Henryk M. Broder / 05.03.2020 / 06:25 / Foto: Tom Sodoge / 204 / Seite ausdrucken

Ich melde dich, und du meldest mich

Deutschland dürfte das einzige demokratische Land der Welt sein, in dem die Regierung das Volk zur Demokratie erzieht – statt umgekehrt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert zivilgesellschaftliche Initiativen mit 115 Millionen Euro jährlich. Das Programm heißt: „Demokratie leben!“

Aber das reicht offenbar nicht, um demokratisches Bewusstsein dauerhaft zu verankern. Deswegen hat die zuständige Ministerin Franziska Giffey angekündigt, sie werde demnächst ein „Demokratiefördergesetz“ vorlegen. Das ist etwa so sinnstiftend, als würde in einem Kloster darauf hingewiesen werden, dass die Keuschheitsgebote eingehalten werden müssen.

Nach dem Blutbad von Halle gab der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) bekannt, man habe „die Präsenz der Polizei weiter verstärkt“, jeder Bürger sei „aufgerufen, mitzumachen“, man werde „ein kommunales Frühwarnsystem“ entwickeln, an dem sich „jeder jederzeit per App“ beteiligen kann. Zum Beispiel: „Wer dann eine Hakenkreuzschmiererei auf dem Spielplatz sieht, kann das sofort als Handyfoto an die Meldestelle schicken.“

Und wenn ein Mitbürger „den begründeten Verdacht hat, dass sich jemand aus seiner Nachbarschaft oder dem Bekanntenkreis radikalisiert“, dann würde er, der Innenminister, „einen Streifenwagen“ losschicken oder „durch den Verfassungsschutz einen möglichen Extremismus-Verdacht prüfen“ lassen. Lieber „einmal mehr als einmal zu wenig“.

Einmal davon abgesehen, dass Polizei und Verfassungsschutz gar nicht in der Lage wären, jeden Hinweis an die „Meldestelle“ zu verfolgen, es sei denn, sie würden alle anderen Tätigkeiten einstellen, will der hessische Innenminister ein System der „Bürgerbeteiligung“ wiederbeleben, das in Deutschland schon zweimal erfolgreich praktiziert wurde, im Dritten Reich und in der DDR.

Das Denunzieren gehört zu den tragenden Säulen jeder Diktatur. Früher musste der Denunziant noch anonyme Briefe schreiben, heute kann er den Nachbarn per App „melden“. Und schon setzt sich ein Streifenwagen in Bewegung oder die Kollegen vom Verfassungsschutz legen eine Akte an.

Ist es das, was Franziska Giffey unter „Demokratie leben!“ versteht und wozu sie mit einem „Demokratiefördergesetz“ ermuntern möchte?

Kommt Zeit, kommt Klarheit. Wir werden es bald wissen.

Von Henryk M. Broder erschien am 8. November 2019 das Buch „Wer, wenn nicht ich – Henryk M. Broder“. Der Autor befasst sich darin mit „Deutschen, Deppen, Dichtern und Denkern auf dem Egotrip“. Das Buch kann im Achgut.com-Shop bestellt werden. Die dritte Auflage ist ab sofort lieferbar.

Foto: Tom Sodoge tomsdg CC0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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gisbert matthes / 05.03.2020

das gute, wahre, gendergerechte, die umweltschonende demokratiefördergesetz…..soviel zeit muss sein

Dr. Rene Brunsch / 05.03.2020

Gibt es dann für besondere Bespitzelungsverdienste den Erich Mielke - oder den Kim Il Sung - Orden? Oder greift man mit dieser ruhmreichen Tradition auf noch “edlere” Vorgänger zurück? Wie sagte einst Berolt Brecht: “Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch” Wie recht er hatte.  Nur ahnte er wohl nicht, in welcher Gestalt dieser “Schoß” seine Reinkarnation feiert.

B. Kurz / 05.03.2020

Ja, ja “alle Staatsgewalt geht vom Volke aus”, nur ernennt diese Politikerkaste “ihr Volk” neuerdings selbst. Alle die nicht spuren, sind ja nur Gesindel und da ist der Haken.  @Hans Reinhardt, ich durfte auch ein paar Jahre ein “gefühlt” freier Bürger sein, nun sitze ich da mit meiner Stasi-Akte und mich würgt es nur noch!

Paul Siemons / 05.03.2020

Der beste Bürger in diesem Land / ist jetzt fortan der Denunziant.

Roland Gossert / 05.03.2020

Die alte NS Hausmeistertruppe kommt wieder. “Psst, der hat über den Führer gelästert…” “Keine Sorge, das Schwein holen wir morgen ab!” Mein Großvater wäre wegen solchen Lauschern beinahe im Konzentrationslager gelandet!

Sabine Schönfelder / 05.03.2020

Gott zum Segen, Karla@Kuhn schreibt wieder! Habe Sie schon vermißt, Sie wissen doch, in diesen Zeiten, tagelang keine Karla Kuhn, da macht man sich schon Sorgen! Östlinge wissen, auch gute Nachbarschaft schützt nicht vor Denunziantentum! Oder waren Sie nur ein paar Tage in der Betty-Ford-Klinik, um gegen die Sucht anzukämpfen, die hier alle regelmäßigen Foristen befallen hat: das tägliche starke Verlangen gegen den staatlichen Irrsinn anzuschreiben, bevor man selbst kirre wird? Falls das zutrifft, sagen Sie mir das nächste Mal bescheid. Ich gehe mit. LG

Dieter Hegger / 05.03.2020

Wir haben gemeinsam die GEZ still gelegt durch Massen- Anschreiben !  Das könnte auch in diesem Fall gelingen…..jeden Tag 2-3 Meldungen XY Personen ?

Gabriele Klein / 05.03.2020

Zum Glück gibt es noch ACHGUT wo wir melden können wenn wir gemeldet wurden. In diesem Sinne wünsche ich, nicht ganz selbstlos, Herrn Broder und natürlich auch seiner Belegschaft eine gute Gesundheit .... Wer, wenn nicht Sie….......

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