Henryk M. Broder / 08.01.2021 / 06:00 / Foto: Michael Schilling / 62 / Seite ausdrucken

Lieber Wendler als Goethe

Es sei immer ein Problem, sagt Dieter Bohlen, einem Bekloppten klarzumachen, "dass er bekloppt ist". Wie richtig er mit dieser Feststellung lag, muss Bohlen spätestens klargeworden sein, als RTL einen seiner DSDS-Juroren mit Schimpf und Schande vom Hof jagte, ausgerechnet einen, den der Sender bis dahin fast jeden Tag buchstäblich vorgeführt hatte. "Der Wendler" war dermaßen von sich angetan, dass er schließlich eine politische Erklärung abgab, mit der er sich ins politische Abseits beförderte, wie vor ihm bereits Xavier Naidoo. Noch blöder war nur, dass zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Folgen der Castingshow mit Wendler als Juror abgedreht waren.

Statt die ganze Show als Totalschaden abzuschreiben, verfiel man bei RTL auf die Idee, die Folgen neu zu schneiden. "Wir lassen uns eine erfolgreiche Show nicht von einem Verschwörungstheoretiker zerstören", erklärte RTL und setzte die Schere an, um "in einer Art humorvoller Schadensbegrenzung die Folgen durch veränderte Schnitttechniken und launige Einspielungen zu retten". Damit allerdings dürften die meisten RTL-Zuschauer ein wenig überfordert gewesen sein.  

Wendler auch. Von seinem Exil in Florida setzte er über Telegram einen Post ab, in dem er die "neuen Kontaktbeschränkungen in Deutschland... mit dem Betrieb von Konzentrationslagern" im Dritten Reich verglich. Klug war das nicht, aber durchaus dazu angetan, einen Furz in einen Fackelzug zu verwandeln.

Groteske Initiative

Der hessische Antisemitismusbeauftrage Uwe Becker, an sich ein Mann der Vernunft, meldete sich umgehend zu Wort: „Schlagersänger Michael Wendler gehört mit seiner Holocaust-Relativierung und seinen kruden Verschwörungstheorien nicht ins Fernsehen. Mit seiner jüngsten Entgleisung zur Kommentierung der aktuellen Corona-Regeln hat er sich endgültig disqualifiziert. Wer die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland mit einem KZ gleichsetzt und damit die Shoah derart relativiert, der sollte nicht von Woche zu Woche einem Millionenpublikum als Juror vorgesetzt werden. Da reicht auch die von RTL ins Feld geführte Begründung bereits abgedrehter Castings nicht aus.“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die, ungeachtet der Tatsache, dass sie in Feldafing am Starnberger See lebt, vor genau 14 Monaten zur Antisemitismus-Beauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen ernannt worden war, mochte nicht lange hintanstehen. „Die Aufregung um die Auftritte von Michael Wendler bei ‚DSDS‘ verschaffen ihm und seinen kruden Verschwörungsmythen noch mehr Aufmerksamkeit. Wendlers Äußerungen bewegen sich im Bereich der Holocaust-Relativierung. Diesem ernsten Fall muss auch mit entsprechender Ernsthaftigkeit beim Sender begegnet werden“, ließ SLS die dpa wissen.

Wendler relativiert die Shoah! Er bewegt sich im Bereich der Holocaust-Relativierung! Mehr Ehre kann einem Bekloppten nicht zuteil werden. Natürlich macht es mehr Spaß, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, als sich mit den Spitzen deutscher Institutionen, Goethe vorneweg, anzulegen, die ihren subtilen Kultur-Antisemitismus als Sorge um die Meinungsfreiheit verkleiden. Immerhin, Uwe Becker hat die "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" als "grotesk" bezeichnet und ihr bescheinigt, dass sie "für das Recht auf praktizierten Antisemitismus" streitet. 

Auf eine Stellungnahme von Frau Leutheusser-Schnarrenberger wartet die Welt bis jetzt vergeblich. Kein Wunder, hat sie doch mit ihren vielen Ehrenämtern schon genug zu tun.

Foto: Michael Schilling CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Steve Acker / 08.01.2021

Übrigens findet eine permanente Holocaust-Banalisierung durch die Verwendung des Begriffs “corona-leugner” statt. Man versucht damit Kritiker der Maßnahmen in die Nähe von Leugnern des schlimmsten in D begangenen Verbrechens zu rücken, was letztendlich dieses banaler erscheinen lässt.

Uwe Walter / 08.01.2021

Erinnern Sie sich? Vor fünf Jahren (in Hart aber Fair am 31.08.2015) hatte Ranga Yogeshwar die Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge als KZ bezeichnet. Nur komisch, da ist der Shitstorm ausgeblieben. Yogeshwar gehört immer noch zu Nomenklatura. Sie aus wie Doppelstandards.

Martin Müller / 08.01.2021

Mit Moral gegen Vernunft! Die Links-Grünen haben längst den Dreh heraus, wie sie jede Kritik an ihrer Gesinnungsdemokratie mit Moral diskreditieren können, indem sie sich selbst als einzige und wahre Vertreter des Guten darstellen. Demzufolge ist auch der von links-grünen Organisationen und Institutionen zelebrierte Antisemitismus quasi Kampf gegen Antisemitismus und gegen Rechts. Die Links-Grünen haben nicht nur längst verstanden, den Sozialismus in einem neuen Kostüm zu verklären, sie haben auch längst die Deutungshoheit über Gut und Böse in unserer Gesellschaft übernommen. Kaum ein Journalisst, der sich noch als Konservativ öffentlich erklärt. Konservativ gilt schon als mit sogenanntem rechten Gedankengut kontaminiert. Da reicht schon Kontaktschuld zum sozialen und beruflichen Ausschluss. Die erwünschte Realität wird eben zurechtgeschnitten und zurechtformuliert. Nicht nur bei RTL. Längst sind Tagesschau und Heute ein Instrument zur Verkündung der korrekten politischen Gesinnung. Antisemit kann nur sein, wer eine rechte Gesinnung hat, also jeder, der nicht auf dem links-grünen Trip ist. Ich denke, wir stehen am Beginn einer kulturellen und gesellschaftlichen Säuberung. Europa soll abendlandfrei gemacht werden, also alles, was der (alte) weiße Mann geschaffen und er schaffen hat die letzten 200 Jahren - oder sind es gar 2000 Jahre - soll durch den Dreck gezogen werden. Es gibt heute sowas wie guten Antisemitismus, wenn er auf roten oder grüne Fahnen weht. Der Holocaust ist dabei der Rammbock der Gutmenschen, um das Abendland zu schleifen. Hier ist der Ort, wo die von den Nazis ermordeten Millionen Juden benutzt werden, um uns ins moralische Gefängnis einzusperren, während man den lebenden Juden einen Ort des Überlebens austreiben möchte. Ja, der Staat der Juden ist Teil des Abendlandes! Ich frage mich, gab es je einen solchen Selbsthass auf die eigene Kultur?

Arthur Dent / 08.01.2021

Wer nahezu jeden, der politisch rechts von Sarah Wagenknecht steht, als Nazi bezeichnet, der verharmlost den NationalSOZIALISMUS und den Holocaust.

Wolfgang Nirada / 08.01.2021

Es ist weit unter meiner Würde mich mit “dem Wendler”, Penisbruch Bohlen oder Rammeln, Töten und Lallen (RTL) abzugeben - möchte aber trotzdem den hervorragenden Leserbriefen von Frau Hirsch, Herrn Schwetlik und Herrn Noha zustimmen… Alles Nazis ausser Mutti!!!

Hans-Peter Dollhopf / 08.01.2021

Herr Broder, wir erleben wahrlich turbulente Tage, in deren Chaos eingebildete Gespenster auf dem Capitol Hill nur von den gespensterhaften Bildern von Wuhan und Bergamo ablenken. Aufregende Glanzfarbstrukturen von Frontpages der Nachrichtenmagazine und gestochen scharf tanzende OLED-Abbilder vor ihren Netzhäuten spalten Gesellschafter in verfeindete Bürgerkriegsparteien. Es ist die Zeit der Kür zweifelhafter Sieger, während Verlierer das Exil ins taktische Biedermeier antreten. Durch Schleier aus Tages- und Jahresgeschehen erblickt der Alltagsprophet, ohnmächtig um Sendeschluss flehend, Godzilla in seiner Stadt, ein bei Amazon geordertes Paket mit der Großen Transformation in einer Pranke, einen Gelben Sack, die Amerikanische Revolution darinnen, in der anderen. Herr Broder, wie Sie Mäzen der Überlebenskunst mit der magischen Routine der routinierten Magie in diesem Beitrag auf Ihrem Blog das Alltägliche beackern, während drum herum das Große wie ein blutiger Hahn umhergeht ... “Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.”

Klaus-D. Weber / 08.01.2021

Nun möchte ich fast schon meinen, dass der Wendler das sagen darf, da er bekanntlich einen Jagdschein hat. Philosophische Betrachtungen über Herrn Wendler sind doch eher Perlen vor die Säue geworfen, als zielführend. Vielmehr bekümmert mich aber, dass staatstragende Politiker in hohen Ämtern und Würden z.B. einen FDP-Ministerpräsidenten, wenn auch nur für 4 Wochen im Amt, durchaus als Nazi beleidigen dürfen und dafür auch noch breiten Applaus bekommen.  Und das ist nur ein beliebiges Beispiel. Ist das etwa keine Verharmlosung der NS-Greultaten? Zumal diese geschulte Kaderklientel genau weiß, was es sagt und tut und damit sogar politische Machtziele verfolgt. Also Hirni Wendler geht gar nicht, während Al Kuds-Demos mit ‘Juden ins Gas’-Parolen in linksgrünen Kreisen durchaus salonfähig sind. Und der Bürger, verstrahlt vom ÖR und MSM, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es gilt: ‘Quod licet lovi, non licet bovi’ oder ‘all animals are equal but some are more equal than other’ oder ‘die Himmlischen und die Schwefeligen’. Die stupide Schlagermusik von Wendler ist allerdings wahrlich eine Beleidung für die Ohren und das wahre Verbrechen. Das führt schon zu körperlichen Schmerzen.

Kurt Müller / 08.01.2021

Es sei immer ein Problem, sagt Dieter Bohlen, einem Bekloppten klarzumachen, „dass er bekloppt ist“. Ich musste gerade so lachen - spricht er zu sich selbst? Es fehlt nur noch, daß man ihn den Franz Schubert der Postmoderne nennt. Ich fand die Bemerkung von dem Wendler jetzt auch ziemlich daneben. Es unterstreicht für mich lediglich, daß lustige Musikanten eben auch nur was von Musik verstehen (jedenfalls hoffe ich, daß sie es tun) und sich politisch nicht äußern sollten, daß scheint für sie zu hoch zu sein. Wie Kurt Tucholski schon in den Zwanzigern sinngemäß schrieb, werden nun in Deutschland wegen dieser Äußerung des Herrn Wendler wieder seitenlange philologische und moralische Erörterungen geschrieben werden, darunter machen es deutsche Gelehrte, Richter und Amtspersonen eben nun mal nicht. Würde es nicht ausreichen, wenn sich der Sender RTL hierzu angemessen äußert? Außerdem, was ist mit dieser Lisa Eckert auf der ARD, bei der man nicht mehr weiß, ob es sich wegen der Unzahl der verwendeten einschlägigen Begriffe wirklich nur um Satire handelt? Da sagt ja auch niemand was, alle klatschen wie blöde, außer der Zentralrat, dessen Meinung ich hierzu richtig finde. Gelten nun gleiche Maßstäbe und werden die Prioritäten für alle gleich gesetzt oder nicht, das ist mir dreißig Jahre nach der Wende immer noch nicht klar?

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