Eugen Sorg, Gastautor / 18.03.2018 / 06:20 / Foto: Pixabay / 30 / Seite ausdrucken

Krieg ist plötzlich wieder sehr nahe und real

Die meisten der heute lebenden Europäer haben keinen Krieg mehr erlebt. Sie sind nach 1945 geboren und aufgewachsen in einer nun seit über siebzig Jahren andauernden Periode des Friedens. Krieg ist für die pazifistischen, auf Dialog, Toleranz und Gruppentherapie gestimmten europäischen Zeitgenossen etwas Fremdes geworden, eine archaische Veranstaltung, ein atavistischer Kropf aus einer zivilisatorischen Frühzeit. Er passt nicht mehr ins Heute und wird verschwinden, so die vorherrschende, aber naive Auffassung, wenn nur endlich alle Menschen zu denselben materiellen und kulturellen Segnungen Zugang haben werden wie wir privilegierten Westler.

Dabei wird aber ausgeblendet, dass sich die europäische Friedensära ironischerweise in erster Linie dem zerstörungsmächtigen militärischen Schutzschirm Amerikas verdankte, der sowjet-kommunistische Expansionsgelüste in Schach hielt. Und es werden andere, auch irrationale, unberechenbare, in der Natur des Menschen liegende Motive übersehen, die für den Ausbruch und den mitunter für alle Beteiligten verheerenden Verlauf von Kriegen mitverantwortlich sind.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass in jüngster Zeit gleich drei deutschsprachige Publikationen erschienen sind, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Dreißigjährigen Krieg befassen, jener menschengemachten Katastrophe, die im 17. Jahrhundert weite Teile Mitteleuropas verwüstete.

Kehlmann, Maron, Safranski

Angesichts des anhaltenden und sich ausweitenden Gemetzels im Vorderen Orient, in der Sahelzone und in Südostasien und der Migration von Millionen hauptsächlich jungen Männern aus diesen Krisengebieten nach Europa wächst hier die Beunruhigung. Der Krieg ist plötzlich wieder sehr nahe und real. Das Bedürfnis nach Einordnung und Orientierung wächst, und die Verhältnisse im Europa der frühen Neuzeit sind vergleichbar mit jenen entlang den blutigen Rändern der heutigen Wohlstandszonen. Es ist verlockend, vierhundert Jahre zurückzublicken, um sich in die verstörende neue Gegenwart besser hineinversetzen zu können.

Eine grosse Leserschaft fand der Roman „Tyll“ von Daniel Kehlmann. Der Schriftsteller schickt seinen Helden Tyll Ulenspiegel, einen Gaukler und Spötter, auf eine Reise durch die Wirren des Dreißigjährigen Kriegs. Die Brutalitäten der Zeit werden vergegenwärtigt, die Gewalt, der Hunger, die Seuchen, der Aberglaube, der unbarmherzige und verlogene Fanatismus der katholischen wie der protestantischen Geistlichkeit, aber auch die kaltblütige List und der amoralische Charme, die einer entwickeln muss, um sich in einer Welt durchzuschlagen, in der ein Menschenleben nichts wiegt.

Monika Marons Roman "Munin oder Chaos im Kopf" wiederum spielt in der Gegenwart. Protagonistin Mina Wolf, eine freie Texterin, schreibt für eine westfälische Kleinstadt an einer Auftragsarbeit über den Dreißigjährigen Krieg. Während sie sich in die geschichtlichen Quellen vertieft, entwickelt sich unter den Anwohnern ihrer Berliner Straße ein wüster Nachbarschaftsstreit.

Eine Vorlage für die Gegenwart

Die allein lebende Mina gleitet in eine düstere Stimmung ab, der Streit belastet sie, dazu kommen bedrohliche Nachrichten aus aller Welt über Terroranschläge, Kriege, Flüchtlingsströme, Klimawandel, und in der Nähe wird eine junge Frau von zwei südländisch aussehenden Männern überfallen. Gegenwart und Szenen aus ihrer historischen Lektüre schieben sich immer mehr ineinander, bis ihr die "Vorkriegszeit" des Dreißigjährigen Kriegs wie eine „grobe Vorlage für die Gegenwart" erscheint.

Auch für den Politologen und Militärhistoriker Herfried Münkler sind die kriegerischen Ereignisse des 17. Jahrhunderts eine Art Vorlage für die Gegenwart, genauer für die aktuellen Kriege im Nahen und Mittleren Osten. Beide haben große Ähnlichkeiten, schreibt er in seinem gelehrten und packenden Großpanorama „Der Dreißigjährige Krieg: Europäische Katastrophe, deutsches Trauma".

Sie sind geprägt von Unübersichtlichkeit, entfesselter Grausamkeit, religiösem Endzeitglauben und einer Vielzahl kämpfender Truppen und ausländischer Einflussnehmer. Staatliche Heere, Söldnerarmeen und marodierende Haufen vernichten kontinuierlich die gesellschaftlichen Lebensgrundlagen. Der Krieg nährt den Krieg, und er endet erst, dies Münklers illusionsloses Fazit, wenn die Kriegsparteien gleichermaßen erschöpft und ausgeblutet sind.

Zuerst erschienen in der Basler Zeitung

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Joachim Lucas / 18.03.2018

Prognosen haben leider sehr oft die Eigenschaft nicht einzutreten. Aber das Undenkbare wagt keiner zu denken. Wir haben jetzt die längste Friedensperiode der europäischen Geschichte (73 Jahre). Die zweitlängste war von 1555 (dem Augsburger Religionsfrieden) und 1618 (dem Beginn des dreißigjährigen Krieges, einem Religionskrieg, also 63 Jahre). Die Vorstellung, dass die Gründung der EU und der Euro den Keim eines nächsten Krieges sein könnte, kommt keinem in den Sinn. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne! Der ist verflogen. Die EU ist vertraglich auf ewig(!) angelegt. Was für eine Vermessenheit. Was aber ist, wenn das Konstrukt eines Tages keiner mehr will (außer wir Deutschen natürlich als Musterschüler). Vielleicht ist die islamische Völkerwanderung, neben dem häufigen Grund “Geld”, ein weiterer Sargnagel. Wie kann dann das “Projekt” (Politikerdeutsch) wieder friedlich beendet werden. Bedenke das Ende; das aber hat keiner getan. Keiner wird dies wollen, aber dies war in der Geschichte noch nie ein Hinderungsgrund für Krieg.

Werner Arning / 18.03.2018

Eines lehrt die Geschichte : naiver Pazifismus und militärische Schwäche macht Kriege wahrscheinlicher und nicht umgekehrt. Abschreckung ist immer der glaubwürdigste Friedensstifter gewesen. Um so bedenklicher ist der Zustand der Bundeswehr, der öffentliche Umgang mit unseren Soldaten, der bis zur Lächerlichmachung geht und das zerrüttete Verhältnis zum Präsidenten unserer Schutzmacht, die USA. Wir sollten uns des Friedens nie zu sicher sein. Ein militärisch schwaches, aber reiches Land könnte Begehrlichkeiten wecken. Und niemand sollte es zu doll treiben mit seinem Trump-Bashing. Wer weiß, vielleicht brauchen wir die Hilfe dieses Herren noch. Hochmut kommt vor dem Fall. Und ein Wallenstein ist nicht in Sicht.

Gunther Bartelt / 18.03.2018

Der Kriegs-Index misst das Verhältnis von Teenagern/jungen Männern zu den „Älteren“ in ihrer Konkurrenz um Jobs und Aufstiegschancen. Ein Wert von über 3 gilt als akute Kriegsgefahr. Der Wert in Deutschland beträgt aktuell für deutsche Männer 0,65. Der Wert der illegalen Einwanderer seit 2015 reicht von 4 bis 8,5; die bereits länger hier lebenden „Migranten“ liegen bei etwa 3,5. Rein rechnerisch bedeutet dies, dass bei den von der Regierung zugestandenen, mindestens 220.000 jährlichen, illegalen Einwanderern, die überwiegend aus afrikanischen Ländern mit einem Index von 6-8 kommen, diese „kriegerischen“ jungen Männer in spätestens vier Jahren in der Alterkohorte von 18 bis 30 (derzeit 10 Millionen) die Mehrheit stellen werden. Damit ist der von der CIA vor acht Jahren für 2021 fast prophetisch vorhergesgte Bürgerkrieg für Deutschland fast unvermeidbar. Zu fragen wäre hierbei nach der Persönlichen Schuld, denn natürlich sind Angela Merkel und ihren Vertrauten diese Tatsachen bewusst. Oder, wie Roosevelt so treffend bemerkte: In der Politik geschieht nichts zufällig. Hinter allem steckt ein Plan.

Wilfried Cremer / 18.03.2018

Der alte Schwede ist nicht mehr. Wenn der Nächstenliebe Hass entgegen schlägt, dann kommt kein Krieg, dann gibt es nur ein großes Opfer.

Gerd Kistner / 18.03.2018

Die neuen Schlafwandler (s. Christopher Clark) sind da. Wer hätte gedacht, daß Angela Merkel in die Fußstapfen von Wilhelm II treten wird?

Stefan Zorn / 18.03.2018

Krieg wird es bei uns nicht geben. Wir haben dank Merkel/von der Zumschreien überhaupt keine funktionsfähige Armee mehr. - Wir bekommen höchstens innerhalb weniger Tage eine neue Regierung und eine archaische Leitkultur übergestülpt.

Leo Anderson / 18.03.2018

Gerade weil diese Kriege “an den blutigen Rändern der heutigen Wohlstandszonen” nicht aus “rationalen” Gründen geführt werden (e.g. um Ressourcen, strategische Vorteile, Land, Vieh, Frauen etc.), ist es müßig, ihnen mit Argumenten zu begegnen. “Friedensmissionen” bringen nichts - die Leute werden weiter kämpfen, so oder so. Und weil sie erst aufhören, wenn “alle Kriegsparteien gleichermaßen erschöpft und ausgeblutet sind”, sollte man sie großzügig mit Waffen beliefern.

Rudi Knoth / 18.03.2018

Nun die Tatsache, dass der Dreissigjährige Krieg ein Thema für Bücher ist, liegt wohl wohl daran, dass er vor 400 Jahren begann. Und im Nahen und mittleren Osten gibt es schon seit einiger Zeit eine Reihe von Konflikten, die seit vielen Jahren bestehen. Es ist ja nicht nur der “Nahostkonflikt” (Israel und arabische Staaten). Dann kommen noch Afghanistan (seit 1978) und Kurdistan (In der Türkei auch seit etwa 30 Jahren)  dazu. Durch die Flüchtlinge gibt es die Gefahr, dass diese Konflikte jetzt vor unserer Haustür sich bemerkbar machen.

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