Volker Seitz / 19.02.2019 / 13:00 / Foto: Deutsche Welle / 77 / Seite ausdrucken

Günter Nooke: Ein neuer Fall Maaßen?

Seit Wochen werden von Medien und Afrikaexperten Rassismusvorwürfe gegen den Persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin und Afrikabeauftragten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Günter Nooke, erhoben. 

Es wird ihm vorgeworfen, dass er in einem Interview mit der Berliner Zeitung B.Z. am 7.10.2018: "koloniale Stereotype" bediene und "rassistischen Positionen" entgegen komme. Am 13. Februar 2019 kam es zur Aussprache zwischen Nooke und 13 Wissenschaftlern aus sechs Universitäten. 

Gunnar Schupelius schreibt in seiner Kolumne in der B.Z.: Rassismus-Prüfer verhören den Afrika-Beauftragten Günter Nooke: "Doch aus dem Gespräch wird schnell ein Tribunal" :

Nooke erinnerte [in dem genannten Interview] an die Verbrechen der Kolonialzeit, sagte aber auch, diese Zeit habe dazu beigetragen, den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen. Dazu Prof. Jürgen Zimmerer (Hamburg): Sie bedienen rassistische Stereotype!... Zweitens sagte Nooke dort über Afrika: Die Gesellschaften dort funktionieren anders. Prof. Angelika Mietzner (Köln) ganz empört: Ich finde es schwierig, von "anders" zu sprechen... Drittens: Der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als die Kolonialzeit (Zitat von Mo Ibrahim): Das findet Prof. Raja Kramer (Hamburg): "unhaltbar, erschreckend". Viertens: Im Niger bekommen die Frauen im Schnitt 7,3 Kinder sagte Nooke in dem Interview. Dazu Sara Zavaree (Köln): Sie werden in rechtspopulistischen Kreisen gefeiert. Fünftens: Sein Vorschlag, Wirtschaftssonderzonen nach der Idee des Nobelpreisträgers Paul Romer einzurichten (Siehe auch achgut.com hier), wird von Tahir Della (Initiative schwarze Menschen in Deutschland e.V.) als neuer Kolonialismus bezeichnet.

Die Aussagen der Afrikaexperten sprechen für sich. Bezeichnend ist auch die Reaktion, als Nooke fragt, welche Vorschläge sie denn für die Zukunft Afrikas zu machen hätten. 

Prof. Axel Fleisch (Frankfurt/Main): „Wir sind keine Entwicklungsökonomen.“ Und Prof. Anne Storch (Köln) „Wir reden über Ethik, wollen mehr Gastfreundschaft zulassen.“ 

Alles, was ich von Günter Nooke gelesen und persönlich bei gemeinsamen Auftritten gehört habe, unterschied sich doch sehr wohltuend von den üblichen Sprüchen des BMZ-Ministers Müller und vieler, die in diesem üblichen „Afrika-Strom“ mitschwimmen. Er ist Realist und scheut sich auch nicht vor Klartext. Seine ehrlichen Analysen von Missständen sind die Grundlage für die notwendigen Reparaturarbeiten in der Entwicklungshilfe.

Nirgendwo auf der Welt wächst die Bevölkerung so schnell wie im Niger. Die Einwohnerzahl hat sich seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 versechsfacht. Jährlich wächst die Bevölkerung um 3,9 Prozent, weltweiter Rekord. Dies führt unvermeidlich zu Armut und Hunger (vgl. ACHSE 31.3.2016). Das darf man aber nicht sagen, weil dies 13 Ethik-Experten missfällt?

Günter Nooke ist mit Sicherheit kein Rassist. Da mag die eine oder andere Formulierung auch mal etwas holzschnittartig ausgefallen sein, aber insgesamt ist seine Stimme wichtig.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Leserpost

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h.milde / 19.02.2019

Bald wird Frau Merkel, geb. Kasner, iS der Völkerfreundschaft/Komintern 2.0 Herrn Nooke ihr Vertrauen aussprechen.

Marc Blenk / 19.02.2019

Lieber Herr Seitz, Herr Nooke ist einer der Unbequemen aus der Wendezeit. Heute haben wieder Apparatschicks das Sagen. Wir sollten genau hinschauen, welche Leute sich an den neuen Säuberungsaktionen beteiligen. Für später. Jetzt gilt es, Herrn Nooke zu verteidigen.

Detlef Dechant / 19.02.2019

Warum sachlich argumentieren, wenn man auch persönlich verunglimpfen kann.

Thomas Schade / 19.02.2019

Ein Staat mit einer Fläche von 357.386 km² hat einen Beauftragten für einen Kontinent mit einer Fläche von 30.370.000 km². Was immer Herr Nooke zu Afrika und seine Kritiker über ihn sagen, verläuft sich.

B.Kröger / 19.02.2019

Herr Nooke kommt doch aus der ehemaligen DDR, da sind ihm die Methoden der Denunziation doch vertraut. Es tut mir sehr leid, dass er jetzt schon wieder in ein System geraten ist, dass der alten DDR immer ähnlicher wird.

Th. Radl / 19.02.2019

“Sein Vorschlag, Wirtschaftssonderzonen nach der Idee des Nobelpreisträgers Paul Romer einzurichten, wird von Tahir Della (Initiative schwarze Menschen in Deutschland e.V.) als neuer Kolonialismus bezeichnet.” Echt jetzt? Es gibt einen Nobelpreis für Kolonialismus? Oder müsste man vielleicht für Tahir Della den Vorschlag in Einfacher Sprache formulieren? Soll man sich über so etwas eigentlich noch aufregen? Das ist das Schlimmste daran, nicht die Dummheit von Menschen, die ernsthaft einen Professorentitel führen, sondern dass man sich sogar aufregen muss, weil die in aller Niedertracht Menschen an die Karriere gehen! Man kann gar nicht so viel essen…

Enrique Mechau / 19.02.2019

Es war schon immer kommunistische und fschistische Praxis Andersmeinende zu diffamieren und wenn möglich in einem Schauprozess abzuurteilen und in’s Gulag zu schicken. Heute übernimmt das die Journaille auf Anweisung von oben. Jüngstes Beispiel: Der aus dem Amt entfernte Verfassungsschutzpräsident!

Nico Schmidt / 19.02.2019

Sehr geehrter Herr Seitz, sagen Sie Herrn Nooke bitte einen schönen Gruß von mir. Er hat Recht und die 13 Wissenschaftler sind hysterisch. Die Damen und Herren wissen zwar, dass sie nicht helfen können, aber meckern über die Population und Zahlen. Warum haben in Deutschland alle Wissenschaftler und Journalisten in den letzten Jahren soviele Schwierigkeiten Zahlen auszusprechen? MfG Nico Schmidt

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