Als ich gestern Nacht vom Balkon auf die ausgangsgesperrte Straße hinunterlausche, war es so still. Aus dem bunten Babel ist ein friedliches mitternächtliches Dorf geworden. Vor dem Coronakrieg war es laut zugegangen unten auf der Straße in der Nacht. Das Laute hatte sich fremder Zungen bedient und waren einige deutsch-artige Laute dazwischen, dann hatten sie psychotisch angemutet. Die Musik aus der Wettkneipe, drei Hausnummern weiter, war mit fortschreitender Stunde immer orientalischer geworden. Die zwanzigköpfige Belegschaft des kleinen Afrikashops hatte bis spät ihre Tageseinnahmen vor der Tür gefeiert. Die Poserautos waren laut angeprescht, hatten in die Feuerwehrzufahrten eingeparkt und ihre Muskelautomusik aufgedreht. Ein duzend Armfuchtler hatten gleichzeitig mit den entlegensten Orten Afrikas und Mittelasiens telefoniert und weil die so weit weg sind, hatten sie dabei brüllen müssen. Türksiche Kleinkinder hatten ihren Dominananspruch gekrischen. Dazwischen hatte immer wieder einmal der Abholservice des Roten Kreuzes seine Sirene aufheulen lassen, während einer der sturzbetrukenen Straßenpolen vom Gehweg gekratzt worden war. Das alles ist gerade nicht mehr so, um Mitternacht. Es ist, wie es vorher hätte sein sollen. Und ich hoffe, dass meine Ersparnisse mir den Aufenthalt in solchen Nächte noch ein klein wenig länger möglich machen werden.
@ M.-A. Schneider: Ich fürchte, die Leidensfähigkeit der Deutschen hält noch viel mehr aus. Ich hoffe innig, dass ich mich gründlich irre, aber wenn ich dort, wo ich wohne, die vielen (auch jungen!) Leute sehe, die alleine an der frischen Luft voll vermummt herumlaufen oder so im abgeschlossenen Auto sitzen, fürchte ich, dass erhebliche Teile der Gesellschaft bereits in eine Art kollektive Angsstörung hineingetrieben wurden durch die allgegenwärtige Hysterie. Ich fürchte, eine Rückkehr zur Normalität, zum Leben vor der Pandemie, wird es zumindest auf absehbare Zeit tatsächlich nicht geben, weil die hysterisierte Gesellschaft dazu psychologisch gar nicht mehr in der Lage ist.
Klasse Herr Schneider, einfach Klasse! ” Und ob das Lesen eines Buches – wie im Frühjahr – erlaubt ist, wenn man allein ist und dabei isst oder raucht.” und sich nicht bewegt….. Bitte lieber Herr Schneider, mehr von diesen existenziellen Fragestellungen!
Als Minderkonsument vom DDR Fernsehen 2.0 kann ich es natürlich nicht umfänglich beurteilen. Aber mir (wie dem Autor) ist aufgefallen, Corona Filmberichte stammen aus Einkaufzentren, Fußgängerpassagen usw. Nie aus der morgendlichen, überfüllten U-, S- und Straßenbahn. Zu gefährlich für die “Journalisten”? Dann die Frage warum gefährlich, Virus oder auf die Fresse bekommen? “...und ob man beim Brüllen aus dem Fenster nun Maske tragen muss oder nicht.”, Brüllen aus dem Fenster umschrieb bei der Armee und in meiner studentischen Zeit den Vorgang, der auf dem Schild in Tübingen zu lesen ist. “Hier kotzte Goethe”, Mit oder ohne Maske?
@Michael Schröder: Ich kann Ihnen die Spannung nehmen: für immer! Und ich kann Ihnen auch garantieren, dass das nicht mal die Terroristen für möglich gehalten hätten, deshalb sind sie vorsichtig Schritt für Schritt vorgegangen. Und was haben sie dabei festgestellt? Dass es gar nicht nötig gewesen wäre, die Schafe nach dem ersten Lockdown aus der Koppel zu lassen.
Des waren noch Zeiten, als Helmut Schmidt Bundeskanzler war und in Bayern Franz Josef Strauß zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Niemand konnte damals einen nicht genehmen Ministerpräsidenten verhindern. Auch die öffentlich rechtlichen Sender nicht. Die konnten plärren was sie wollten.
@Peter Holschke »Das ist sie Seuche unserer Zeit, Verrückte führen Blinde.«—- Um nicht vollends zu verzweifeln, denke ich in letzter Zeit häufiger an einen Witz, über den ich mich vor ungefähr zwanzig Jahren (also lange vor „corona semper regens“) mal fast totgelacht hätte: Ein Blinder und ein Tauber spielen in einem bayerischen Wirtshaus zum Tanz auf. Fragt der Blinde den Tauben: „Danzens scho?“ Fragt der Taube: »Warum? Spuin mir scho?«
Was hab ich gebrüllt!!! Ausnahmweise mal vor Gelächter. Das ist in letzter Zeit immer seltener geworden. Lachen ist mit Dauerzornesröte im Gesicht gar nicht so leicht. Insofern seien Sie bedankt, Herr Schneider.
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