Erik Lommatzsch, Gastautor / 27.04.2019 / 12:00 / Foto: Tim Maxeiner / 32 / Seite ausdrucken

Merkel & Biden: Rette sich, wer kann

Alles kann gut werden. Zumindest für die Kanzlerin. Aber das reicht ja auch – für sie. Ausgerechnet das russische Nachrichtenportal Sputnik schickt sich an, das Offensichtliche klar zusammenzufassen: „Merkel wird womöglich Rettung Europas anvertraut“. Das holprige Wort „womöglich“ in dem auch ansonsten etwas holprigen Artikel soll anzeigen, dass man sich noch immer im Bereich der Spekulation befindet. Die reißerische Pathetik der Schlagzeile fällt zwischen auch anderweitig gepflegter, keine Peinlichkeit scheuender Lobhudelei für Merkel kaum auf.

Die von Sputnik nachgezeichnete Linie ist allerdings durchaus nachvollziehbar. Und zwar nicht erst, nachdem der seit Jahren schwer unter Ischias leidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor wenigen Tagen die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Zukunft der deutschen Kanzlerin lenkte, die ja laut eigner Aussage eigentlich keine politischen Ämter mehr anstrebt. In gewohnter Distanz charakterisierte Juncker Merkel als „liebenswertes Gesamtkunstwerk“, für eine Position in der EU sei sie „hochqualifiziert“. Das schnuppert nach Bürowechsel.

Die Amtszeit des EU-Kommissionspräsidenten läuft in diesem Jahr ebenso ab wie die Amtszeit des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Warum der CSU-Politiker Manfred Weber, dessen Hauptqualifikation in stetiger Präsenz bestehen dürfte, als EVP-Kandidat für die Juncker-Nachfolge aufgestellt wurde, ist ein bislang ungelöstes Rätsel. Dass er Platzhalter für eine mögliche andere, kurzfristig zu benennende Kandidatin ist, wäre zumindest eine Erklärung.

Die „Rettung“ Europas – gemeint ist die EU – durch die Hände der Frau, die der ursprünglich guten Nachkriegsidee einer europäischen Kooperation geschadet hat wie kaum ein anderer rangähnlicher Politiker, ist eine, nun ja, doch etwas gewagte Idee. Hat das Agieren Merkels – und zwar nicht nur während der „Flüchtlingskrise“ von 2015 – bei der britischen Austrittsentscheidung vielleicht auch eine klitzekleine Rolle gespielt? Woher kommt die derzeit nur sehr mäßige Begeisterung der Visegrád-Staaten für das Einheitsprojekt? Derartige Fragen ließen sich fortsetzen.

„Die Welt-Führer riefen“

Auch auf der anderen Seite des Atlantiks möchte jemand das Land respektive die Welt retten. Unter „Rettung“ geht offenbar nichts mehr. Geradezu gebettelt wird der 76-jährige Joe Biden, einst Vizepräsident unter einem der meistüberschätzten zeitgenössischen Politiker. Nun wirft er auf der Seite der Demokraten seinen Hut in den Ring, um 2020 gegen Trump anzutreten. Den flehenden Anrufen der Welt-Führer könne er sich, obwohl im besten Rentner-Alter, doch nicht entziehen. (O-Ton Biden: „I get calls from people all over the world – world leaders are calling me – and they‘re almost begging me to do this, to save the country, save the world.“)

Biden regiert die USA, Merkel führt eine, dann vielleicht auch kompetenzerweiterte EU als Kommissionspräsidentin von Brüssel aus? Die „freie Welt“ wäre niemals eine bessere aller besten Welten gewesen.

Nun steht die Wahl im fernen Amerika erst im November nächsten Jahres an. Biden müsste sich innerparteilich erst noch als Kandidat seiner Partei durchsetzen. Die hiesige Europawahl und dort freiwerdende Spitzensessel sind dagegen brandaktuell. Sollte die derzeitige Kanzlerin tatsächlich noch in diesem Jahr geräuscharm oder gar begleitet von mittelleisem Beifall in eine entsprechende EU-Position wechseln, wäre man geneigt, das undurchsichtige Wirken von Verschwörungen, archaischen Schutzgöttern oder ähnlichem ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Denn dann hätte sie – unter Zurücklassung unübersehbarer Scherbenhaufen – eine in der deutschen Nachkriegsgeschichte beispiellose Karriere zustande gebracht. Jeder ihrer Kanzler-Vorgänger hat das Amt durch Abwahl oder unter Druck räumen müssen. Merkel wäre bei Übernahme einer EU-Führungsposition quasi sogar noch einmal aufgestiegen. Ein weiteres Meisterstück, was aus besagten Gründen ihren Vorgängern nicht möglich war, könnte sie zustande bringen: Das Installieren des Wunschnachfolgers, in diesem Fall wohl der Wunschnachfolgerin, im Kanzleramt.

Gerettet wäre damit eines: eine bruchlose, stetig nach oben weisende, lange und nie wirklich gefährdete Laufbahn, ein blütenreiner, großflächiger Eintrag in den Geschichtsbüchern. Sofern das Innehaben und Ausbauen von Machtpositionen als Maßstab angelegt werden: Alles, aber auch wirklich alles, hat bislang geklappt, diesbezüglich ist das Wort Genialität durchaus angebracht. Die bereits jetzt spürbaren Folgen der im schlimmsten Wortsinne nachhaltigen und kaum reversiblen, von ihr zu verantwortenden Entscheidungen sind bislang in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend von ihrer Person abgekoppelt. Die Gefahr, dass sie sich irgendwann einmal entschuldigen muss, weil sie ein freundliches Gesicht gezeigt hat, ist derzeit äußerst gering.

Foto: Tim Maxeiner

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S.Niemeyer / 27.04.2019

Madame besitzt einen gewaltigen Macht- und Killerinstinkt, in der Camouflage von Biederkeit und Harmlosigkeit. Da bleibt kein Platz für Verantwortungs- und Unrechtsbewusstsein, aber eine große Entourage. Wenn sie eines Tages weg vom Fenster sein wird, werden all die Duckmäuser zu retrospektiven Widerständlern mutieren, werden manche der vielen Niedergewalzten schreiben, was war.

Bärbel Schneider / 27.04.2019

Ihren nächsten Karriereschritt, die Wahl zur UNO-Generalsekretärin, hat sie durch den Migrationspakt und die bedingungslose Öffnung der Grenzen Europas ebenfalls schon vorbereitet. Die Länder, die in der UNO die Mehrheit stellen, können dadurch ohne Probleme ihre überzähligen Menschen nach Europa schicken, sie dort ernähren und sich vermehren lassen und damit gleichzeitig die europäische Kultur vernichten und den Islam verbreiten. Warum sollten sie eine solche Unterstützerin ihrer Interessen nicht wählen? Die europäischen Länder, die Merkel verrät, sind hier in der Minderheit. Verrat hat Merkels Karriere auch in der Vergangenheit ständig vorangebracht: Kohl, die CDU, Deutschland, dann Europa. Merkel ist die geschickteste und gewissenloseste Karrieristin aller Zeiten.

Anton Schlaffner / 27.04.2019

Der Tsunami der Politik wird erst Geschichte sein, wenn Europa Geschichte ist

Karl-Heinz Vonderstein / 27.04.2019

“Merkel wird vermutlich Rettung Europas anvertraut”.Wäre in etwa so, als wenn man Putin die Rettung der Ukraine anvertraut. Oder hinkt da jetzt der Vergleich?  

Peter Reindl / 27.04.2019

Biden, Hasselhoff und Obama. Das US Trio Infernale gegen das Master of Desaster Team Merkel, Maas und Nahles. Supergeil. Nur der Rest der Welt lacht sich schlapp. Oder freut sich die Augen zum Schlitz.

Margit Broetz / 27.04.2019

Gerontologe Biden will Präsident werden. Nun ja. Und Merkel ist nur eine Marionette. Ihre größte Waffe ist ihre scheinbare Harmlosigkeit. Hört man im Bekanntenkreis “aber sie macht das doch nicht schlecht” und fragt nach, was genau sie denn macht, verstummen die Stimmen. Nach einigem Zögern kommt dann, die anderen würden es ja auch nicht besser machen ... @ HaJo Wolf: Vor Jahren, als man nicht begriff, weshalb die Italiener Berlusconi gewählt und wiedergewählt hatten - das war bevor ich und andere begriffen hatten, wie Deutschen sind auch nicht besser dran - gab es ein Bonmot. Warum braucht Berlusconi einen eigenen Fernsehsender? Antwort: nun, wer den ganzen Tag nur Sch… produziert, braucht halt einen eigenen Kanal.

Sabine Schönfelder / 27.04.2019

Mir wäre es lieber Merkel tritt Junckers Nachfolge nicht im Job, sondern hinsichtlich seines ’ Ischiasleidens’ an und saufen, kann sie dann gefälligst alleine zu Hause, in ihrer Datscha in der Uckermark. Dort kann sie vollgejunckert mit ihren Pflanzen im Garten parlieren und den spärlich wachsenden Rosen mit einem munteren ‘wir schaffen das’ eventuell zur üppigen Blüte verhelfen oder auch nicht. Kein Mensch will, kein Mensch braucht diese Frau, außer ihren linken Nutznießern, siehe den peinlichen literarischen Auswurf von Jana Hensel. Welche Pillen muß die Arme denn schlucken, die ihren Geist dermaßen jämmerlich verwirren? Eine finstere Epoche Deutschlands muß ein Ende finden. In einem ähnlich verzweifelten Zustand wie die jetzige Führungstruppe der EU scheinen sich die amerikanischen Demokraten zu befinden. Biden machte schon als Vize einen freundlichen, aber tattrigen Eindruck. Spekulieren die Demokraten bereits auf den Mitleidsbonus? Trump wird’s freuen!

Rico Martin / 27.04.2019

Das ist kein Meisterstück was Merkels Vorgänger nicht fertig gebracht haben, sondern eine Unverfrorenheit die Merkels Vorgänger sich schlicht nicht getraut und erlaubt hätten. Merkel ist keine ehrenwerte Person. Historiker wird sie allerdings noch lange beschäftigen.

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