Esch is over, Jogi!

Trauten Sie auch Ihren Ohren kaum? Ich fiel fast von der Leiter, war ich doch gerade dabei, die Balken vom Balkon des elterlichen Wohnhauses zu streichen – überkopf, übellaunig und kurz vor Eintreten des Tennisarms. Aber der Schmerz verflog in Windeseile und die Stimmung hob sich rapide, als der Deutschlandfunk die frohe Botschaft verkündete. Jogi Löw geht nach der Europameisterschaft 2021. Wirklich? Endlich ist es so weit. Gut, drei oder sieben Jahre zu spät. Aber immerhin. Denn sein Vertrag läuft theoretisch noch weitere zwei Jahre. Den will er nun nicht mehr erfüllen, der Joachim. 

Der Schritt kam durchaus überraschend. Denn noch vor knapp 14 Tagen saß der Jogi ruhig und aufgeräumt in der „Sportschau“ und erklärte, er wolle seinen Vertrag erfüllen. Jovial wie eh und je stellte er in Aussicht, dass Thomas Müller wieder für das deutsche Team spielt. Das wird wohl auch so kommen, jedoch nicht unter der Regentschaft von Löw. Wer ihm nachfolgt, muss sich noch klären, ist auch im Moment nicht wichtig. Wichtig ist, dass er weg ist. Jeder Mensch ist ersetzbar. Auch Joachim Löw, obwohl er und erschreckend große Teile der Bevölkerung dies lange Zeit nicht wahrhaben wollten. 

Nun ist es üblich, dass sich Menschen in Machtpositionen für unverzichtbar halten. Das ist bei Merkel so, das war bei Kohl so. Und das ist bei Jogi Löw auch der Fall. Allein der Ausspruch, den viele Unterstützer bei Kritik an der Person sofort parat haben, spricht Bände: „Wer soll den Job denn sonst machen?“ Allein dieser Satz ist im Kern bereits totalitär. Es gibt in Deutschland so viele fähige Trainer, die mehr Erfolg und Erfahrung hatten als Joachim Löw, bevor er Bundestrainer wurde. Das ist also kein Argument. Gut, es muss nicht gerade Lothar Matthäus sein. Aber Ralf Rangnick oder Stefan Kuntz sind sicherlich fähige Teamchefs, denen ich den Job zutrauen würde. Es wird sich jemand finden, und wenn sich dieser als Fehlbesetzung herausstellt, dann macht es eben ein anderer. Und sind wir ehrlich: Es geht ja auch nicht um den Posten eines Chefarztes, an dem Leben hängen. 

Kaum Anstalten, den ewigen Jogi loszuwerden

Die Entscheidung ist durchaus wegweisend – auch über den Fußball hinaus. 2021 ist das Jahr der Veränderungen. Im September tritt Angela Merkel nicht mehr zur Wahl an. Jogi Löw geht im Sommer. Zwei unkaputtbare Ewig-Führer verlassen die Bühne der höchsten Entscheidungen. Sinnbildlich für die Konstitution der Deutschen bleibt dennoch der Fakt, dass sie so entsetzlich lange an der Macht waren. Und keiner wurde ihnen wirklich gefährlich. Als die Mannschaft bei der WM 2018 bereits in der Vorrunde scheiterte, gab es seitens der Funktionäre im DFB kaum Anstalten, den ewigen Jogi loszuwerden. Selbst als das Team 0:6 gegen Spanien verlor und eine desolate Leistung an den Tag legte, konnte sich der Noch-Bundestrainer behaupten. 

Auch Angela Merkel überlebte ihre desaströsen Entscheidungen. Nachdem sie in der Flüchtlingskrise an den Interessen „der schon länger hier Lebenden“ vorbei entschied und auch vorbei an den echten Feministinnen, den Schwulenbewegten, den Juden, allen, die sich zu Recht sorgten, verzieh ihr das Stimmvolk gnädig. Man strafte die Union zwar ab, aber Merkel war weiterhin in der Lage, im Amt zu bleiben. „Strategische Mehrheit“ nannte sie das. „Ich kann nicht erkennen, was ich hätte anders machen können“, nannte sie es auch. Eine Fehlerkultur, die die Kanzlerin bis heute, Stichwort „Alles rund um Corona“, beibehalten hat. 

Nun werden in den nächsten Monaten die Karten neu gemischt. In Frankfurt und in Berlin treten neue Personen an, die es hoffentlich besser machen. Merkel hätte nach einer durchaus nachvollziehbaren Hoffnung 2005–2009 nicht mehr wiedergewählt werden sollen. Aber der Wähler hat nun mal anders entschieden. Und im Gegensatz zu Angela möchte ich keine demokratische Wahl rückgängig machen. Auch diese Aussage, nachdem Kemmerich in Thüringen zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, zeugt von einem Demokratieverständnis, das möglicherweise in eine FDJ-Sitzung gehört, nicht jedoch ins Kanzleramt. 

Falsche Entscheidungen bis zum bitteren Ende

Und Löw? Hätte er die Größe eines Philipp Lahm, hätte er 2014 seine Karriere beim DFB beendet. Damit hätte er sich unsterblich und zu einer Legende gemacht. Nach diesen sieben Jahren Krampf wirkte er zuletzt wie einer, der nicht loslassen kann. Einer, dem es zu bequem im Chefsessel wurde, der sich so sehr an die Insignien der Macht gewöhnt hat. Der längst aufgehört hat zu hinterfragen. Der, der sich immer von den gleichen Leuten mit den gleichen Meinungen beraten und sich niemals mehr von der Gegenseite belehren lässt. Jemand, der lieber falsche Entscheidungen bis zum bitteren Ende vertritt, als den Kurs zu ändern. Weil solche Leute zu stolz sind, zu borniert, zu ignorant und viel zu abgehoben.

Und am Ende ist es vorbei und man sitzt im Loch, das man sich selbst gegraben hat. Man schaut nach oben und sieht nichts als vorbeiziehende Wolken. Die Scherbenhaufen sind kilometerhoch und jeder weiß, wie sehr sie gescheitert sind. Man hatte es ihnen gesagt, doch zugehört, das haben sie nicht. 

Esch is over, Jogi. Zeit zu gehen, Angela. Gott sei Dank und endlich. Vermissen werden wir euch nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz' Blog Neomarius.

Foto: Кирилл Венедиктов CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wolf von Fichtenberg / 11.03.2021

Gemeinsamkeiten sind erkennbar: Die Sympathiewerte ähneln sich wie die Frisur.  (Nicht die veröffentlichten Werte, sondern die in Gesprächen geäusserten; teilweise nur mit * und * schreibbar. Und die gerade gesehenen * sind keine Genderpentagramme.) - Doch: Warum erst im Sommer/Herbst? Warum nicht als freudige Osterüberraschung für uns alle zum 1. April? Und dann? Auswandern! Den Lebensabend genießen. Irgendwo, ganz, ganz weit weg.  Nee, noch weiter.—- HALT. Freude erzeugt komische Gedanken: Eine neue Sendung. Die TV-Show der Extraklasse. Beide haben ja bald Zeit: DSDS-2. “Deutschland sucht den Supersprayer”. In der Jury: Die beiden Frisurgleichen, dazu ein Mann der quasi im Fernsehstudio wohnt, (jener mit der Fliege) und als Chef (Spannung und Unterhaltung muss sein und die ist durch ihn garantiert): Gerald Grosz. Aussenreporter: Drosti Drostelbart… Die Einschaltqouten gehen durch die Decke…

Arnd Siewert / 11.03.2021

Wer glaubt, unsere Staatsratsvorsitzende würde ihren begonnenen Job nicht vollenden wollen, der wird sich wundern, wenn nach den Wahlen unsere Kapitäninin erklärt, daß sie doch im Sturm der Pandemie nicht das Schiff verlassen könne…... Deutschland hat fertig!

Heiko Stadler / 11.03.2021

@Bernd.Ackermann: Ja, die Angie als Trainöse der Buntschaft wäre durchaus denkbar. Die Voraussetzungen dafür hat sie jedenfalls: weiblich, keine Ahnung vom Fach und den Willen zu 50% Frauenquote in der Verlierertruppe.

Sepp Kneip / 11.03.2021

„Wer soll den Job denn sonst machen?“ Diesen unsäglichen Satz habe ich bis zum Erbrechen im Zusammenhang mit der Aktion >Merkel muss weg< gehört. Ja, sie hätte schon viel früher weg gemusst. Aber die milliardenschwere Globalisten-Mafia brauchte Merkel zur Durchführung all dieser Wahnsinnsaktionen wie Euro-“Rettung”, Energiewende, Massenimmigration, Klima- Hysterie und . Corona-“Pandemie”. Und das alles für die Zerstörung Deutschlands sowie für die Vorbereitung des Great Reset. Ja, Deutschland ist seit etlichen Jahren dem Untergang geweiht. Aber es hatte eine gute Fußball-Nationalmannschaft. Das passte nicht ins Bild. Auch internationale Titel waren nicht mehr gefragt. Das durfte nicht mehr sein. Also ging die Order an den DFB und Jgi, die Titeljagd einzustellen. Das fällt bei einer guten Mannschaft am Anfang schwer. Als das nicht so richtig klappen wollte, mussten zwei Leistungsträger der “Mannschaft” den Ball mit der Hand spielen. Order von oben. Aus wars mit dem EM-Titel 2016. Aber nach und nach hat Jogi die “Mannschaft” dahin geführt, wo Merkel sie hin haben wollte. Eindrücklichster Beweis war die 0 : 6 - Schlappe gegen Spanien. Nun gehen beide. Endlich!

B. Meyer / 11.03.2021

Der Jogi könnte nun seine Angela heiraten und dann könnten die beiden Hübschen ihren Lebensabend inne Karibik (oder Walachei ...... ) verbringen!

Bernhard Freiling / 11.03.2021

Löw und Merkel in einem Atemzug zu nennen geht m.E. gar nicht. ++ Die Mannschaften des Joachim Löw: Finalist EM 2008 - 3. der WM 2010 - Halbfinale EM 2012 - Weltmeister 2014 - Halbfinalist EM 2016 - Finalist Confed-Cup 2017.  Dann hatte er sich “abgenutzt”.  Das geschieht hin und wieder, wenn man denselben Job zu lange macht.  Troztdem spielte er 11 Jahre mit einer! Mannschaft in der absoluten Spitze mit. Er machte Müller, Khedira, Neuer und Badstuber und etliche Andere zu den Erfolgsspielern die sie waren oder noch sind. Eine Erfolgsgeschichte fast ohne Vorbild. Was Sie über Löw schreiben, grenzt an Verunglimpfung. ++ Und jetzt nennen Sie mir bitte vergleichbare Erfolge der das Land anführenden SED-Agitpropse. Ach was, ein einziger Großerfolg, zu Gunsten Deutschlands, wäre schon ausreichend! Merkel und Löw in einem Atemzug: Eine Beleidigung ohne Gleichen für Löw. ++ Verteidige ich Herrn Löw hier? Nein, eigentlich nicht. Ich mag ihn noch nicht mal sonderlich. Das hindert mich aber nicht daran, seine Erfolge anzuerkennen und diese nicht wegen der Mißerfolge der letzten 3 Jahre in den Schmutz zu treten. Genau so würde ich auch bei Merkel vorgehen. Die mag ich nämlich auch nicht. Aber da gibt es nichts, Null, Nada, Nothing, Rien, was ich als Positivum ihrer 16-jährigen Amtszeit erkennen könnte. Nur Katastrophe, Destruktion und Zersetzung. ++ Das ist es, was Löw von Merkel unterscheidet. Er hat für “die Mannschaft” gearbeitet. Er trug zum Ansehen des deutschen Fußballs bei. Für “welche Mannschaft” und auf welche Weise arbeitet Merkel? Zu welchem Ansehen Deutschlands hat Merkel beigetragen? ++ Vielleicht sollten Sie überlegen, Ihren Artikel mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück zu ziehen. ;-) Nee, keine gute Idee - dann wäre mein Kommentar ja auch überflüssig. ;-)

Gunter Baumgärtner / 11.03.2021

Löw hat 2014 den Titel geholt, und zwar mit dem besten Fussball, den je eine deutsche Mannschaft gespielt hat. Dafür gebührt ihm ewiger Dank. An jenem denkwürdigen Abend war meine Freude viel kleiner als ich erwartet hätte. Warum? Vielleicht ahnte ich, dass es ab jetzt nur noch bergab gehen kann. Aber was dann kam, hätte ich nie für möglich gehalten. Die Özil/Gündogan Geschichte hat mir die Nationalmannschaft für immer versaut, ja sie ekelt mich seitdem an, und ich versuche das ganze Thema komplett auszublenden. Gelingt nicht immer, weil es in den Medien eben immer wieder präsent ist. Bin eigentlich kein Zyniker, aber nach dem 0:6 gegen Spanien habe ich höhnisch gelacht. Traurig. Dass er nicht mal dafür gefeuert wurde, sagt alles, was man über den Zustand dieses Landes wissen muss. Löw und Merkel: Symbole und Wegbereiter des deutschen Unterganges.

Frank Holdergrün / 11.03.2021

Au, au, Jogi, viel Spaß beim Knabentanz, jetzt vermutlich wieder in der Türkei.

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