Henryk M. Broder / 02.01.2020 / 10:30 / Foto: achgut.com / 46 / Seite ausdrucken

Jeff und Anetta: Ziemlich beste Freunde

Vor kurzem haben wir auf der Achse zwei Auszüge aus dem neuen Buch des amerikanischen Historikers Jeff Herf veröffentlicht: „Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke, 1967–1989“, natürlich mit Wissen und Zustimmung des Verlages und von ihm selbst. Umso überraschter waren wir, als uns eine E-Mail von Jeff Herf erreichte, in der er uns wissen ließ, dass er der Veröffentlichung nie zugestimmt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass wir seine "gute Freundin" Anetta Kahane mehrmals angegriffen haben (Siehe etwa hier). Herf zeigte sich auch "surprised and disappointed", also überrascht und enttäuscht, darüber, dass ich mich nicht so entwickelt habe, wie er es von mir erwartet hatte. Was soll man dazu sagen? Sorry Jeff, it's not going to happen again! 

So kam es zu dem folgenden Briefwechsel, den wir im O-Ton und vollem Umfang hier wiedergeben. Davon unabhängig ist Herfs Buch, im Wallstein Verlag erschienen, nicht nur eine Fleißarbeit von über 500 Seiten, sondern auch ein ungemein wichtiger Beitrag zum Verständnis der jüngeren deutschen Geschichte und einer von Heuchelei und Verlogenheit gezeichneten Gegenwart. Well done, Jeff!

Dear Henryk,

When I agreed to have an excerpt from Unerklaerte Kriege gegen Israel published in the Achse der Guten, I was not aware that the website has published a series of attacks on my good friend, Anetta Kahane. Had I known this was the case, I would not have granted permission to do so. Learning of these attacks saddens and surprises me. I have not followed your recent writings but recall your earlier work on antisemitism in the West German left. So I had assumed that you and Anetta would be kindred spirits in fighting against a hatred that aims at all of us Jews. I am surprised and disappointed that you have chosen not to take that path.  I am copying this note to Anetta Kahane and am appealing to you to stop the attacks on her and on the Antionio Amadeu Stiftung. 

As a condition for continuing to leave the excerpt on your website, I also request that you publish the following statement of mine on the website.

To the Readers of Achse der Guten:

As I am not a regular reader of this website, I was not aware that it has published a number of attacks on my good friend Anetta Kahane, the Director of the Antonio Amadeu Stiftung. I assume that there are readers of this website who take a strong interest in the history of the antagonism of the East German dictatorship to the state of Israel and to the elements of antisemitism that accompanied that antagonism. In the thirty years since the revolution of 1989-1990, there are few people in German public life who have done more to focus attention on these issues than Ms. Kahane. 

She did so in organizing the 2009 exhibit "Das hat's bei uns nicht gegeben: Der Antisemitismus in der DDR." Anetta Kahane expressed strong interest in my 1997 work Divided Memory: The Nazi Past in the Two Germanys (Harvard University Press, 1997; deutsch, Zweierlei Erinnerung: Die NS Vergangenheit im geteilten Deutschland (Ullstein Verlag, 1998), a work that dealt with the antisemitic "anti-cosmopolitan purges" in the DDR in the 1950s, purges that were part of the early stages of the DDR's antagonism to Israel. In 2017, Anetta Kahane organized a lecture at the Antonio Amadeu Stiftung at which I spoke about the then just published English original Undeclared Wars with Israel: East Germany and the West German Far Left, 1967-1989 (Cambridge University Press, 2016), the work that has just been published by Wallstein Verlag in German.

In spring and summer 1990, members of the Volkskammer, the first democratically elected parliament in East Germany, passed resolutions that rejected the DDR's policy of antagonism to Israel. The decades long work of Antetta Kahane at the Antonio Amadeu Stiftung about this issue has continued and deepened the spirit of those resolutions. Especially in this period of rising antisemitism, I urge readers of Achse der Guten to support the Antonio Amadeu Stiftung and to give credit to Anetta Kahane for the excellent work she has done in fighting against antisemitism and racism of all kinds, and in supporting the values of liberal democratic institutions."

Sincerely,

Jeffrey Herf, author of Unerklaerte Kreige gegen Israel: Die DDR und die westdeutsche Linke, 1967-1989 (Wallstein Verlag, 2019) and Distinguished University Professor

dear jeffrey,

i will be more than happy to publish your statement if you will send me a handwritten statement saying that you will not hold me liable for harming your reputation as a distinguished professor of history. 

and just in case: what will you do if we do not publish your statement? will you take us to court or report to Anetta Kahane and her Stasi-friends?

happy new year, h

Dear Henryk,

Clearly we don’t agree about Anetta Kahane. Of course, I appreciate your willingness to publish an excerpt from Unerklaerte Kriege gegen Israel. As we both know, it is a work that brings long overdue evidence and interpretation into the German discussion, a discussion you have done much to stimulate. Rather than escalate this matter, I think the best thing to do is to leave things as they are. I will consider making a public statement elsewhere to express my high regard for what Anetta Kahane has accomplished as Director of the Antonio Amadeu Stiftung. 

Jeffrey

yes, professor,

please feel free to express your high regard for what Anetta Kahane has accomplished as Director of the Antonio Amadeu Stiftung, do not forget her accomplishments for what she has done as a spitzel for the famous human rights NGO called Stasi. and do also honestly acknowledge her willingness to denounce people for crimes they did not commit.

sorry to say, Jeff, you are a jerk, the laughingstock of the last days of 2019.

looking forward to you book presentation. please, keep a seat for me in the first row.

sincerely, henryk

Jeffrey Herf wird sein Buch auf Einladung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur am 13. Januar in Berlin vorstellen.  

 

Von Henryk M. Broder erschien am 8. November 2019 das Buch „Wer, wenn nicht ich – Henryk M. Broder“. Der Autor befasst sich darin mit „Deutschen, Deppen, Dichtern und Denkern auf dem Egotrip“. Das Buch kann im Achgut.com-Shop bestellt werden. Die zweite Auflage ist ab sofort lieferbar.

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Hans-Peter Dollhopf / 02.01.2020

Mit ernüchterndem Fazit habe ich mir gerade das Herf-Exzerpt #1 hier auf Achgut noch einmal vorgenommen. Wo soll der Clou sein? Herf setzt zu Beginn einen deutschen Imperativ (“moralisches Prinzip”) an, “Juden nie wieder Schaden zuzufügen” lautend. Spezifikum: Holocaust, Implikation: Andere dürften eigentlich schon! An diesem Imperativ vergleicht er BRD mit DDR und kommt zur Feststellung: im Osten Negation, im Westen Befolgung, aber darüber hinaus, dass RAF und Revolutionäre Zellen im Westen defektierten wie die DDR. Dazu vergleicht er Wucht von DDR und RAF & Co und stellt fest, dass DDR mächtiger als RAF & Co. Was für Einsichten! Den Bestand des konstruierten Imperativs macht er daran dingfest, Merkel habe 2008 “erklärt”, “dass das Überleben Israels ein Anliegen der deutschen Staatsräson sei”. Vor der Knesset, Himmel!, im alltäglichen Politikbetrieb geäußert, hätte es Selbstverständlichkeit[sic] symbolisiert! Konträr, erkennt er, “vertrat das kommunistische Regime jedoch eine ganz andere Sichtweise – eine Sichtweise, die der Idee des Zionismus und dem real existierenden Staat Israel feindselig gegenüberstand”. Die Rolle von BRD und DDR als Stellvertreter entlang der übergeordneten Gegensätzlichkeit im Kalten Krieg, wird gar nicht gewürdigt. Dass Adenauer die Chance der Westbindung nicht vertat, die Ost-Kommunisten gleich gar nicht erst wählen konnten. Dabei übersieht er, dass einzig die westdeutschen Roten in den 70er tatsächlich[!] frei darin gewesen waren, ob sie Israel akzeptieren wollten oder nicht. Stattdessen behauptet er, “antikosmopolitische Säuberungen” Stalins wären für die West-Linke dabei fundamental gewesen. Über welchen Hebel denn? Liebes-, Geldentzug? Schließlich versteigt er sich dazu, dass der Antizionismus des Ostblocks mit einer umfassenderen Revision der marxistisch-leninistischen Lehre verbunden gewesen wäre, als ob sich nicht bereits der Urvater Marx judenfeindlich geäußert hätte.

Friedrich Neureich / 02.01.2020

“Hat hier sonst noch irgendein Chelm Lust, sich üper meinen guten Freund lustig zu machen?” (Monty Python: Leben des Brian)

Ivan de Grisogono / 02.01.2020

Es gilt noch immer „Zeig mir deine Freunde und ich sag dir wer du bist“! Einfach entlarvend! Hofft der gute Jeff, mit seinen so tollen Menschenkentnissen, auf diese Weise „Promotion“ für sein Buch und Arbeit zu machen?

Wilfried Düring / 02.01.2020

Ich begrüße es ausdrücklich, daß Jeffrey Hart sein Buch und die von ihm aufgelisteten Tatsachen auch bei der Kahane-Stiftung zur Diskussion stellt. Dort wird er (auch) auf Linke treffen, die mit dem Stolz der Pharisaer jeden Tag in der eigenen Moralität ‘baden’ - um danach ihre Mitmenschen zu ‘Nazis’, ‘Rassisten’ und ‘Säuen’ zu erklären. Wenn Hart dort seinem Namen alle Ehre macht und mit der nötige ‘Härte’ auftritt, werden vielleicht auch einige seiner dortigen Zuhörer ihre bisherigen Position (vielleicht auch nur in ihrer Absolutheit) überdenken. Nicht alle Linken sind dumm und manche lernfähig. Ich sehe vor mir noch das verschmitzte Grinsen des hochverehrten Henryk M. Broder, als er vor der AfD-Bundesfraktion seine Rede mit den (mich schon nachdenklich machenden) Sätzen begann: ‘... Es gibt auch nette Linke, vernünftige Linke, normale Linke ... . Ich bin so einer. Ich bin ein alter Linker ...!!!’ Ob sich auch nette und vernünftige Linke bei Frau Kahane einfinden, weiß ich nicht; es ist immerhin nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist, daß der finanzielle Obolus bei Hart und seinem Buch (fantantische positive Leser-Rezension auf Amazon) besser aufgehoben sein wird, als bei den meisten anderen ‘Projekten’ dieser Stiftung. Es ist immer gut, wenn eine geschichtsvergessene und moralisierende Linke mit den mörderischen Abgründen ihrer EIGENEN Vergangenheit konfrontiert wird. Diese Leistung erbringt Hart bzgl. der antijüdischen, antiisraelischen und antisemitischen Komponenten ohne Abstriche. Die Verbreitung seines Buches verdient deshalb JEDE Unterstützung.

Marcel Seiler / 02.01.2020

Gabriele H. Schulze: “Irgendwie sind sie doch ein bißchen ab vom europäischen Schuß, die Amis und lassen sich schon mal ein X für ein U vormachen.” Sehe ich auch so. Meine im US-Sinne “liberalen” US-Freunde lesen (nur), was ihnen die New York Times berichtet (und andere Quellen über Europa gibt es dort kaum) und haben deshalb KEINE AHNUNG, was sich in Europa oder in Deutschland tut. Den Islam halten sie für so freundlich wie die Heilsarmee, und Frau Merkel ist für sie das “anständige” und “vernünftige” Deutschland.

Heinz Becker / 02.01.2020

Zunaechst stelle ich fest: 2:0 fuer Herrn Broder. Dann zeigt sich: Die Fronten verlaufen nicht immer so klar, wie es auf den ersten Blick scheint. Das BRD-Luegensystem meint, diese Widersprueche - z.B. zwischen angeblicher proisraelischer Staatsdoktrin und Ansiedlung von Millionen Arabern in der BRd, die bis jetzt noch nicht durch proisraelische Haltungen aufgefallen sind, um es einmal ganz PC zu formulieren - durch Wahrheitsverleugnung zu ueberbruecken: Die AfD - die einzige tatsaechlich proisraelische Partei im Bundestag - sei fuer den wachsenden Antisemitismus verantwortlich. Naja, was nicht passt, wird passend gemacht, notfalls vom klebrigen Klaus oder irgendwelchen WDR-Nazisaeuen…Rette sich, wer kann…Gerne nach Israel!

Peter Keller / 02.01.2020

Wenn der Text nicht von Frau Kahane bzw der AA Stiftung ist, fresse ich einen Besen…

S.Niemeyer / 02.01.2020

Sehr schade, dass der Historiker trotz seiner lesenswerten aufschlussreichen Studie sich auf der konkreten persönlichen Ebene dermaßen foppen und für Director K. Victoria a.D. einspannen lässt - Naivität? Eitelkeit? Auf jeden Fall sehr peinlich und der persönlichen Glaubwürdigkeit nicht förderlich. “Director” auf’s Podest der moralischen Makellosigkeit zu heben und sich zum verlängerten Arm gegen Henryk Broder und die ACHSE machen zu lassen, ist mies und schäbig.  Sie haben mit Eleganz den Degen geführt, verehrter Henryk Broder!  Danke auch dem Achse-Kommentator, der neulich bereits auf die AA-Verbindung hingewiesen hatte!

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