Ich denke, die Deutschen können Demokratie gar nicht. Die Deutschen haben sich Demokratie noch nie selber erkämpft. Das bisschen Demokratie, man kann es wohl eher als Scheindemokratie bezeichnen, dass wir in Deutschland seit 1949 hatten und was jetzt zu Ende geht, das wurde den Deutschen von dem Alliierten übergestülpt. Was man sich nicht selber erkämpft hat, das ist auch nichts wert. Das ist wahrscheinlich auch ein wichtiger Grund, weshalb wir Deutschen es einfach und völlig widerstandslos so geschehen lassen, was derzeit politisch in Deutschland passiert. In einem Teil Deutschlands, der DDR konnte man die Bürger über 40 Jahre einsperren. Und dann ist die DDR ja auch nicht zusammengebrochen durch den Freiheitswillen der DDR-Bürger, was stets als schönes Märchen erzählt wird, sondern weil die DDR-Herrscher durch den Zerfall der Sowjetunion von dort keine Unterstützung bekamen.
Nachtrag : Nichts gegen eine Innenbetrachtung, aber die Beschreibungen “des Deutschen” mancher prominenter Herren von Aussen duerften der deutschen Realitaet etwas naeher kommen. So soll er das ideale Objekt von Lug und Trug von “oben” sein, weil er seinem Regime immer glaubt, ebenso wie er dazu neigt, entweder an die Gurgel zu gehen oder den Stiefel zu lecken. Und der Spruch mit der Bahnsteigkarte und der Revolution ist nicht ganz falsch. Heute schafft er, der Botmaessige, der Untertan und Biedermann, nicht einmal die Wahl der Oppositionspartei. Uebrigens waere ich mit Berufungen auf Muenkler und Co grundsaetzlich sehr zurückhaltend.
Vielen Dank für diese Darstellung. Wir sollten Deutschland sicher nicht mit dem Untertanen von Heinrich Mann identifizieren. Ich selbst kenne auch niemanden dieser Art. – Was mich aber bedrückt, ist die Gleichgültigkeit meiner Freunde und Bekannten gegenüber der Zerstörung der demokratischen Institutionen, dieses Sich-Nicht-Kümmern. Es ist kein Untertanengeist, sondern das Gefühl der eigenen Machtlosigkeit und die Bequemlichkeit des “Ohne-Michels”. Die politisch Aktiven zeichnet wiederum eine romantische Weltfremdheit aus, deren Ideale ins Absolutistische und damit Diktatorische umschlägt. Dies ist kein Untertanengeist, sondern der Geist überheblicher Diktatorenherrlichkeit. Mit beidem, dem Ohne-Michel und dem realitätsfremden Idealisten-Diktator, ist keine freiheitliche Demokratie zu machen.
Zunaechst hilft es aktuell sehr wenig, aus bestimmten Episoden der deutschen “Gechichte” vermeintlich oder tatsaechlich Positives fuer den deutschen Charakter herauskristallisieren zu wollen. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass “der Deutsche” eigentlich so ganz anders sei, ändert es nichts daran, dass er ganz offensichtlich keinen Widerstand gegen die Transformation in die “schoene neue Welt” oder genauer die Abschaffung allen Deutschen leistet. Dabei geht es weniger um die religiöse Frage, ob er von Grund auf böse ist, was natuerlich unwissenschaftlicher oder besser ideologischer Nonsens ist, der taktisch verwendet wird, sondern wie er es mit den entscheidenden Voraussetzungen einer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie, mit der Politik, der Aufklärung, seiner Nation und seiner Kultur haelt. Vertritt er irgendetwas davon oder verteidigt er es sogar, erst Recht gegen ein ihm feindliches Regime oder unterwirft er sich den jeweiligen, vor allem linken, Machthabern? Erkennt er ueberhaupt die Gefahr oder macht er sich bis zum bittersten Ende etwas vor? Ist er ein romantisierender, idealisierender Narr, der verzweifelt von allen geliebt werden moechte, ein sich permanent in Mythen, Träume und Illusionen Fluechtender, oder ist er ein einer, der “die Welt”, die Menschen (sich selbst inkl.), seine Nachbarn, die Natur etc zumindest einigermaßen rational und real wahrnimmt? Kann er sich vorstellen, dass es Regimes gibt, die tatsaechlich nicht zu seinem Wohl handeln, ganz im Gegenteil? Ist er psychokognitiv in der Lage, politische Konsequenzen aus dem Handeln des Regimes zu ziehen und wenn ja, welche? Dass er, der Deutsche, nach 1945 ueberaus erfolgreich konditioniert wurde, nie Teil eines echten Demos in einer souveränen, deutschen Nation sein sollte, exkulpiert ihn nur partiell. Dass der qua Konsumismus gerneimportierte kulturelle ” Einfluss” der USA, vor allem aus den Brutstaetten der US - Universitäten, durchaus Einfluss hatte und noch hat, entlastet nur bedingt.
Die Deutschen sind definitiv nicht das bösartigste Volk der Welt, ganz im Gegenteil. Aus ihrer teils nicht nachzuvollziehenden Gutmütigkeit entspringt aber auch die schlimme politische Naivität, die Figuren ins Kanzleramt katapultiert , die dem Land unermeßlichen Schaden zufügen, egal ob 1935 oder 2015. Und demjenigen, der ob des Jahresvergleichs ins Hyperventilieren verfällt , sei geflüstert daß das Überleben des schwerstgeschundenen deutschen Volkes nach 1945 unzweifelhaft war , worauf ich heute keine Wetten mehr abschließen würde, zumal es ja von der herrschenden “Deutschland verrecke”-Combo auch politisch gar nicht gewünscht ist.
Vorsicht: mit diesem Artikel wird die Autorin vom Verfassungsschutz und seiner Vorgesetzten eindeutig als “Reichsbürgerin” identifiziert.
Gewiss, Deutschland bzw. zuvor der Norddeutsche Bund hatte neben Belgien das damals umfassenste Wahlrecht - auf nationaler Ebene. Dennoch sollte der Negativmythos nicht durch einen neuen Positivmythos ersetzt werden. Nur ein paar Punkte: Preußen hatte eben stets das Dreiklassenwahlrecht, war also eher oligarchisch statt demokratisch (einige andere Bundesstaaten waren da durchaus weiter). Das Verbot des Sklavenhandels ist nicht Bismarcks Erfindung - er wurde bereits auf dem Wiener Kongress initiiert. Das Eisenbahnnetz war bereits zur Zeit der Deutschen Bundes ziemlich engmaschig; auch gab es ja bereits eine Zollunion zwischen den meisten Bundesstaaten. M.E. gibt es keinen Grund anzunehmen, dass ein reformierter Deustscher Bund nicht ebenfalls prosperiert hätte. Im Übrigen nicht vergessen: Preußen hat 1866 einen völkerrechtswidrigen Krieg nicht nur gegen Österreich, sondern gegen die Mehrheit der weiteren deutschen Staaten geführt. Und Bismarck hat mit der Annexionspolitik (Königreich Hannover, Hessen-Kassel, Nassau, Freie Stadt Frankfurt usw.) selbst die Axt an dynastische Legitimität gelegt. Noch was zur Migrationspolitik ggü. den reformierten Hugenotten, da das je gern als Paradebeipiel für Toleranz angesehen wird. Der preußische König war selbst nicht lutherisch (wie überwiegend seine Untertanen), sondern reformiert. Er hat also nichts anderes getan als seine Glaubensgenossen zu holen. Und dann wäre noch Bismarck Germanisierungswahn u.a. in Posen…
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