Thomas Rietzschel / 25.11.2018 / 12:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 13 / Seite ausdrucken

Her mit den Experten! Raus mit den Azubis!

Der Bundesrechnungshof ist alarmiert. Auch den Bürgern schwant schon länger, dass etwas faul sein muss im Staate Deutschland, wenn die Minister hunderte von Millionen für die Verpflichtung externer Berater locker machen. Verdienten die Consulting-Unternemen 2005 mit Aufträgen der öffentlichen Hand bereits 1,14 Milliarden, so hatte sich das Geschäft 2017 mehr als verdoppelt. Unterm Strich belief es sich auf 2,93 Milliarden.

Von Verschwendung ist die Rede. Skandalöse Verhältnissen werden vermutet. Und natürlich könnte man die Gemüter wieder beruhigen, indem man die Berater allesamt vor die Tür setzt, ihre Beschäftigung wenigstens auf ein Mindestmaß reduziert. Von Fall zu Fall wäre das sicher angebracht. Nur, was würde es nützen? 

Roland Berger, Boston Consulting und Dutzende mehr, selbst McKinsey, der Arbeitgeber eines der Söhne Ursula von der Leyens, sie alle wurden doch nicht verpflichtet, um der Branche etwas Gutes zu tun. So etwas mag gelegentlich vorgekommen sein; Vetternwirtschaft gehört zum Geschäft. Das wahre Problem aber ist ein anderes, eines, das die politische Organisation grundsätzlich in Frage stellt.

Werden externe Berater doch reihenweise angeheuert, um mit Problemen fertig zu werden, zu deren Lösung es den Ministern und ihrer Gefolgschaft am nötigen Sachverstand mangelt. Um das Chaos der Flüchtlingskrise zu bewältigen, holt Hans-Jürgen Weise – damals noch Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – die Roland Berger Holding GmbH an Bord. Nachdem Waffen und Ausstattung der Bundeswehr unter Frau von der Leyen verkommen waren, musste McKinsey einspringen, um für ein „Rüstungsmanagement“ zu sorgen, „das sicherstellt, dass die heimischen Streitkräfte über einsatztaugliche Panzer, Schiffe und Flugzeuge verfügen“, so die FAZ.

Ein Apparat, der sich fachkundig gibt, ohne es zu sein

Wenn dem aber so ist, dass es in der modernen Hochleistungsgesellschaft besonders qualifizierter Fachkräfte bedarf, um wirtschaftlich, militärisch, sozial, kulturell und finanziell bestehen zu können, wozu brauchen wir dann noch einen politischen Apparat, der sich fachkundig gibt, ohne es zu sein. Wäre es da nicht sinnvoller, in diesem Bereich zu sparen, als sich von den Fachleuten zu trennen, auf deren Beistand die Beamten angewiesen sind?

Zwar mögen sie, vorwiegend aus dem Personalbestand der Parteien rekrutiert, über die Fähigkeit verfügen, parteipolitisch aufzutrumpfen. Dabei macht ihnen kein Berater so schnell etwas vor. Sobald sie jedoch aus ihrem gesellschaftlichen Jenseits heraustreten, gefordert sind, für den Nachschub beim Heer zu sorgen oder das Dieselfahrverbot mit dem laufenden Straßenverkehr in Einklang zu bringen, stehen sie wie der sprichwörtliche Ochs vorm neuen Tor. Sie beginnen zu faseln und suchen händeringend nach Unternehmensberatern, die ihnen sagen, was zu tun ist.

Die Welt funktioniert eben nicht mehr so einfach, dass sie allein mit dem ideologischen Rüstzeug dieser oder jener Partei in allen Bereichen zu beherrschen wäre. Dazu bedürfte es längst schon differenzierterer fachlicher Befähigung. Geradezu anachronistisch mutet es an, wenn eine oder einer noch immer irgendein Ministerium „bekommt“, weil sie oder er nun einmal „an der Reihe“ sind, sich lange genug in der CDU, der SPD, der FDP oder bei den Grünen hochgesessen haben. Skandalös sind allein diese feudale Zustände, nicht die Verpflichtungen der Unternehmensberater.

Auf der Agenda steht der Übergang zu einer Experten-Regierung, überwölbt von einem politischen Gremium, das nicht mehr als den Erhalt der bürgerlichen Freiheit zu garantieren hat – einer Freiheit, die es jedem erlaubt, dank seiner besonderen Qualifikation ins Kabinett aufzurücken, mit oder ohne Parteibuch. Die Angelernten haben da länger nichts verloren. Der omnipräsente, überall eingreifende Staat, wie wir ihn kennen, ist ein Auslaufmodell der Geschichte. Und nichts beweist die Überforderungen seiner Repräsentanten mehr als die ausufernde Beschäftigung externer Berater.

McKinsey, übernehmen Sie. Schlimmer als mit den politischen Azubis kann es nicht kommen.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Achim Gleichmann / 25.11.2018

“Und nichts beweist die Überforderungen seiner Repräsentanten mehr als die ausufernde Beschäftigung externer Berater.” Da haben Sie den Nagel ja doch noch auf den Kopf getroffen, Herr Rietzschel! ;o) Ohne zu pauschalisieren, möchte ich nämlich anmerken, dass Repräsentanten eben nur repräsentieren. Man sollte alle Repräsentanten einsparen, die nicht einmal den Ar__h in der Hose haben, den eigenen Leuten gute Arbeit zuzutrauen bzw. diese anzuerkennen und zu verantworten. Oder wie wäre es mit vorgeschriebenen Zugangsvoraussetzungen für Ministerposten? Verteidigungsminister sollte ein sehr erfahrener, ranghoher Soldat werden, Innenminister ein sehr erfahrener, ranghoher Polizeibeamter u.s.w., nicht Partei-Politprominez - die soll von Berlin nach Babelsberg umziehen und ihre Statisten mitnehmen.

Hubert Bauer / 25.11.2018

Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte der Freistaat Bayern eine Haushaltssperre verhängt. Wenn z. B. ein Drucker kaputt gegangen ist, musste man seinen Drucker auf das Nachbarzimmer umstellen und dort ausdrucken. Die verlorene Arbeitszeit (Weg und Störung der Kollegen) hat die Anschaffungskosten für einen neuen Drucker sicher um ein Vielfaches überstiegen. Aber es musste gespart werden - koste es was es wolle.

Roger Feldkamp / 25.11.2018

Widerspruch! Skandalös waren, sind und bleiben die der demokratischen Verantwortlichkeit individueller Entscheidungsträger Hohn sprechenden, mittlerweile immer zahlloser und exorbitanter ins Kraut schießenden ministeriellen Anheuerungen angeblich hochqualifizierter Beratungs-Gesellschaften. Das Gleiche gilt für die gleichermaßen ins Kraut schießenden und noch mehr bar jedweder Verantwortlichkeit folgenschweres Unheil anrichtenden „Experten“-Kommissionen, wobei denn auch schamloserweise plakativ ideologisch besetzte und sehr speziell auserkorene Ethik-Kommissionen sich mit vorrangig politischen, weltanschaulichen und nicht zuletzt sogar hochphysikalischen Fragen wie etwa im Falle der Energiewende zu befassen haben. Hinzu kommen die auch schon Legionen von „Beauftragten“ für dies und das und noch etwas. Die politischen Akteure bzw. Hasardeure oder Schaumschläger scheuen mittlerweile durchweg die eigenständige Verantwortlichkeit wie der Teufel das Weihwasser und flüchten in den Schoß der zweckdienlich und bequemlichkeitshalber ins Amt gehievten Berater, Gremien und speziell für jeglichen Krimskrams aus der Taufe gehobenen “Beauftragten”, die allesamt dem Publikum eine vermeintliche Alternativlosigkeit der dergestalt ins politische Jenseits verlagerten Entscheidungen vorzugaukeln haben. Mit explizit demokratischen Spielregeln und klar definierten Verantwortungsstrukturen über Ministerien und deren eigentlich per se hochqualifiziert auszuwählendem Expertenstab hat das nur noch sehr wenig zu tun. Die EU mit ihren scheindemokratisch zwingenden Vorgaben mittels hanebüchener Richtlinien für nahezu sämtliche Lebensbereiche bildet nur mehr den unrühmlichen Gipfel einer allerorten, in Bund, Ländern und Gemeinden wie in EUropa und weltweit – der Migrationspakt lässt unrühmlich grüßen –  derweil vollkommen verrotteten Struktur der politischen Entscheidungsfindung. Niemand ist mehr für nichts oder irgendetwas verantwortlich, geschweige denn verantwortlich zu machen.

beat schaller / 25.11.2018

“Geradezu anachronistisch mutet es an, wenn eine oder einer noch immer irgendein Ministerium „bekommt“, weil sie oder er nun einmal „an der Reihe“ sind, sich lange genug in der CDU, der SPD, der FDP oder bei den Grünen hochgesessen haben.”............ Damit bringen Sie , sehr geehrter Her Rietzschel, schon wirklich alles auf den Punkt. Wenn der Finger so tief in die Wunde gebracht wird, dann müsste der ganze Bundestag inkl. aller Spitzenbeamten längst schreien. Aber, es herrscht weiterhin Ruhe, weil man offensichtlich sehr bequem sitzt. b.schaller

Thomas Weidner / 25.11.2018

Widerspruch: Wer Consulting-Unternehmen kennt, weiß nur zu genau, dass hier nach dem Motto verkauft (!!!!) wird - je teurer die Beratung, desto besser die Ratschläge. Beweis? 1. Bundeswehr - ohne weiteren Kommentar. 2. Ein Dax-Untenehmen, welches ich sehr gut kenne. Die falschen Ratschläge des sehr renomierten Consulting-Unternehmens verursachten einen nachhaltigen Schaden: Durch Umsatzeinbrüche und zeit- bzw. kostenintensive Reparatur der von naiv-inkompetenter Kenntnis der Materie geprägter, anempfohlener Umorganisation. Im Unternehmen vorhandene Kompetenz wurde kaltgestellt und die Umstrukturierung komplett durchgezogen. Erst nach Verlusten von 3-stelligen Millionenbeträgen, verbunden mit keinerlei realistischer Aussicht auf ein Ende dieser Talfahrt, wurde die Notbremse gezogen - und mit viel Aufwand die alte Struktur mit wenigen, geringen Optimierungen wieder hergestellt. Allerdings blieben die Spitzenkräfte, welche freigestellt bzw. davon bedroht sich auf dem freien Arbeitsmarkt umsahen und von Konkurrenzunternehmen mit Kusshand übernommen wurden, verloren. Bei Beamten kann das ja weniger passieren - aber Frühpensionäre mit besten Referenzen sind in der Wirtschaft doch gern gesehen… Und ergänzend: Die CDU hatte bestimmt externe Berater, welche den Merkelschen Linksruck als genialen Schachzug anpriesen. Genial ja - kurzfristig. Langfristig eine Partei hinterlassend, welche um ihr Überleben kämpfen muss.

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