Claudio Casula / 14.06.2022 / 11:00 / Foto: Pixabay / 70 / Seite ausdrucken

One-Way-Ticket nach Ruanda

Großbritannien schiebt ab heute illegal eingereiste Migranten nach Ruanda ab. Das Aufnahmeland bekommt dafür zunächst 120 Millionen Pfund (144 Mio. Euro).

Die Vereinbarung mit dem ostafrikanischen Land sieht vor, dass illegal in Großbritannien angekommene Menschen ausgeflogen werden und im 6.500 Kilometer entfernten Ruanda Asyl beantragen können. Zuletzt hatten immer mehr illegale Migranten versucht, das Vereinigte Königreich über den Ärmelkanal oder in Lastwagen versteckt zu erreichen. Die Kosten für das Asylsystem betragen jährlich 1,5 Milliarden Pfund, allein die Unterbringung wohnungsloser Migranten in Hotels verschlingt jeden Tag 4,7 Millionen. Premierminister Boris Johnson sagte:

„Unser Mitgefühl mag unendlich sein, aber unsere Fähigkeit, Menschen zu helfen, ist es nicht. Wir können vom britischen Steuerzahler nicht verlangen, dass er einen Blankoscheck ausstellt, um die Kosten für jeden zu decken, der hierherkommen und leben möchte.“

Da Großbritannien durch den Brexit nicht mehr die Möglichkeit hat, von dem Dublin-Abkommen Gebrauch zu machen, kann es Migranten nicht mehr in die Ankunftsländer wie etwa Italien zurückschicken. Im Wahlkampf hatte Johnson daher versprochen, das Geschäftsmodell der „üblen Menschenschmuggler“ zu zerstören. Zwar protestieren erwartungsgemäß Zuwanderungslobbyisten und selbst ernannte Menschenrechtler gegen das Vorhaben, doch stellte der Premierminister klar: „Ruanda hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert, es ist ein ganz anderes Land, als es einmal war.“

Ruanda bietet den Abgeschobenen dauerhafte Bleibe im Land an. So sagte Außenminister Vincent Biruta, es gehe darum, sicherzustellen, „dass die Menschen geschützt und respektiert werden und die Möglichkeit haben, ihre eigenen Ambitionen zu verwirklichen und sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen, wenn sie sich dafür entscheiden." 

Beispiel Israel

Tatsächlich hat das ostafrikanische Land in den vergangenen Jahren mehr als 130.000 Flüchtlinge aus Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Libyen und Afghanistan aufgenommen. Inspiriert mag Johnson von den Israelis worden sein, die zwischen 2014 und 2017 etwa 4.000 Migranten, vorwiegend aus dem Sudan und Eritrea, nach Ruanda und Uganda abgeschoben hatten. Sie waren vor die Wahl gestellt worden, entweder in ihre Heimat zurückzukehren, 3.500 Dollar und ein One-Way-Flugticket zu akzeptieren oder in den Knast zu wandern. Allerdings blieben die wenigsten Migranten in Afrika, die allermeisten versuchten, nach Europa zu gelangen.

Jetzt lässt sich das Vereinigte Königreich 120 Millionen Pfund kosten, die unerwünschten Dauergäste wieder loszuwerden. Offiziell bekommt Kigali das Geld für „wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum“. Von der Ausschaffung betroffen sind zunächst vor allem illegale Migranten, die sich seit Jahresbeginn im Land aufhalten und „mit illegalen, gefährlichen und unnötigen Methoden“ dorthin gelangt sind. Für jeden Einzelnen müssen nun 20.000 bis 30.000 Pfund ausgegeben werden, was allerdings deutlich weniger ist, als man für sie aufbringen müsste, wenn sie dauerhaft in UK blieben – von anderen Problemen, die mitunter durch illegale Einwanderung entstehen, nicht zu reden.

Das von London und Kigali vereinbarte Projekt soll über fünf Jahre laufen, wobei geplant ist, im vierten Jahr über eine Verlängerung zu verhandeln. Mit – auch juristischem – Widerstand von Aktivisten, die eben mit dem Versuch scheiterten, den ersten Abschiebeflug durch ein Gericht verhindern zu lassen, ist unterdessen zu rechnen. Gleichwohl befindet sich auch Dänemark schon länger in Verhandlungen mit Ruanda, um ein ähnliches Abkommen zu schließen. Wenn nicht Nancy Faeser vorher in Kopenhagen vorstellig wird, um den Dänen ihr Problem abzunehmen. Anders als der britische wird der deutsche Steuerzahler ja nicht gefragt, ob er Lust hat, für die dauerhafte Bleibe illegaler Migranten einen Blankoscheck auszustellen.

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Leserpost

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Yehudit de Toledo Gruber / 14.06.2022

Danke für den sehr informativen Bericht! Mich interessiert, wie und ob unsere EU-Bevölkerung längerfristig und klaglos noch bereit sein wird, all´ die vielen Flüchtlinge und deren z.T. problematische Integration weiter zu schultern. Übrigens finde ich die Bezeichnung “Abschiebung” unschön und dergestalt mitleiderscheischend, wie es unsere Regierung wahrschweinlich wünscht. Wo doch mittlerweile sonst schon sehr viele neuartige Begriffe die deutsche Sprache ersetzen (oder verschandeln) um zu vertuschen, was genau bzw. unmißverständlich gemeint ist. Man könnte statt der “Abschiebung” z.B.  “Rückführung” (in welches vorher vereinbarte Land auch immer) verwenden. Das klingt wesentlich humaner. Und gespannt bin ich außerdem, welche Regierung angesichts der vielen noch zu erwartenden Flüchtlinge aus Afrika als Erste den Mut haben wird, das brisante Thema der Geburtenkontrolle/Planung anzupacken. Heimlich ist das längst schon angedacht, doch natürlich kein so leichtes Unterfangen ...  

M. Feldmann / 14.06.2022

Flüchtlinge in Deutschland, teils Echte teils Wirtschaftsflüchtlinge. Wer, was, wieviele weiß in diesem Land wie immer niemand genau, oder will es nicht wissen. Die Kosten hierfür pendeln zwischen dem seltsamen Verein Statista 20/25 Milliarden und anderen Aussagen 100 Milliarden. Wieviel es wirklich ist weiß niemand genau. Ist auch mittlerweile “unwichtig”. - Es ist ja nicht das einzige Füllhorn für Andere. Was ist heute 1 Milliarde. Eine Zahl auf dem Papier mit ein paar Nullen. Deutschland hat es ja, oder glaubt zumindest es zu haben. Die pro Kopf Verschuldung bewegt sich im Turbogang auf 30.000 € zu. Demnächst kommt das Erwachen zu allem anderen Horror dazu. ... Der alte Spruch: ” Lieber Schrecken mit Ende, als Schrecken ohne Ende” hat seinen Sinn verloren. Dann heißt es: “Schrecken ohne Ende”. Und die Mannschaft der inkompetenten Vollidioten in Bund, Ländern und Kommunen wird behaupten: ” DAS konnte ja Keiner ahnen!” Sie werden ihre Hände in Unschuld waschen und in der Versenkung verschwinden. Die Kleinen wird man packen und “hängen”. - Fangt den Dieb!? ... Oder der alte abgedroschene Spruch: ” Das Geld ist nicht weg, das haben jetzt nur Andere “.

Paul Siemons / 14.06.2022

Wäre es nicht einfacher, die Abgeschobenen nach Berlin zu bringen? In Ruanda müssen sie vielleicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten! Das soll human sein? Der Flug London-Berlin ist um ein Vielfaches kürzer und somit nachhaltiger, dadurch kann locker eine komplette Eisbärenfamilie vor dem Ertrinken gerettet werden. Die Bunteregierung sollte umgehend bei Johnson vorstellig werden!

Helmut Hilf / 14.06.2022

Well done - London & Kigali

P. Wedder / 14.06.2022

Wenn ich mich recht entsinne, waren es auch die Briten, die Terroristen die britische Staatsangehörigkeit entziehen können, solange diese nicht staatenlos dadurch werden.

Uta Buhr / 14.06.2022

Eine glänzende Idee von Boris Johnson, für die ihm seine Landsleute bestimmt sehr dankbar sind. Wie wäre es, wenn wir - horribile dictu - ein Abkommen mit Namibia, in grauer Vorzeit Deutsch Süd-West-Afrika,  über die Aufnahme illegaler Einwanderer verhandeln würden. Das käme uns billiger zu stehen und würde den armen Flüchtlingen ein Leben in einer gewohnt warmen Region ermöglichen. Denn wer friert schon gern in nördlichen Gefilden. Ein kalter Arsch darf ja nur den Bios zugemutet werden. Ausgenommen davon sind natürlich unsere “Eliten.” Denn die müssen die Bürger*Innen laut dem neu geschaffenen Wahrheitsministerium mit äußerstem Respekt behandeln, was jeglichen Widerspruch gegen deren weise Entscheidungen bereits zu einer Straftat macht. Die wird je nach Schwere mit Verwarnung, Bußgeld oder gar Knast geahndet, Nachzulesen im heutigen Beitrag von Alexander Wendt in Tichys Einblick. Liebe Achsiaten, gebt acht, dass Ihr Euch künftig nicht zu weit aus dem Fenster lehnt und wegen “Verächtlichmachung des Staates und seiner Repräsentanten”  in die Mühlen der Justiz geratet. Immer dran denken, dass Näääääncy und ihr Sidekick mit der Bürste in solchen und ähnlich gelagerten Fällen keinen Spaß verstehen. Gar niemals nicht. Denke ich an Deutschland nicht nur in der Nacht, bin ich um meinen Verstand gebracht. Frei nach Heinrich Heine.

Heiko Stadler / 14.06.2022

Wichtig ist, dass Großbritannien und andere Länder, die wieder zur Besinnung gekommen sind, ihre Grenzen vollkommen dicht für Illegale machen, damit sich aus dem Menschenhandel kein Geschäftsmodell entwickelt.

Wilfried Grün / 14.06.2022

Das wir letztlich an der Konferenz von Évian (6. Juli 1938 – 15. Juli 1938) leiden wagt keiner zuzugeben.

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