Bernhard Lassahn / 24.10.2021 / 06:10 / Foto: Pixabay / 87 / Seite ausdrucken

Inhalte überwinden!

Inhaltshinweise sind eine neue Bezeichnung für Trigger-Warnungen, durch die empfindliche Personen, die eventuell unter einem Trauma leiden, vorgewarnt werden. So wie jetzt an der Uni Bonn.

Bitte, nehmen Sie die folgenden Hinweise ernst.

Setzen Sie sich möglichst bequem hin, ehe Sie weiterlesen, atmen Sie tief und regelmäßig. Sie müssen jetzt ganz tapfer sein. Denn die folgenden Informationen könnten verstörend wirken. Sind Sie bereit? Gut:

Das Gleichstellungsbüro der Universität Bonn hat Informationen und Anregungen zum Umgang mit Inhaltshinweisen in der Lehre“ herausgegeben. Ach, das ist ja nett, werden Sie womöglich denken, „Informationen“ sind immer gut, davon kann man nie genug kriegen, und außerdem sind das ja nur „Anregungen“, das wird schon nicht so dramatisch sein … aber was, bitte schön, so werden Sie sich womöglich fragen, sind eigentlich „Inhaltshinweise“?

Na, ganz einfach: Es sind Hinweise auf Inhalte. Das ist doch selbsterklärend. Hm … Aber brauchen wir wirklich „Anregungen“ und sogar „Informationen“ darüber, wie man mit Hinweisen auf Inhalte umgehen muss? Offenbar.

Achtung Warnung

Inhaltshinweise sind eine neue Bezeichnung für Trigger-Warnungen, durch die empfindliche Personen, die eventuell unter einem Trauma leiden, vorgewarnt werden. In der Broschüre heißt es dazu: „Wir verwenden hier hingegen bewusst die Bezeichnung ‚Inhaltshinweise‘ oder ‚Content Notes‘, da sie weiter gefasst werden als die Triggerwarnungen und ohne den emotionalisierenden Begriff der ‚Warnung‘ auskommen.“

Das ist bitter. Schon der Begriff „Warnung“ kann emotionalisierend sein (das leuchtet mir ein), das ist aber gar nicht gut, da muss man vorgewarnt werden. Am besten wäre es, man sagte immer sicherheitshalber: Achtung, Achtung, Warnung. Gleich folgt eine Warnung. Denn diese Inhaltshinweise sind „viel weiter“ gefasst als Triggerwarnungen, so weit, dass auch vor einer „Warnung“ gewarnt werden muss – pardon: auf eine Warnung vorsichtig hingewiesen werden muss.

Es wird alles immer besser

Nun mag sich mancher besorgt fragen, ob damit womöglich der Debattenraum eingeengt wird und vielleicht sogar eine Form von Zensur eingeführt wird. Aber nein, i wo. Da können wir beruhigt sein. Es kann alles nur besser werden:

„Der Einsatz von Inhaltshinweisen vergrößert die Chance, bestimmte Lehrinhalte sowie schwierige und heikle Themen auf respekt- und rücksichtsvolle Weise diskutieren zu können, wie bspw. die Verwendung des N-Wortes in einer Originalquelle im Rahmen einer Lehrveranstaltung des Fachs Geschichte.“

Stimmt. So wurde das angekündigt: Inhaltshinweise sind „viel weiter gefasst“, da muss auch der Umgang mit dem N-Wort erfasst werden, damit „ … ein Seminar als Safe Space wahrgenommen werden kann“ und sich alle wohlfühlen können.

Na, bitte, es wird alles gut: „Inhaltshinweise können auch für Dozent*innen hilfreich sein, um im Voraus zu überlegen, wie sie ihre Inhalte für die Studierenden aufbereiten und ob angemessene Anpassungen für Studierende mit einem eventuell erschwerten Zugang zu den Inhalten möglich sind.“

Auf die sanfte Tour

Ist es nicht zärtlich formuliert? Da fühlt man sich irgendwie gestreichelt. Die Inhaltshinweise „können“ „hilfreich“ sein, und zwar „auch“ für „Dozent*innen“ (da wird niemand ausgeschlossen). Die können schon „im Voraus“ (an anderer Stelle werden zwei Wochen Vorlauf empfohlen) überlegen, ob „Anpassungen“ – aber selbstverständlich nur „angemessene“ Anpassungen – überhaupt „möglich sind“; denn Studierende könnten „eventuell“ einen „erschwerten Zugang“ haben. Das wollen wir natürlich nicht hoffen.

Die Studenten, die vorsorglich „Studierende“ heißen (womöglich sind sie verstört, wenn man sie immer noch als „Studenten“ bezeichnet), werden vorsichtig mit Samthandschuhen angefasst. Auch die „Anregungen“ kommen mit Samthandschuhen daher. Das ist so rücksichtsvoll, so grundgut und menschenfreundlich, dass ich mich frage, wieso ich das Gefühl habe, dass hier der freie Geist mit Samthandschuhen erwürgt wird, ganz langsam und genüsslich.

Was, wenn die Uni aus ist?

Ich finde es besorgniserregend! Denken wir kurz über den geschützten Raum der Uni hinaus und stellen wir uns vor, die „Studierenden“, die sich eben noch geschützt fühlen durften, kommen wieder in die weite Welt hinaus, klappen ihren Laptop auf oder werfen ahnungslos einen Blick ins Fernsehprogramm. Und dann werden sie brutal ohne jede Vorwarnung aufgerufen, in Panik zu geraten und müssen erfahren, dass schon in achtzig Jahren das Land sieben Meter unter Wasser steht und der Asphalt so heiß sein wird, dass Schüler den Schulhof nicht mehr benutzen können. Wie können sie das aushalten?

Gut. Sehr gut sogar. Wir haben es hier mit zwei Seiten von der Münze zu tun, die heute im Umlauf und zur Standardwährung geworden ist: Auf der einen Seite wird die Vulnerabilität gehätschelt und jede Mini-Empfindlichkeit zu einem Trauma aufgebauscht und auf der anderen Seite berauscht man sich an seiner Angstlust und Katastrophen-Geilheit und kann es nicht schlimm genug haben.

Ich könnte mich aufregen, wenn ich noch weiter darüber nachdenke. Zum Glück habe ich Freunde*innen, die mir wertvolle Tipps geben. Empfehlenswert sind Kamillentee, aber auch Tee aus Passionsblumenkraut und aus Melissenblättern. Das beruhigt. Nur so als Anregung.

Foto: Pixabay

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G. Böhm / 24.10.2021

Nachtrag 3 - @ J. Schulze-Heggenbrecht, auf Ihre Frage ‘Wie konnte es so weit kommen?’, der Versuch einen kurzen Teilantwort i. V. m. einer ähnlich von mir formulierten Frage an anderer Stelle: Wie so ist es möglich, daß Meinungsspektren, ... , derart in den Vordergrund rücken und als Dominante den öffentlichen Diskurs beherrschen, daß man den Eindruck gewinnen kann, daß jeder Einrede per se ein abweichlerischer reaktionärer Charakter zuzuschreiben ist?, die Meinung eines Mitkommentators: “Das ist deswegen so, weil die (Kern-)Linken - auf Basis ihrer sprachlichen Fähigkeiten und ihres Siegeswillens - fast alle Medien, fast alle Parteien, fast alle “NGO"s, fast alle Parlamente etc. gekapert haben und viele der Restlichen letztlich feige und kriecherisch sind und diesen nicht entgegentreten, sondern hörig hinterherdackeln.” - Diese Antwort ist in ihrer Beschreibung der Situation durchaus richtig, jedoch keineswegs umfassend. Hinsichtlich der tatsächlichen Ursachen muß man wohl tiefer gehen. Wie aber Th. Schneegaß zu heute anmerkte, im Kommentarbereich ist kein Platz vorhanden, solche Fragen umfassend zu klären, es können ja nur Denkimpulse gegeben werden. Die nächste Fragestellung wäre somit, was sind die Ursachen für das vom Mitkommentator beschriebene Ist.

A. Ostrovsky / 24.10.2021

@Hans Reinhardt : Ja, aber wir kennen den richtigen Namen von Tina. Und das Machtgefälle war andersrum.

Fridolin Kiesewetter / 24.10.2021

Vor der Verwendung des Wortes “N-Wort” müßte aber ebenfalls ausdrücklich ein Warnhinweis erfolgen, (Achtung, wir verwenden jetzt das Wort “N-Wort”), denn um zu wissen, was mit N-Wort gemeint ist, muß der arme Leser sich ja das Gemeinte vergegenwärtigen, also im Geist das Wort Neger denken, was verstören könnte. - Allerdings müßte dann konsequenterweise auch vor dieser vorausgehenden Warnung gewarnt werden, da man ja auch diese nur versteht wenn man das böse Wort denkt ... und so weiter ohne Ende.

A. Ostrovsky / 24.10.2021

Zu der Börsen ralley des Urans, heite früh gemeldet “Investoren setzen auf Atomkraft und Uran”, kann ich nach 3 Minuten Suche im Internet auch etwas beitragen: börse punkt de und dort in der Suchmaske:  A1W2NL und A1KDAV   und   890889

T. Schneegaß / 24.10.2021

@G. Böhm: ” Das Problem ist komplexer Natur.” Vollkommen einverstanden. Um das zu vertiefen, reicht der Kommentarbereich hier nicht aus und ist dafür auch bestimmt nicht gedacht. Deshalb ist mein Hinweis auf zyklische Abläufe in der Geschichte der Menschheit nur als verallgemeinender “Überbegriff” gemeint und zu verstehen. VG TS (PS: kommen gerade aus der Alten Ziegelei, es war noch mal tolle Stimmung am vielleicht letzten warmen Sonntag des Jahres 2 der Corona-Zeitrechnung)

E. Albert / 24.10.2021

Dekadenz im Endstadium. Bei allen Auswirkungen, die ein Blackout haben kann/wird (- auch ich habe Elsberg gelesen -) frage ich mich bei solchen Ergüssen des ZeitUNgeistes immer öfter, ob das nicht doch heilsam wäre.

sybille eden / 24.10.2021

Frau Lilja WIESE, wie wärs mit ” LEBENDER” ?  ( tssstssstsss ................)

Gabriele H. Schulze / 24.10.2021

An mich denkt wohl niemand. Ich muß ständig auf dem quivive sein, damit mich das Tagesschau-Intro oder andere ÖR-“Contents” nicht triggern. Will ja die Krankenkasse nicht noch mehr belasten. Im übrigen war es ja nur eine Frage der Zeit, wann der Irrsinn aus Amiland herüberschwappt.

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