bemerkt - für mich bedeutet die Abwesenheit von kopftuchbewehrten Frauen und arabischen Männern in Museen z. B. eine kleine Erholung, eine Auszeit!

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