Claudio Casula / 09.05.2023 / 14:00 / Foto: Imago / 52 / Seite ausdrucken

Jetzt graichts aber!

Von wegen „Vetternwirtschaft“! Der grüne Graichen-Clan bedenkt Brüder und Schwestern, also die Allernächsten. Die Familienbande bringt den Wirtschaftsminister nun allerdings in arge Bedrängnis.

In der Republik Kongo ist das so: Zahlreiche wichtige Firmen und hohe Posten in der Politik sind fest in der Hand der Familie von Präsident Denis Sassou-Nguesso. Seine Tochter Claudia leitet die Kommunikationsabteilung ihres Vaters, seinem Bruder Maurice gehören zahlreiche Unternehmen und Präsidentensohn Denis Christel soll angeblich bereits auf die Thronfolge vorbereitet werden. Zustände, die wir uns in Deutschland nicht in den wildesten Träumen vorstellen können.

Oh, wait… Hörten wir nicht kürzlich des Öfteren – wenn auch nicht in der Tagesschau um 20.00 Uhr – von den Graichens? Im Vetternwirtschaftsministerium von Robert Habeck haust dieser Clan wie die Made im Speck. Ein Wunder, dass neben der Klingel nicht noch ein getöpfertes und glasiertes Schildchen mit der Aufschrift „Hier lebt, liebt und lacht die Familie Graichen“ hängt. 

Sagten wir Vetternwirtschaft? Das weist Grünen-Chefin Ricarda Lang entrüstet zurück, und zwar im feinsten Whataboutismus-Stil: Kritik ausgerechnet vom CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der Patrick Graichens Rücktritt gefordert hatte, verbittet sie sich. Der bayerische Ministerpräsident habe Vetternwirtschaft nämlich selbst „zu so einer Art Arbeitsmodell“ gemacht. 

Ricarda und die Weißwurst-Amigos

Nur: Abgesehen davon, dass „Aber du!“ ein Argument ist, das die meisten zum letzten Mal im Sandkasten gehört haben – die „Amigo-Affäre“ (1993) liegt genau drei Dekaden zurück, Ricarda Lang kam erst im Jahr darauf zur Welt (da zog Söder übrigens gerade erst in den Landtag ein), muss also irgendwo davon gelesen haben oder von ihrem Coach, der sie im Phrasendreschen und Ärmchenrudern trainiert, gebrieft worden sein. Aber vielleicht hat sie recht und der Begriff „Vetternwirtschaft“ ist fehl am Platze. Weniger, weil es gendersensibel Vettern- und Basenwirtschaft heißen müsste, sondern weil es hier um Brüder und Schwestern geht. 

Für alle, denen der Stammbaum der Graichens zu verästelt ist, hier noch einmal ein Kurzüberblick über die Familienbande: Patrick Graichen ist Staatssekretär in Habecks Ministerium und offenbar der spiritus rector der Energiewende, mit der man uns bis aufs letzte Hemd auszieht. Auch sein Schwager Michael Kellner ist dort Staatssekretär, verheiratet mit Patricks Schwester Verena, die wiederum Senior Researcher im Öko-Institut (Forschungs- und Beratungsinstitut, das vom Wirtschaftsministerium Millionenaufträge erhält) und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat ist, der dem Ministerium souffliert. Und auch sein Bruder Jakob berät die Regierung: Als zuständiger Referent des Öko-Instituts für den Bereich Energie und Klima ist er in den Sitzungen des Arbeitskreises „klimaneutrale Luftfahrt“ (fliegende Teppiche?) vertreten. 

Wie es schon in der Bibel über Hiob heißt (42,11), so trifft es also auch auf Patrick Graichen zu: „Und es kamen zu ihm alle seine Brüder und alle seine Schwestern und alle, die ihn früher gekannt hatten, und aßen mit ihm in seinem Hause und sprachen ihm zu. (...)“

Bauernopfer: der Trauzeuge

Nun begab es sich aber zu der Zeit, dass die regierungseigene Deutsche Energie-Agentur den Chefposten neu zu vergeben hatte. Ein externer Dienstleister sammelte 18 Bewerbungen ein, ließ elf übrig und aus denen sollte nun der Kandidat „mit der besten Qualifikation“ ausgewählt werden. An diesem Auswahlverfahren war, Sie haben es gewiss schon gehört, Patrick Graichen beteiligt, und da der ehrenwerte Don Graichen nicht nur an seine Blutsverwandten denkt, sondern auch an gute Amigos, hievte er einen Herrn Michael Schäfer auf den Spitzenposten – seinen Trauzeugen. 

Patrick Graichen ist gewiss ein ehrenwerter Mann, aber das war denn doch einigen zu viel. Roberto Corleone geriet in ganz und gar ungewohnte Kritik, musste öffentlich erklären, dass „Fehler“ passiert seien, und pries Herrn Graichen, der seiner Ansicht nach „der Mann (sei), der Deutschland vor einer schweren Energiekrise bewahrt hat“, dem wir alle also unglaublich viel zu verdanken hätten und der gewissermaßen unverzichtbar sei, und jetzt zieht sich Herr Schäfer, damit der Wirtschaftsminister und sein Staatssekretär aus der Schusslinie kommen, offenbar als Chef der Deutschen Energieagentur zurück.

Die Stelle des Geschäftsführers soll nun neu ausgeschrieben werden. Noch nicht bekannt ist, ob eines der vier Kinder von Patrick Graichen schon alt genug ist, um sich zu bewerben.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Imago

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Patrick Meiser / 09.05.2023

“Ricarda Lang ............, muss also…..........von ihrem Coach, der sie im Phrasendreschen und Ärmchenrudern trainiert, gebrieft worden sein. “ Im Ärmchenrudern trainiert - einfach köstlich. Für mich der besten Satz im ganzen Artikel. Danke C. Casula, der Tag ist gerettet ;-)

Helmut M. Wichtlhuber / 09.05.2023

Trau, schau, wem? Nepotismus con Variazioni: Nicht der Neffe bekommt den Job, sondern der Trauzeuge. Danke. Bisher konnte ich mit dem Begriff „Fortschrittskoalition“ nichts anfangen. Jetzt aber kommt „Butter bei die Fische“.

Jörg Haerter / 09.05.2023

Was kennzeichnet eigentlich eine Bananenrepublik? Kann es sowas bei uns nicht geben weil zu kalt? Eigentlich sind die Grünen doch die Guten, oder? Ich kann garnicht verstehen, wieso man die nicht mehr wählen sollte. Und immer diese Fakenews, die Grünen zerstören die Familie, genau das Gegenteil ist hier der Fall, wie man sieht. Also, wir leben im besten Deutschland ever. Steini hatte recht.

S. Andersson / 09.05.2023

Ach komm schon, wen interessiert das schon. Ist doch nicht so schlimm….. das diese Art schon lange Standard ist im geilen D ist, sollte inzwischen auch dem letzten bekannt sein. Beispiele dafür gibt es unendlich viele und .... wen juckt’s? Anstand, Moral & Co, wenn die Genossen das hätten und FÜR DAS VOLK arbeiten würden, ja dann .... dann könnte auch ich damit leben. Da ich aber jeden Tag etwas anderes sehe und erlebe kann ich es nicht verstehen das auch nur noch einer im Amt ist. Ach ... ich bin heute aber schon wieder mal ein Dummerchen…. wäre doch echt blöd wenn der Urnenpöbel Vorbilder hätte die man Respektieren könnte, die ihren Job so machen wie anständige Bürger es machen müssen. Auf Goockle & Co dumme Videos veröffentlichen, sich auf die Strasse kleben, Scholzheimer, keine Umsätze ist nicht Pleite, Ostkokaine und was es da nicht noch so alles gibt .... bei extrem guter Bezahlung durch den Steuerzahler und die exorbitanten Pensionen nicht zu vergessen. Ooops…. “wir” schicken ja auch noch Milliarden auf die Reise ins Nirwana, haben aber für die in D lebenden Rentner, Kinder, Strassen, Schulen etc kein Geld. Ach komm .... was soll’s .... ist doch nicht mein Geld…. wech damit. Könnte man zusammenfassen mit: Ich bin Influencer! Toll, ich kann auch nix.

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