Julian Marius Plutz, Gastautor / 19.02.2021 / 06:15 / Foto: Imago / 225 / Seite ausdrucken

Für „den Waltz“ sind Querdenker Vollidioten

Vor vielleicht 10 oder 12 Jahren war ich ein Abonnent des sogenannten Männermagazins „GQ“. Jetzt lachen Sie nicht! Ich war jung, dynamisch und wahnsinnig von mir und meinem Style überzeugt. Und außerdem gab es zum Vertrag eine hübsche Tasche dazu. Beigefarben. Eine Zeit lang las ich die Zeitschrift recht gerne und wäre sie zwei oder drei Zacken politischer, beziehungsweise überhaupt politisch ambitioniert gewesen, wäre ich vielleicht dabeigeblieben. Aber die Beliebigkeit und Gefälligkeit, gerade was Interviews von Prominenten betrifft, war nach kurzer Zeit kaum auszuhalten. Und so verlor ich noch vor Ende des Abos die Lust, und das Herrenheft ging den logischen Weg vom Wohnzimmertisch ins Klo und in die Papiertonne. 

An der beliebigen Gefälligkeit, oder besser, gefälligen Beliebigkeit hat sich offenkundig nichts geändert. Und so gab Christoph Waltz dem Blatt die Ehre und gewährte den Journalisten Einblick in die Hirn- und Seelenwindungen des Schauspielers. Sie wissen schon: Der Waltz. Der beste Import aus Österreich seit Almdudler, Sigmund Freud, der Griesnockerlsupp’n und der Band Wanda. Der Waltz. Oscarpreisträger und Dauer-James-Bond-Bösewicht. Einer, der sich seiner Bedeutung und Kunst gewiss ist. Und einer, der auch politisch sein kann, wenn man ihn nur fragt. Und doch irgendwie einer von uns geblieben ist. Der Waltz eben. 

Privilegiert und von oben herab

Nachdem das Gespräch mit knallharten Fragen aus dem Leben begonnen hatte, wie „Christoph Walz denkt manchmal, dass er etwas nicht kann?“ ging es sehr schnell philosophisch weiter: „Ist das große Können zu wissen, was man nicht kann?“ Waltz, stets Gentleman und Herr des hohen Wortes, nahm die Einladungen gerne an und gab dem Blatt das, was es haben wollte: Banalitäten von Christoph Waltz, bis der Doktor kommt. So weit, so erwartbar. Doch als das Interview in Richtung Corona geht, zeigt der Schauspieler, wie es so in ihm denkt, wo wir wieder bei Freud wären. Und wie es in ihm denkt, ist irgendwie auch erwartbar, aber anders. Und es zeigt, wie ein Medium wie GQ arbeitet. 

Auf die Frage, wie er die aktuelle Entwicklung sieht, antwortete er zunächst unklar und in Metaphern. „Lemminge“, die „auf die Klippe zu rennen und das für eine Heldentat halten“, von denen er hoffe, dass Ihnen „irgendwann mal ein Licht aufgeht“. Als der Journalist nachfragte, ob er damit die „Corona-Leugner“ meinte, freilich ohne den Begriff zu definieren, antwortete der Waltz: „Diese Leute, die sich Querdenker nennen, denken entlang des Brettes, das sie vorm Kopf haben.“ Und weiter: „Wenn du das Tragen einer Maske als Beschränken deiner Grundrechte empfindest, dann hast du schon mal im Denkvorgang ein Problem. (…) Das ist einfach nur deppert.“ 

Nun mache ich einem hochprivilegierten Menschen keinen Vorwurf, dass er hochprivilegiert ist. Und ich finde es schön, dass es noch Kulturtreibende gibt, die nicht von den Corona-Maßnahmen betroffen sind, was der Waltz im Interview auch zugibt. Jeder Mensch ohne diese staatliche Freiheitsberaubung, ohne absurde, unmenschliche Berufsverbote, ist mir lieb. Aber wenn man privilegiert, ahnungslos und nicht betroffen über Leute spricht, die das Recht auf Widerwort in Anspruch nehmen, und diese als „asoziale Vollidioten“ bezeichnet, dann muss ich die Frage zurückgeben: An welchem meterdicken Brett entlang denkt es im Waltz? Hält er so wenig von anderen Sichtweisen? Hat er so wenig Interesse an den Bedenken anderer? Falls der Schauspieler oder der eine oder andere Leser an die Studie denkt, Querdenker seien schuld an mehreren zehntausend Infektionen, sie verhalten sich also wie „asoziale Vollidioten“, empfehle ich diesen starken Artikel oder diese Einschätzung. Darum soll es hier nicht gehen. 

Schuster, bleib bei Deinen Leisten!

Am erstaunlichsten jedoch finde ich den journalistischen Rahmen. In einem harmlos anmutenden Lifestyle-Magazin wird ein tendenziöses, propagandistisches und vor allem unwidersprochenes Werk aufgebaut, dass es einem übel wird. Von „Querdenker“ zu „Corona-Leugner“ zu den „asozialen Vollidioten“. Und keine einzige Definition. Keine Begründung. Nichts. Eine Behauptung jagt die nächste. Bei Christopher Hitchens habe ich gelernt: „Was ohne Beweise behauptet wird, kann auch ohne Beweise verworfen werden.“ 

Ich habe mir angewöhnt, nur noch über Dinge zu schreiben und zu reden, von denen ich Ahnung habe. Dem Waltz empfehle ich das ebenso. Offenkundig finden im Umfeld des zweitbekanntesten Österreichers andere Meinungen zum Thema Covid und dem Umgang seitens der Politik nicht statt. Und ich würde den Waltz auch nicht als „asozialen Vollidioten“ bezeichnen. Das ist nicht mein Style. Aber die Frage nach der geistig moralischen Konstitution des 64-Jährigen muss erlaubt sein. Oder ist für ihn Charakter nur eine Frage des Schauspiels? Kritikern einer Maskenpflicht das Denkvermögen abzusprechen, spricht jedenfalls nicht für ihn. Sind die Entscheider in Schweden oder in einigen US-Bundesstaaten, die im Gegensatz zu den maskierten Staaten kaum Unterschiede zeigen, was Covid-Tote angeht, bekloppt? Weiß es Christoph Waltz, Schauspieler aus Wien, einfach besser als Anders Tegnell? 

Der Waltz sollte sich auf seine Kunst verlassen – da ist er gut und davon hat er Ahnung. Und die GQ sollte sich auf Fragen wie „Warum erfüllt Musik Sie so?“ konzentrieren, anstatt europäischen Prominenten die völlige Sensation zu entlocken, sie halten Trump für „irrsinnig.“ Oder sie besinnt sich auf echten Journalismus statt gefälliger Beliebigkeit. Oder beliebiger Gefälligkeit. Vielleicht kommt das Magazin dann aus seiner Krise heraus.

Dieser Beitrag erscheint auch bei Neomarius.

Foto: Imago

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Leserpost

netiquette:

g.schilling / 19.02.2021

Was sog. Künstler zu politischen Themen äußern ist sehr mit Vorbehalt zu betrachten. Wenn man sieht, wie die in manchen Interviews herumstammeln, weil sie vorher keinen Text zu lernen hatten, kann einem schlecht werden. Und ihre politischen Aussagen sollen a) “Haltung” zeigen und sind b) auswendig gelernt im Sinne von PC. Was juckts die Eiche, wenn sich die S…

Brigitte Miller / 19.02.2021

@ckhart Diestel, Arzt / Lese im Cicero heute unter dem Titel „Die Aufschneider“ Gegenteiliges. “Im letzten Frühjahr überraschte der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel mit einer Studie zu den damaligen Corona-Toten. Demnach hätten nahezu alle Verstorbenen gravierende Vorerkrankungen gehabt. Püschels Nachfolger hat die Studie weitergeführt und den damaligen Verdacht erhärtet: Man stirbt nicht einfach so an Covid-19. Und “Püschels Untersuchungen aus dem Frühjahr wurden damit noch einmal bestätigt. Und auch bei den Vorerkrankungen lag der einstige Institutsleiter richtig: 88 Prozent der mittlerweile Obduzierten hätten laut Ondruschka mindestens drei Vorerkrankungen aufgewiesen. Besonders häufig war dabei Bluthochdruck, krankhaftes Übergewicht, Niereninsuffizienz, Diabetes, Krebs oder eine chronische Lungenerkrankung zu finden. Und auch das Alter spielte als Risikofaktor eine entscheidende Rolle: Drei Viertel aller Verstorbenen war älter als 76 Jahre. Lediglich sieben Obduzierte waren jünger als 50 Jahre, und von diesen wiederum gab es niemanden, der nicht auch eine erhebliche Vorerkrankung aufgewiesen hätte. “

Frances Johnson / 19.02.2021

@ Jürgen Krebs: Bogey war auch ein Zwerg. Sie sollen ihm Blöcke untergelegt haben. Aber ich sehe da durchaus mentale und qualitative Unterschiede. Ich finde, dass Bogey bessere Sachen gesagt hat, wenn er nüchtern war. Zum Beispiel einfach: Kid.

Michael Puhlmann / 19.02.2021

Ein Darsteller, der in seinem langen Leben weder einen Sinn für Ethik noch für Ästhetik besitzt, keine freiheitliche Sozial- und keine individuelle Sprachkompetenz entwickelt hat, kann einen Bösewicht nur deshalb authentisch mimen, weil er in seinem tiefsten Inneren selbst einer ist und in kleinkarierten Schranken denkt und lebt.

Olaf Kränert / 19.02.2021

Oscarpreisträger oder nicht, der Mann tut mir leid. Soll er auf ewig eine Maske tragen, spätestens, wenn er deshalb nicht mehr engagiert wird, wird er sie abnehmen und das Gegenteil behaupten.

Ilona Grimm / 19.02.2021

@Uta Buhr zu Ralph Schwachmeier-Herford: Bin ganz und gar Ihrer Meinung. Diesen Proll ertrage ich als Schauspieler überhaupt nicht; privat habe ich nie irgendwo erlebt oder gehört. Aber ich denke auch, dass es sich selber spielt.

Lisa Deetz / 19.02.2021

@Andreas Rochow: ich kann mich noch sehr gut an das MDR-Riverboot mit Uwe Steimle erinnern, es war eine Live-Sendung, ich glaube sogar, die letzte. Danach nur noch Aufzeichnungen um zu verhindern, dass nochmals einer wider den Stachel löckt. Herforth ist einfach nur widerlich! Ich glaube, seine eingeborenen Nachbarn in der Nähe von Neuruppin, wo er sich am See ein hübsches Plätzchen gekauft hat, mögen ihn nicht so sehr. In der besagten Sendung keifte auch Andrea Sawatzki gegen Steimle. Ich schaue nichts mehr an, wo diese beiden Gutmenschen mitwirken. Bäh!!

Ralf Pöhling / 19.02.2021

Das ist eine Einzelmeinung, die man durchaus haben kann und die aus einer bestimmten Perspektive durchaus Sinn ergibt. Aus einer anderen Perspektive ergibt sie aber keinen Sinn. Unterschiedliche Meinungen basieren auf unterschiedlichen Blickwinkeln zum selben Problem. Wer von etwas selbst kaum betroffen ist, der hat eine andere Meinung zu einer Sache, als jemand, der von der gleichen Sache deutlich mehr betroffen ist. Die Toleranz schwindet mit der Nähe zum Problem. Die Erfolgreichen im Showbiz haben üblicherweise keine Nähe zu den Problemen dieser Welt. Und nein, Corona ist eigentlich nicht das Problem. Nicht mehr. Das Problem ist die stetig steigende Zahl an Kollateralschaden aufgrund der Gegenmaßnahmen gegen Corona. Die Verhältnismäßigkeit zwischen Problem und Problemlösung schwindet tagtäglich mehr und mehr dahin. Und das äußert sich in gesellschaftlichem Widerstand. Revolutionen beginnen immer von unten. Also bei denen, die am nächsten an dem Problem dran sind.

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