Thilo Schneider / 31.05.2023 / 14:01 / Foto: Fabian Nicolay / 54 / Seite ausdrucken

Razzien bei Klima-Aktivisten: Nein, danke!

Die Razzien bei Vertretern der Letzten Generation haben eine Debatte ausgelöst. Handelt es sich dabei um eine legitime Maßnahme oder staatliche Schikane? Bei Achgut lesen sie dazu unterschiedliche Meinungen zweier Achgut-Autoren – Thilo Schneider ist dagegen.

Vorweg ein paar Zeilen: Ich bin weder Jurist noch habe ich ein Journalistikstudium. Meine Sympathien für die Primaklimakleber der Letzten Generation sind geringer als die Distanz, auf die ich ein Klavier werfen kann. Ich finde die angeblich ängstlichen und verängstigten Hobbykleber tatsächlich eine öffentliche Zumutung und halte ihre „Aktionen“ für Fälle von minderschwerer Kriminalität. Wäre ich „die Polizei“, würde ich um die Jungs, Mädels und Jungsmädels der Helden mit Topfhaarschnitt und Dutt Warnbaken stellen und den Verkehr schlicht umleiten. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich aus tiefstem Herzen integrierter Beutebayer bin, wir waren und sind schon immer mehr für pragmatische Lösungen zu haben.

Was ich garantiert und auf keinen Fall tun würde, wären Razzien mit schwer bewaffneten Polizeieinheiten, die zu unchristlichen und unmuslimischen Zeiten bewaffnet vor den Betten in den Kinderzimmern irgendwelcher gerade dem Teenageralter entwachsenen Pseudoerwachsenen stehen, um Handy, Notebook und die Spielekonsole zu konfiszieren. Was soll der Unfug?

Gut, wir leben im Jahr 2023 und haben eine Regierung, die ein paar fahnenschwenkende Berlintouris ohne Eintrittskarte auf den Stufen des Parlaments zum „Sturm auf den Reichstag“ hochjazzt. Eine Regierung, die dringend einen Graben ums Haus ziehen lässt, weil eine Mauer aus historischen Gründen nicht geht. Eine Regierung, die sich wohl aufgrund ihrer Politik von allen Seiten bedroht fühlt. Eine Regierung, die noch unentspannter als die Regierung Schmidt während des „Deutschen Herbstes“ agiert.

Alles ist „staatsgefährdend“

Wir leben in einem Land, in dem launigen Senioren mit Reichsattitüde unter großer, freudiger Anteilnahme der Medien wegen kindischer „Umsturzpläne“ morgens die Tür eingetreten wird, weil sie mit Hilfe von Dosenravioli und einem „Reichskantinenbeauftragten“ angeblich die Wiedereinführung der Monarchie mit einem Typen in Cordhosen planen. Alles ist „staatsgefährdend“ oder könnte es sein, weswegen die Regierung eine anlasslose Überwachung von Messenger-Diensten fordert und fördert und jetzt ein paar nervige Kids mit Weltretterattitüde hops genommen hat. Obwohl doch der oberste Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, noch im November 2022 bemerkt hat, dass die Freunde der geklebten Demokratie zeigen, „wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man eben die Funktionsträger zum Handeln auffordert“. Was ist zwischen November und Mai passiert, dass hier mit Polizeikanonen plötzlich auf Dreckspatzen geschossen wird?

Weiter gefragt: Wie schwach und ängstlich muss ein Staat eigentlich sein, der Wasserwerfer auf Leute richtet, die das Grundgesetz hochhalten oder Razzien bei Verstrahlten durchführt, weil die sich auf der Autobahn festmachen? Man könnte geradezu glauben, die #LetzteGeneration würde sich zu einer Art „GAF – Grüne Armee-Fraktion“ weiterentwickeln. Wenn ihnen nicht um Unzeiten von der GSG9 aus dem Bett geholfen wird.

Aus meinem juristischen Laienverstand könnte man die Superkleber sicher wegen diverser Straftaten vor Gericht bringen, als da wären Nötigung, Sachbeschädigung und „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“. So funktioniert nun einmal ein Rechtsstaat. Und jeder Ökofonds, der bereitwillig die Strafen zahlen will, ist eben „Beihelfer“ und darf seinen Standpunkt dann einem Richter darlegen. Das aber muss auch genügen. Im schlimmsten Fall, bei einer Notlage, streichelt dann die Polizei die Demonstrierenden eben nicht mehr mit Olivenöl vom Asphalt, sondern räumt sie einfach schnell und effektiv beiseite. Was, bitte, sollen hier Einsatzkommandos, die vor dem Frühstück in der Küche einrücken, bezwecken? Was hofften die zu finden? Heißklebepistolen und vorbereiteten Fliesenkleber? Schussapparate für Tackerklammern?

„Einflussnahme einer fremden Macht“

Aber vielleicht geht’s ja gar nicht um die Letzte Generation. Vielleicht geht es ja darum, dass hier „klare Kante gegen alles“ gezeigt werden soll. Frei nach dem Motto „bestrafe einen, erziehe tausende“. Habeck hat seine Mao-Bibel gelesen und Nancy Faeser, in meinen Augen eine Linksextremistin par excellence, duldet einfach keinen Widerspruch. Auch nicht von denen, die ihr grundsätzlich zustimmen. Vielleicht war es auch einfach ein Farbeimer aufs Willy-Brandt-Haus zu viel und sie versucht, die ungerufenen Angstgeister wieder los zu werden, die den „Klimakanzler“ nicht mehr so lieb wie bei seiner Wahl, noch in der Rolle des „Respektkanzlers“, haben?

Vielleicht geht es auch um wirklich interessante Dinge wie Steuerhinterziehung oder „Einflussnahme einer fremden Macht“, aber selbst dann sind Razzien bei Lisa, Laura und dem Jonas (Pronomen „he, she, hit“) völlig überzogen und ja – sogar peinlich. So peinlich, dass sogar von der UNO Rügen kommen. In Minsk und Moskau dürfte darüber sehr laut gelacht worden sein.

Nein, die Klimakleber mögen nervig sein, Trolle sein, ein bisschen doof und ein bisschen ziemlich viel verängstigt sein – Razzien sind hier eine völlig überzogene und unangemessene Reaktion eines noch viel ängstlicheren und sich selbst vor seinen Bürgern schützen wollenden Staates. Und ob es mir persönlich gefällt oder nicht: Auch die Letzte Generation ist ein Teil dieses Staates. Aber das ist „die Linke“ ja leider auch. Als Demokrat habe ich zu akzeptieren, dass es auch Menschen mit anderen Meinungen und Einstellungen als meinen gibt. Und auch ein Staat hat zu akzeptieren, dass es immer Bürger geben wird, die seine Politik so eher „mittel“ finden und dann dagegen auf die Straße gehen. Oder sich vielmehr auf sie setzen. Sich wie ein wilder Potentatenstaat zu verhalten, ist der deutschen Demokratie unwürdig. Haldenwang, übernehmen Sie. Sich nicht.

Die gegenteilige Meinung von Ulrike Stockmann lesen Sie hier.

Foto: Fabian Nicolay

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Gerd Heinzelmann / 31.05.2023

Auch Claudia Roth hält sich für eine Demokratin, Herr Schneider. Eines dürfen sie nicht vergessen, Frau Stockmann verteidigt Berlin. Sie sind davon weit entfernt. Darf ich eine Patenschaft für sie übernehmen, Herr Schneider?

P. Wedder / 31.05.2023

Sie demonstrieren nicht, sondern sie begehen Straftaten. Melden Sie Ort und Zeit, der Demonstrationen an?  Vorgewarnt könnte man die Blockade eventuell auf anderem Weg umgehen. So bestimmen fremde Menschen über meine Zeit (die mir ggf. bei der Arbeit fehlt, den Arzttermin kippt, meine Kinder nicht sehen lässt, etc.) und meinen Aufenthaltsort. Sie selber deklarieren es als „Klimakampf“, aber nur genau so lange, wie sie selbst bejubelt und mit Samthandschuhen angefasst werden. Wer ersetzt mir meine Lebenszeit und das Benzin wenn ich von diesen Personen im Stau festgehalten werde. Und es ist ein unterschied, ob ein Stau entsteht, oder vorsätzlich provoziert wird.

Thomas Holzer, Österreich / 31.05.2023

Vorweg, wieder mal darf ich “achgut.com” loben! Kommt leider immer seltener vor, daß 2 entgegengesetzte Meinungen veröffentlicht werden, noch dazu gleichzeitig. :) Ich tendiere zur Ansicht des Herrn Schneider weil: 1.) gefühltermaßen Razzien immer mehr zu einem “Aktionismus"Instrument der Polizei werden und 2.) durch derlei Aktionen diesen Hascherln (österr. Ausdruck für Unbedarfte) zu viel Aufmerksamkeit zuteil wird. “Unser” Innenminister Karner hat vor ein paar Wochen verlauten lassen (höchstpersönlich) alle Fahrstreifen bis auf einen räumen zu lassen, und an diesem Einen sie kleben zu lassen, so lange sie wollen (sprich, bis sie sich selbst “entkleben”) leider, wie üblich, wurde das nicht umgesetzt

M. Feldmann / 31.05.2023

Ja Herr Schneider, Warnbaken sind schon mal nicht schlecht, aber ich würde weitergehen. .... 1. keine wie auch immer geartete Aufmerksamkeit schenken. Keine Gespräche, nichts. Schweigen! - 2. Absperrgitter zusätzlich drum herum bauen. Andere Bürger auf Abstand halten, so 20 m. (Wegen überflüssiger Kommunikation) - 3. auf keinen Fall Kleber lösen. - 4. nach ein paar Stunden werden sie sich einnässen und nach einem Tag sind die Chancen groß, die Hose voll zu machen. - 5. An Hunger und Durst werden sie wohl vorerst nicht darben. Wie wir gesehen haben, sind Stullen und Wasserflaschen immer zur Hand. Selbst wenn nicht, gut. - 6. Verkehr wird selbstverständlich umgeleitet und über Verkehrswarnfunk die Allgemeinheit bestens informiert. ... Das dauerhaft durchziehen, dann werden wir sehen was passiert. Sollten Sie wegen Nichtbeachtung ausflippen und eskalieren, ist Schluss mit Lustig. Dann wie z.B. in Italien von der Strasse klauben unter Zurücklassen von etwas Fell direkt vor ein Schnellgericht. Als Anerkennung für die Aktionen gibt es nicht unter 6 Monaten im ganz normalen Vollzug. Heißt Gesellschaft von neuen Freunden aus allen bekannten Kreisen. Sämtliche entstandenen Kosten sind zu begleichen. ... Razzien kann man sich sparen, viel zu aufwendig und teuer. ... Das Ganze läuft unter der Überschrift: “Learning by doing!” ... Träumen wird ja noch erlaubt sein.

Dieter Ehrlich / 31.05.2023

Unter uns Beutebaiern, wunderbar wie die “Ponal-Demokraten” hier in den Läbberi getunkt wurden. Über den morgendlichen Herrenbesuch kann man ja fröhlich diskutieren. Aber es war schon immer meine Idee: Bauzaum rum mit den Schild “Füttern verboten”.

Bernhard Freiling / 31.05.2023

So gerne ich Ihnen auch zustimmen möchte, ich kann es nicht. # Nötigung ist keine “Ordnungswidrigkeit”, sie ist eine Straftat, die mit bis zu 3 Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Bei einem Strafmaß von mehr als einem Jahr wird von “Verbrechen” gesprochen. Und wenn sich dann Menschen zusammen schliessen um “Nötigungsaktionen” zu verabreden und zu koordinieren, sie hierfür von Dritten auch noch bezahlt werden (Nötigung mit Gewinnerzielungsabsicht=Erpressung), dann spricht eine ganze Menge für “eine kriminelle Vereinigung”, deren Finanzströme durchaus interessieren sollten. # Auch wenn ich zugeben muß, daß es in dieser Richtung Verfolgungswürdigere gibt. Wobei ich da an Verbrecherbanden denke, die verniedlichender Weise als “Clans” bezeichnet werden, was uns an aufrechte Bravehearts in Schottenröcken erinnern soll. Da die Clans ja bereits in etliche Ministerien eingezogen sind, bot sich die Razzia gegen die Klimakriminellen zur Ablenkung geradezu an. Ohne Graichen und Seinesgleichen hätte es diese Razzia sicherlich nicht gegeben. Das war seitens der Ministerien-Clans eine reine “Notwehr-Aktion”.

Sam Lowry / 31.05.2023

Und schon haben sie wieder gewonnen, weil sie auch hier mediale Aufmerksamkeit bekommen…

Norbert Reuther / 31.05.2023

Sorry Herr Schneider, aber für seine Meinung “auf die Straße gehen” ist eine Sache, regelmäßig tausende von Menschen für Stunden in Geiselhaft nehmen eine ganz andere. Wenn Sie das nicht verstehen, fragen Sie einfach Leute die für Stunden ohne Versorgung auf der Autobahn stehen müssen und ihr Fahrzeug nicht verlassen können.

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