Kultur-Kompass: „Der betörende Glanz der Dummheit“

Wer sich nicht nur aus Alltagsbeobachtungen, sondern auch analytisch mit dem Phänomen der Dummheit auseinandersetzen möchte, dem sei Esther Vilars „Der betörende Glanz der Dummheit“ aus dem Jahr 1987 empfohlen.

„Früher wurde im betrunkenen Zustand beraten und im nüchternen beschlossen – heute ist es umgekehrt.“ Dieses Bonmot Goethes fällt vielleicht dem ein oder anderen ein. Wenn er zurückblickt. Auf Afghanistan. Oder noch weiter zurück. Auf die Fönfrisur aus den 1980er Jahren. Oder wenn er sich auf das Hier und Jetzt konzentriert. Auf das hiesige Corona-Management.

Der Intelligente weiß: „Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“ Ebenso weiß er, wie viel Witz und Komik der Dumme ins Leben bringen kann. Durch seine Schlussfolgerungen, seine Forderungen und seine Handlungen. Was Wirklichkeit und was Satire ist, kann nicht immer trennscharf unterschieden werden. Zuhauf bieten sich Gelegenheiten. Zu jeder Zeit. An jedem Ort.

Wer sich also nicht nur aus Alltagsbeobachtungen, sondern auch analytisch mit dem Phänomen der Dummheit auseinandersetzen möchte, dem sei als Wiederlektüre Esther Vilars „Der betörende Glanz der Dummheit“ aus dem Jahr 1987 empfohlen. Zur Erinnerung: Der argentinisch-deutschen Ärztin gelang eine breitere Aufmerksamkeit im Jahr 1971 mir ihrer Schrift „Der dressierte Mann“.

Heute würde man von „Cancel Culture“ sprechen

Ihre nicht ganz linksnahen und frauenfreundlichen Positionen gefielen offensichtlich einigen zu diesem Lager Gehörenden nicht. In für diesen Kreisen „typischer“ Manier kommunizierten vier Frauen mit Vilar in der Münchener Staatsbibliothek. Nicht ganz gewaltfrei, versteht sich. Daraufhin verließ die physisch Angegangene Deutschland.

Heute würde man von „Cancel Culture“ sprechen. Minus des physischen Denkzettels der Feministinnen. Plus der körperlichen Erinnerung, hieße es eher „Cancel Unculture“. Dummheit kennt eben keine Grenzen. Weder räumlich noch zeitlich oder geschlechtlich.

Ebendiese grenzenlose Verbreitung und Etablierung der Dummheit in allen Bereichen des Lebens beschreibt Vilar anschaulich und höchst amüsant in „Der betörende Glanz der Dummheit“. Vom Reichtum über den Beruf und die Kunst bis hin zur Liebe und dem grassierenden Spezialistentum. Unabhängig von der politischen Couleur, dem Geschlecht und anderen hippen Identitätsmerkmalen. Vilar behandelt Dummheit als das, was sie ist. Dummheit.

Die „Anti-Schwarzer“ teilt gegen alle aus

Diese ideologische Unbefangenheit, gepaart mit Scharfzüngigkeit und noch mehr Erbarmungslosigkeit, machen das Buch zu einer unterhaltsamen Lektüre. Sie ermöglicht dem Leser, in den Spiegel der Dummheit zu blicken, sich nicht allzu sehr vom Glanz der eigenen Dummheit blenden zu lassen und im besten Falle den eigenen Dummheiten ins Gesicht zu schauen. Um hoffentlich hieraus zu lernen.

Denn niemand ist vor Vilars schonungslosen Betrachtungen sicher, die „Anti-Schwarzer“ teilt gegen alle aus. Schonungslos, weil aufrichtig. Vilars abwechslungsreiche und dynamische Darstellungen auf etwas über 240 Seiten lassen jeden verbalen Tennisprofi vor Neid erbleichen. So wie: „Kommunismus funktioniert nach dem Gesetz der verordneten Dummheit: Hier verhindert eine große Dummheit – die der Politiker –, daß sich in den unteren Bereichen auch nur ein Mindestmaß an Intelligenz entwickeln kann. Kapitalismus funktioniert nach dem Gesetz der gewaltlosen Dummheit: Dank freien Wettbewerbs kann sich hier Beschränktheit in allen Bereichen so ungestört entfalten, daß das Intelligenzvolumen der Politiker ohne maßgeblichen Einfluss auf das Geschehen ist.“

Wie Vilar zeigt: Dummheit ist keine Frage der politischen Ausrichtung. Was dem Dummen fehlt, sind Fantasie und Sensibilität. Sich vorstellen, was sein könnte und sich hineinversetzen in den Anderen. Dann hätte es auch die Fönfrisur von damals nicht so leicht gehabt. Dann hätten die Taliban nicht wie im Kinderspiel Afghanistan übernommen.

Esther Vilar (1987) „Der betörende Glanz der Dummheit“. Düsseldorf: ECON. Hier bestellbar.

Foto: Koen Suyk/Anefo CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Heinrich Wägner / 29.08.2021

Milos Zeman,der Tschechische Präsident, sagte 2015/16 “Die Deutschen werden von Idioden regiert “. Er wurde für diesen Ausspruch niemals belangt oder angegriffen. Das eine Regierung schnell mit dem Besen zu Hand ist ,um alles schnell unter das “Sofa” zu kehren, ist noch erklärbar. Aber das ein ganzes Volk, die Nation, es nicht bemerkt das sie von Idioten regiert werden ,macht mir Angst. Es sagte es Ihnen nicht irgend “Wer”. Es war und ist der Präsident eines Landes in dem die Menschen,so wie wir, die ehem. Bürger der DDR bis 89 in einer Diktutur gelebt haben. Ein Mann und ein Volk das weiß  wie es sich anfühlt wenn eine Diktatur das Leben bestimmen. Die Deutschen lieben ihre Idioten.  Sie haben ,als ich ein Kind war sie zu Helden gemacht, Sieg…..... Und für die DDR ‘ler ging es weiter. Aber sie konnten den Zettel falten,ohne Nachzudenken ,den es kam immer das Selbe dabei raus, den sie wählten immer die Kandidaten der Nationalen Einheitsfront unter der Leitung und Führung der Genossen der S E D.  Sechzehn Jahre rennt es jetzt nun schon, das Volk ,daß nach den Worten von Zeman von Idioten regiert wird immer in die eine Richtung,Mutti wir folgen Dir. Adolf würde vor Wut platzen und einen seiner Topsucht Anfälle bekommen. Länger als ich , ich war schon ein Ar… Was konnte der/die besser als ich. Ganz einfach, es gibt immer noch Menschen in diesem Deutschland dem Besten aller Zeiten, die Jehne wählen die Herr Zeman meint. Wie soll das auch gehen Herr Zeman,in einen Land wo es Menschen gibt die mit Deutschland nichts Anfangen können und hinter Deutschland verrecke ,mit strahlenden Gesicht laufen.      

lutzgerke / 29.08.2021

Der Begriff Eugenik wurde Ende des 19. Jhds. durch Galton in UK eingeführt. Ploetz nannte dieselbe Wissenschaft 1895 in Deutschland Rassenhygiene, wobei er nicht an höher oder niedriger bewertete Systemrassen dachte, sondern an die sogenannte Vitalrasse. Es wurde eine Hygiene nicht des Einzelindividuums, sondern der gesunden menschlichen Bevölkerung geplant und als Forderung hingestellt. Achtung, jetzt kommt’s: Ploetz, der Sozialhygieniker Grotjahn, ferner einer der damals führenden Theoretiker (neben Schallmayer) Woltmann, sowie der spätere Sexualforscher Magnus Hirschfeld - sie alle gehörten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an. / Gerhard Hauptmann sympathisierte mit diesem Kreis, und sein in Berlin entstandenes Erstlingsdrama “Vor Sonnenaufgang” beleuchtete das Elend der psychophatischen Trunksucht mit deutlicher sozialistisch-rassenhygienischer Tendenz. / Dummheiten schlagen sich in einem schlechten Gedächtnis nieder, das wenige Gute wird übersteigert, das Schlechte vergessen. / Während der Leninherrschaft wollte die Wissenschaft einen neuen Menschen züchten durch Kreuzung mit dem Affen. Vielleicht ist das ja doch geglückt, aber wir werden nicht informiert, aber offiziell war das ein Reinfall. Es meldeten sich Frauen in Mengen freiwillig. / Das ist ein interessantes Thema und da lohnt es sich, weiter zu bohren.

Peter Holschke / 29.08.2021

Tolle Frau! Tolles Buch, welches mich in meiner ernsthaften Forschung über das Phänomen Dummheit inspiriert hat.

Gottfried Meier / 29.08.2021

Alice Schwarzer scheint ja zumindest etwas gelernt zu haben.

Dirk Jungnickel / 29.08.2021

Zu dem Thema fällt mir ein besonder “schlaues” Dumm - Verhalten ein: Der EKD - Mensch, der dumme August, nein, ach,  wie heißt der Heini doch gleich? - entlödete sich nicht bei der Trauerfeier für die 180 Opfer der z.T. menschengemachten Hochwasserkatastrophe in Westdeutschland sich der Regierungssicht und vor allem der Klima - Sekte anzubiedern. Die Opfer wären Opfer des menschengemachten Klimawandels, ließ er “durchblicken”. Vielleicht ist Dummheit doch eine Frage der politischen Ausrichtug ....unter anderem…

Thomas Schmidt / 29.08.2021

Die Evolution ist zielorientiert, wenn (massenweise) Dummheit sich gegen (vereinzelte) Intelligenz durchsetzt, dann muss man sie als Wettbewerbsvorteil betrachten. Wegen der Normalverteilung sind (relativ) Dumme immer und überall in der Überzahl, da müssen die wenigen Intelligenten schon sehr geschickt agieren, um sich durchzusetzen.  Am besten so wie Frauen mit den (beziehungstechnisch) dummen Männern umgehen: dem anderen suggerieren, dass er genau das will, was man selber will, und sich dann unter wohldosierten Widerstand dazu überreden lassen, dem zuzustimmen, was man dem Anderen geschickt als eigener Wille untergejubelt hat. Aber das hieße dann, dass intelligente auch immer gerissen und verschlagen sind, was überhaupt nicht der Fall sein muss. Meist sind sie einfach der kollektiven Inbrunst mit der die Dummen an irgendeinen himmelschreienden Unsinn glauben überhaupt nicht gewachsen und können nur wählen zwischen anpassen oder untergehen.

Michael Hinz / 29.08.2021

„Die alten Zivilisationen behaupten, auf Liebe und Gerechtigkeit gegründet zu sein. Unsere ist auf Haß gegründet. In unserer Welt wird es keine Gefühle geben außer Angst, Wut, Triumph und Selbsterniedrigung. Alles andere werden wir zerstören - alles.“ Na, wer hat es gesagt?

Heinz Thomas / 29.08.2021

Das genannte Buch kenne ich nicht. Aber wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, beschreibt Vilar die Intelligenz als Gegenpol zur Dummheit. Das würde ich so nicht unterschreiben. Wenn man z. B. die gravierenden Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte in der Politik betrachtet, ist dies bestimmt nicht der mangelnden Intelligenz der Akteure geschuldet. Denn m. E. ist dieser Intelligente vielfältigen anderen Einflüssen unterworfen. Trotz seiner ansich guten Veranlagung, spielen bei seinen Entscheidungen oft ganz andere Kriterien eine Rolle, wie Charakterschwäche, Einbildung von Überlegenheit, ideologische Einflüsse usw. Insofern benutzt er diese Eigenschaft, um sich Vorteile zu verschaffen oder Widrigkeiten aus dem Weg zu gehen. Der Gegenspieler der Intelligenz ist der Verstand. Um als Mensch mit Verstand zu gelten, muß man nicht besonders intelligent sein. Sonst ließe sich der Spruch: “Der dümmste Bauer hat die größten Kartoffeln” nicht erklären. So gesehen ist der Intelligente mit den kleineren Kartoffeln eigentlich der Dumme.

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