Deborah Ryszka, Gastautorin / 13.11.2022 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 17 / Seite ausdrucken

Kultur-Kompass: „Totgedacht“

Obwohl Roland Baader „Totgedacht. Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören“ bereits vor 20 Jahren geschrieben hat, haben seine Gedanken und Ausführungen keineswegs an Aktualität und Gültigkeit verloren. Fast eins zu eins sind sie auf die heutigen Zeiten übertragbar.

Die Geschichte zeigt uns zuhauf: Gefahren und Katastrophen entspringen elitärem Gedankengut. Mit diesem Wissen im Hinterkopf müsste heute jedem denkenden Menschen die anti-humanistische, obsessiv-klimabegeisterte Elite ein Dorn im Auge sein. Vielmehr Skepsis denn Begeisterung wäre angebracht. Stattdessen ertönt es „Klima, Klima über alles“ aus vielen intellektuellen Mündern.

Höchste Zeit, den Urhebern von Ideologien auf den Zahn zu fühlen: den Intellektuellen. Nicht den „echten“ Intellektuellen, im Sinne José Ortega y Gassets: „Man ist ein Intellektueller für sich, trotz seiner selbst, ja gegen sich selbst, unweigerlich.“ Sondern den Intellektuellen im weiten Sinne, den Berufsintellektuellen, wie etwa Friedrich August von Hayek den Intellektuellen begreift. Genau das macht der, bereits vor zehn Jahren verstorbene, Privatgelehrte und freie Autor Roland Baader.

Obwohl er „Totgedacht. Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören“ bereits vor 20 Jahren geschrieben hat, haben seine Gedanken und Ausführungen keineswegs an Aktualität und Gültigkeit verloren. Fast eins zu eins sind sie auf die heutigen Zeiten übertragbar. Dieses Maß an Objektivität kann nur der unvoreingenommenen Haltung Baaders und seinem objektiven Erkenntnisdrang zu verdanken sein.

Sozialismus, Kommunismus und Kollektivismus sind ihre Leidenschaften

Hierzu erstellt Baader auf über 300 Seiten ein Psychogramm des Intellektuellen von heute. Um ihn zu verstehen. Seine Motive und Gründe. Seine Wünsche und Ziele. Sortierung und Definition des Intellektuellen dienen ihm als Grundlage. Wie etwa die funktional-historische Zuordnung des Intellektuellen nach Bertrand de Jouvenel aus dem Jahr 1954. Demnach könne man drei Perioden der Intellektuellen im letzten Jahrtausend ausmachen: 1. Die geistlichen Intellektuellen (Priesterkaste), 2. die säkularen Intellektuellen (meist Rechtsgelehrte) und 3. eine Vermassung der säkularen Intellektuellen.

Neben diesen und anderen Definitionen wird es anschließend inhaltlich substanzieller. Schonungslos zeigt Baader die Schwäche vieler Intellektueller auf: Ihren Hang zu unfreien Gesellschaftsordnungen und ihre Abneigung gegen liberal-individualistische Gesellschaftsentwürfe. Sozialismus, Kommunismus und Kollektivismus sind ihre Leidenschaften. Wie zum Beispiel beim Ehepaar Sidney und Beatrice Webb. Ende des Jahres 1932, Anfang des Jahres 1933 reisten sie nach Russland, machten auch einen Stopp in der Ukraine. Es war die Hochzeit des Holodomors. Trotz alledem negierten die Webbs die russischen Schandtaten, ja, stellten sie sogar als Erfindung der Anti-Kommunisten dar.

Ebendiese glühende Anhängerschaft für eine Ideologie von Intellektuellen und ihre Selbstlüge wären auch anderweitig sichtbar: Während der Weimarer Republik (ein Faible für Nationalsozialismus) und während des Ost-West-Konflikts (mehr oder weniger die heimliche Adoration vieler westlicher Intellektuellen für den sozialistischen Bruderstaat).

Diese sozialistische Flamme sei es, die nie erlosch. Stets glühte sie, mal mehr, mal weniger, bis sie in unseren Zeiten wieder zu lodern begann. Als Positionierung gegen die ökonomischen Aspekte der Globalisierung. Bei den linken Intellektuellen. Aber auch bei den rechten, konservativen Intellektuellen. Nämlich als Kampf gegen die kulturelle Globalisierung. Neuerdings entflammten die linken Intellektuellen vordergründig für das Klima. Nota bene: Baader beobachtete diese Entwicklung bereits vor 20 Jahren!

Begeisterung für die „russische Seele“

Umso spannender ist es, sich den „Psychotricks“ vieler Intellektueller, die sie zur Untermauerung ihrer Ansichten nutzen, zu widmen. Baader extrahiert hierbei vier Methoden: 1. Gesinnung und Wertungen gehen vor Tatsachen, 2. eine moralische Aufladung darf nicht fehlen, 3. Tatsachen werden einseitig-verzerrt dargelegt und 4. es wird versucht, gesellschaftlich anerkannte Ziele mit fragwürdigen Mitteln zu erreichen. So werden etwa Begriffe wie Demokratie, Liberalismus und Freiheit semantisch neu aufgeladen. Oder der „Kampf gegen rechts“ brandmarkt automatisch jeden Nicht-Linken als Rassisten und Rechtsextremen.

Doch warum nutzen Intellektuelle diese Methoden? Warum sind sie so markt- und liberalismusfeindlich? Verschiedene Faktoren spielten hierbei eine entscheidende Rolle. Da wären zum Beispiel die abwertende Haltung der Intellektuellen gegenüber dem Geld und dem Unternehmertum als Ganzes. Ihr Hang zur Moralisierung. Aber auch ihre Unkenntnis vom „echten Leben“, von Handel und von Ökonomie.

Kurzum: Die Überheblichkeit des Intellektuellen ist das eigentliche Übel. Daher spricht sich Baader für mehr Demut und eine „Re-Christianisierung des Abendlandes“ aus. Denn „[alle] gesellschaftlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts […] waren Kopfgeburten von Intellektuellen.“ Heute gehörten hierzu unter anderem politische Korrektheit, Feminismus, Multikulturalismus und Antifaschismus. Aber auch die Begeisterung für die „russische Seele“.

Doch wie kann man diese intellektuelle „Malaise“ und die hieraus entstehenden unfreien Gesellschaftssystemen „kurieren“? Nach Baader mittels privatem Eigentum. „Eigentum, privates Eigentum, sichert nicht nur Freiheit und Wohlstand der individuellen Person, sondern auch die Freiheit und den Wohlstand einer ganzen Nation.“

Wer daher noch tiefgründiger in die Psyche vieler Intellektueller, ihren Gründe, Motiven und ideologischen Leidenschaften, eintauchen möchte, muss zu „Totgedacht“ greifen. Es zeigt ausdrücklich, wie lernunfähig und ideologievernarrt stets viele Intellektuelle waren, sind und sein werden. Das ist erschreckend. Doch es ist wohl der Lauf der Dinge, den es zu akzeptieren gilt.

„Totgedacht. Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören“ von Roland Baader, 2002, Grevenbroich: Lichtschlag Verlag. Hier bestellbar.

Foto: Achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Stephan Bender / 13.11.2022

@ Arne Ausländer: “Intellektuelle existieren ja nicht im Vakuum, meistens sind sie noch fester in Strukturen eingebunden als der Durchschnittsmensch.”—- Definiere “Intellektueller”, “Vakuum”, “Struktur” und “Durchschnittsmensch”! ... Da geht es meistens schon los, denn solche Begriffe würde niemand verwenden. Ein Intellektueller würde sich niemals als solcher bezeichnen, er hält sich für normal. “Intellektueller” wird er von anderen “Nichtintellektuellen” genannt, so wie “Sportler” eine Bezeichnung für Menschen ist, die an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen. Das “Vakuum” ist ein physikalischer Idealzustand, und ganz bestimmt keine Bezeichnung für gesellschaftliche Zustände, es sei denn, man betrachtet die Abwesenheit von Menschen als unangenehm. Die “Struktur” stammt aus der Chemie und wurde später in der zehndimensionalen Stringtheorie verwendet, ist aber ungeeignet als Beschreibung individueller Persönlichkeit; es sei denn, man betrachtet eine Horde von Affen mit Chiquita-Banane in der Hand als logische Abfolge der Generationen. Der Begriff “Durchschnittsmensch” wird nur von Menschen verwendet, die (warum auch immer) keine Durchschnittsmenschen sein wollen, aber statt dessen anfangen Körner zu fressen, bis mangels Eiweiß und ungesättigten Omega-Säuren ihr Gehirn so geschrumpft ist, dass es nicht mehr wehtut, wenn sie gequirlte Scheiße über die Demokratie, das Klima oder Atomkraftwerke von sich geben. Früher haben sich diese “Durchschnittsmenschen” in ihren unförmigen Körpern wenigstens mit Grunzlauten artikuliert, wenn sie Sex wollten, was für ihre Mitmenschen nicht so anstrengend war, als heute der verqueren Logik von staatlich anerkannten Dorfkretins mit Abitur, Parteimitgliedschaft und Diplom zu folgen. Die eigentliche Aufgabe des wahren Intellektuellen ist es also, die Definitionen von “intellektuell”, “Vakuum”, “Struktur” und “Durchschnittsmensch” zu kennen und sich von solchen fernzuhalten wie ein gesundheitlich geschwächter Mensch von schädlichen Viren.

Petra Horn / 13.11.2022

Warum habe ich nur das Gefühl, daß der Artikel sich konzentrisch um den russischen “Bruderstaat” und nebenbei auch noch um seine siebzig Jahre herrschende Ideologie dreht?

Ralf.Michael / 13.11.2022

Wenn es die Interlektuellen (egal welcher Coleur) dann doch mal endlich gelingen sollte ” Die Wüsten zum Blühen zu bringen “, werde ich Dorflehrer und gehöre dann auch zu den Pseudo-Interlektuellen….Hurroo !!

sybille eden / 13.11.2022

Roland Baader meinte explizit LINKS-Intellektuelle !!!

Arne Ausländer / 13.11.2022

@Dirk Jungnickel: Anders als der nicht wirklich politische Schriftsteller Lion Feuchtwanger verfügten die führenden Angehörigen der Fabian Society (bezeichnend, daß es da nicht einmal eine gebräuchliche deutsche Namensform gibt - der Verein soll ignoriert werden, vgl. sein Emblem) wie Mr u. Mrs Webb oder auch G. B. Shaw über recht gute Informationsquellen zur realen Lage unter der Sowjetmacht, auch wenn sie dennoch gewiß nicht alle Einzelheiten kannten. Sie waren ja auch nicht irgendwelche Besucher aus dem Westen sondern Kampfgenossen, die die Erfolge begutachteten. Und ausgiebig öffentlich lobten. Wie schon die Grundsatzkritik Liebknechts und Luxemburgs an Marx kannten die Fabians auch die vielen Berichte über das nachrevolutionäre Rußland ebenso wie Rosa Luxemburgs Kritik. Da das Grundkonzept der Fabians ja immer im Kommunismus für die Massen unter der Führung einer wohlhabende Elite bestand, wird sich das Mitgefühl mit den Kollateralschäden in “vernunftbestimmten” Grenzen gehalten haben. Leider kann ich das nur aus anderen bolschewistischen Texten schließen. Interna der Fabian Society konnte ich bisher noch nirgends finden. - (Die fundierte Kritik Liebknechts und Luxemburg dürfte der Grund gewesen sein, daß deren Versteck damals gefunden wurde. Anders als das des ebenfalls gesuchten Wilhelm Pieck. “Unsolidarisches” Verhalten wird bestraft.)

PALLA Manfred / 13.11.2022

+ + + gerade dazu auf-“gelesen”, ein Zitat von F. Dostojewski: > “Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, daß intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen” < !!! - auch nicht schlecht, oder ?!?  ;-)

sybille eden / 13.11.2022

Darum hat Trump ebend diesen Erfolg, weil er seit Eisenhower ( Gott hab ihn selig ) kein Intellektueller President ist. Die Masse des Volkes liebt ihn genau deswegen ! Ob er ein reicher oder armer Mann ist spielt bei den Amerikanern keine Rolle, denn sie haben nicht den deutschen, chronischen Besitzneid. Und so stellt Hans Herrmann Hoppe messerscharf fest, daß eine mentale Revolution der Gesellschaft von einer staatsabhängigen zu einer selbstständigen, freien, antisozialistischen, niemals von den Intellektuellen, sondern von der populistischen, volksnahen Ebene ausgehen kann !

Helmut Driesel / 13.11.2022

  Intellektuelle sind letztlich eine Kastenbezeichnung. Es sind welche, die im Gegensatz zu denen aus der Kaste der Handwerker ihr Einkommen nicht vorrangig mit den Händen sondern mit dem Kopf erarbeiten. Oder sie schaffen es, so zu tun, das genügt häufig. So wie es auch bei Künstlern oft genügt, einen Unterhaltungswert vorzutäuschen. Wenn man darüber lacht, genügt es, denn Lachen ist gesund. Schon der Versuch ist geldwert. Aber es ist sehr unpopulär, in Kasten zu denken. Der Baader war ja nun ein ziemlich randständiger Gauner, der sicher genau wusste, dass ihn der Otto Normalbürger nie würde nachahmen können. Das entwertet seine Texte ein Stück weit. Sonst könnte man sich nämlich fragen, was würde R. Baader als Wirtschaftsminister heute tun? Wie würde er das Bürgergeld gestalten? Sollten wir unser wahres BIP besser verheimlichen? Sollten staatliche Zuschüsse in den Taschen von Vermietern landen? Wie viele Autos braucht das Land, wie viele Straßen? Brauchen wir ein anderes Grundgesetz? Fragt sich das jemand?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Deborah Ryszka, Gastautorin / 10.03.2024 / 15:00 / 7

Kultur-Kompass: „Was heißt denken?“

Der Reclam-Verlag hat den Vorlesungs-Zyklus „Was heißt Denken?“ von Martin Heidegger neu aufgelegt. Was hat es damit auf sich? „Wes Brot ich ess’, des Lied…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 11.02.2024 / 16:00 / 8

Kultur-Kompass: Deutschland kann nicht gut mit Krise

Sobald es etwas ungemütlich wird, wirtschaftlich, sozial, kulturell, verliert Deutschland die Nerven. Dass das eine typisch deutsche Eigenheit zu sein scheint, veranschaulicht Friedrich Meinecke in…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 25.12.2023 / 16:00 / 3

Kultur-Kompass: „La notte italiana“

Anfang Januar feiert das Stück „La notte italiana – Reise ans Ende der Gleichgültigkeit“ von Mario Wurmitzer in Wilhelmshaven Premiere. Er persifliert als junger Autor…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 03.12.2023 / 16:00 / 6

Kultur-Kompass: „Pornographie“

Pornographie umgibt uns in der heutigen Zeit überall. Vor sechzig Jahren galt das noch nicht als selbstverständlich. Aus dieser Zeit stammt der bemerkenswerte Roman „Pornographie“…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 29.10.2023 / 15:00 / 4

Kultur-Kompass: „Die Deutschen und die Revolution“

Die Deutschen können nicht Revolution? Von wegen! Das zeigt einer der renommiertesten Historiker Deutschlands, Heinrich August Winkler, in seinem neuesten Geschichtsbändchen „Die Deutschen und die…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 10.09.2023 / 14:00 / 5

Kultur-Kompass: „Tierleben“

Zeit-Kolumnist Jens Jessen und „Grüffelo“-Schöpfer Axel Scheffler haben sich für den Essayband „Tierleben. Oder: Was sucht der Mensch in der Schöpfung?“ zusammengetan. Texte und Zeichnungen…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 03.09.2023 / 14:00 / 8

Warum sich künstlerische Qualität selten durchsetzt

Sie wundern sich über die Banalität moderner Kunst und Kultur? Das ist jedoch keine neue Entwicklung. Schon vor 100 Jahren schrieb Levin L. Schücking die…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 09.07.2023 / 16:00 / 6

Kultur-Kompass: „Die Veredelung der Herzen“

Der junge österreichische Dramaturg Moritz Wurmitzer hält in seinem Stück „Veredelung der Herzen“ den gesellschaftlichen Eliten den Spiegel vor, ohne gleichzeitig politisch zu ideologisieren. Es…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com