Unser Nizza heißt Breitscheidplatz, mitten in Berlin, zu Füßen der Gedächtniskirche, einem Symbol der Zerstörung und des Weiterlebens. Ein Laster mit einen polnischen Kennzeichen rast in einen Weihnachtsmarkt.
In den ersten Meldungen ist von einem Toten die Rede, wenig später sind es schon neun und inzwischen zwölf. Dazu 48 zum Teil schwer verletzte Menschen, die für den Rest ihres Lebens gezeichnet bleiben werden.
In der ARD läuft derweil das Quiz „Wer weiß denn so was“ mit Kai Pflaume und im ZDF das Drama „Gotthard“. Bei der ARD braucht man über eine Stunde, um das reguläre Programm für eine Sonderausgabe der "Tagesthemen" zu unterbrechen, beim ZDF dauert es noch länger. Wie üblich geht das "heute journal" um 21.45 auf Sendung. Marietta Slomka fasst das, was eben geschehen ist, in einem Satz zusammen: „Neun Tote sind ums Leben gekommen.“
Es ist eine Kür der Ratlosigkeit, verbunden mit der Hoffnung, es möge doch, bitte, bitte, ein Unfall gewesen sein. Eine Reporterin der ARD begründet ihre Anwesenheit am Ort der Tat mit den Worten: „Ich kann Ihnen keine Fakten berichten“; der Terrorismusexperte Georg Mascolo sagt: „Man kann nur hoffen, dass es ein Unfall war“; sein ZDF-Kollege Elmar Theveßen sieht „keinen Beweis für einen Anschlag“, weist allerdings darauf hin, dass es in diesem Jahr mindestens vier Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund in Deutschland gegeben hat, in Ansbach, Würzburg, Essen und Hannover, die aber „relativ glimpflich“ verlaufen sind (tatsächlich waren es mehr.) Marietta Slomka stimmt zu: „Es wäre eine große Erleichterung, wenn es nur ein Unfall wäre.“
Inzwischen steht fest: Es war kein Unfall. Aber - wer den Laster in die Menschenmenge gefahren hat, ist noch unklar. Die Polizei hat inzwischen eingeräumt, dass sie im Eifer des Gefechts vermutlich den Falschen festgenommen hat. Er wurde verhört und auf freien Fuß gesetzt. Eine peinliche Panne. Der oder die Täter sind abgetaucht.
Und während die Ärzte um das Leben der Verletzten kämpfen, verschickt eine von mir geschätzte Kollegin eine Rundmail an Freunde und Bekannte: „Wir sind okay“: „Liebe Alle, es war ja, nüchtern betrachtet, nur eine Frage der Zeit, wann etwas Derartiges passieren würde. Hans nimmt es gelassen; soweit wir bisher wissen, ist niemand, den wir kennen, zu Schaden gekommen.“
Und das ist, nüchtern betrachtet, alles, worauf es in diesen Stunden ankommt. Wir sind okay.
Erweiterte Fassung eines Beitrags, der in der Züricher "Weltwoche" erschienen ist.