Es ist noch Suppe da!

Wäre Bert Brecht noch am Leben, würde er jetzt sein vieldeutiges Lächeln aufsetzen und sagen: „Der Moment ist gekommen, da die Regierung sich ein neues Volk wählen sollte!“ Dabei ist nicht viel passiert. In zwei Ländern der Bundesrepublik, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz, haben Wahlen stattgefunden. Etwa 15 Millionen Menschen leben in den beiden Provinzen im Südwesten, so viele wie in Lagos/Nigeria oder Shenzen/China.

Baden-Württemberg ist für seine Maultaschen, Rheinland-Pfalz für den Pfälzer Saumagen bekannt. Zu den Dingen, die man sich im Zusammenhang mit diesen beiden Ländern nicht vorstellen kann, gehören Palmen, Delphine und Hochdeutsch in Baden-Württemberg und Kakteen, Wasserfälle und Antilopen in Rheinland-Pfalz. Dafür gibt es regelmäßig Wahlen, alle fünf Jahre in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz ebenso, zuletzt, wie bereits angedeutet, am vergangenen Sonntag.

Dabei haben die Grünen in Baden-Württemberg mit 32,6% das beste Ergebnis ihrer Geschichte erreicht, derweil ihr Juniorpartner, die CDU, von 27% auf 24,1% abgerutscht ist; die SPD musste sich mit 11% zufriedengeben, einen halben Prozentpunkt mehr als die aus dem Koma erwachte FDP. In Rheinland-Pfalz hatten die Sozialdemokraten mit 35,7% die Nase deutlich vorn, die CDU büßte 4,1% ein und verbuchte 27,7% auf ihrem Konto, während die Grünen mit 9,3% einstellig blieben und die FDP es mit 5,5% gerade knapp in den Landtag schaffte. 

Kein Erdrutsch, kein Seebeben, kein Harakiri

Es kam wie erwartet. In BW wird die grün-schwarze Koalition fortgesetzt, in RP die sogenannte „Ampel“ aus SPD, FDP und den Grünen. Kein Erdrutsch, kein Seebeben, kein Harakiri, allerdings eine Niederlage mit Folgen, vor allem für die Kanzlerin. Jetzt müsste der neue Vorsitzende der Union, Armin Laschet, „dafür sorgen, dass Merkel geht“, schrieb der Chefredakteur der Welt, Ulf Poschardt, Merkel habe lange genug dem „Niedergang der Union ungerührt“ zugeschaut.

Allmählich werde es „einsam um Angela Merkel“, meinte die Neue Zürcher Zeitung; die Märkische Oderzeitung orakelte, die CDU müsste „höllisch aufpassen, dass sie nicht die nächste und damit letzte Partei wird, die als Volkspartei ausgedient hat.“ 

Wäre ich Angela Merkel, würde ich langsam damit anfangen, mir Sorgen um meine politische Zukunft zu machen, also die verbleibenden sechs Monate bis zu der Bundestagswahl im September. Allerdings halte ich die Forderung, sie sollte zurücktreten oder zum Rücktritt gezwungen werden, für wenig hilfreich. Es ist, als würde der Kapitän der Titanic nach der Havarie mit dem Eisberg sein Kapitänspatent zurückgeben. 

Der Vergleich mag ein wenig übertrieben scheinen, weil die „MS Deutschland“ ja noch nicht havariert ist. Da mag Glück im Spiel gewesen sein, die Vorsehung oder einfach die Tatsache, dass die Bundesrepublik Vorräte angesammelt hat, die noch nicht verbraucht sind. Es ist noch Suppe da! 

Was soll der ganze Föderalismus?

Aber spätestens, wenn die Energiewende vollendet ist, wenn das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet und das Land mit Windrädern vollgemüllt wurde, wenn die Verkehrswende dem staatlich subventionierten E-Auto zum Durchbruch verholfen und jede Frau und jeder Mann Anspruch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hat, das von denjenigen erarbeitet wird, die einen Arbeitsplatz als Belohnung für Klappe halten und Strammstehen erhalten haben, spätestens dann wird ein Kind oder ein Narr aus der Reihe treten und fragen: „Warum ist denn niemand Mutti in den Arm gefallen, bevor es zu spät war?“ 

Man könnte die Frage auch anders stellen. Was soll der ganze Föderalismus, mit 16 Landesparlamenten, 16 Landesregierungen, 16 Ministerpräsidenten, mit dem Bundestag, dem Bundesrat, den Ausschüssen, Ethikräten, Beauftragten und Koordinatoren, wenn es am Ende auf eine One-Woman-Show hinausläuft? 

In jeder Tragödie steckt ein komischer Kern. Dass zwei an sich unbedeutende Landtagswahlen ein Gebäude ins Wanken bringen, das jedes Beben heil überstanden hat, könnte man als Beleg dafür nehmen, dass Gott doch einen Sinn für Humor hat. Er hat es auch zugelassen, dass eine ehemalige FDJ-Sekretärin zur Bundeskanzlerin aufsteigen konnte. Sie sei mit sich „sehr im Reinen“, antwortete Merkel in einem FAZ-Interview auf die Frage, ob sie ihren Entschluss, 2017 noch einmal anzutreten, jemals bereut habe. Vier Legislaturperioden Bundeskanzlerin zu sein, sei „eine gute Zeitspanne“, sie werde „frohgemut die Verantwortung in andere Hände geben“.

Wer immer das sein wird, er oder sie wird schnell begreifen, dass ein Albtraum mit dem Erwachen nicht beendet ist.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: Deutsche Fotothek‎ CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Ralf Ehrhardt / 20.03.2021

Sehr richtig Herr Broder:  >>>Wer immer (BundeskanzlerIn) das sein wird, er oder sie wird schnell begreifen, dass ein Albtraum mit dem Erwachen nicht beendet ist.<<<  Und ob die, die unter Merkel ihren Arbeitsplatz als “Belohnung für Klappe halten und Strammstehen” erhalten haben, ...aber jetzt das bedingungslose Grundeinkommen für die alle anderen erarbeiten müssen, ...ob diese Arbeiter das auf Dauer mit Begeisterung weiterhin machen werden, ist doch äußerst fraglich.  Warum weiterhin arbeiten, wenn doch die “soziale Hängematte” in Form von Grundeinkommen etc. fast das gleiche Einkommen verspricht !?  Aber wir haben ja noch die “EZB mit der Geld-Druck-Maschine” und das Instrument der “Über-den-Kopf-hinaus-Verschuldung”.  Nur ewig geht das auch nicht gut !!!

Sabine Schönfelder / 20.03.2021

Kassel war großartig! Schönstes Wetter, die Straßen voller friedlicher maskenloser Menschen, die unsere Freiheit zurückforderten! Habe persönlich nur freundliche Polizisten angetroffen, die während meiner Anwesenheit in meiner Umgebung die Demonstration eskortierend beobachteten und ein bißchen mit tatütata die Polizeiautos von einer Ecke in eine andere fuhren. Tatsächlich war eine Demo mit 20 000 Teilnehmern angemeldet. Die Stadt verbot diese Demo kurzfristig. Per Eilantrag hob das Verwaltungsgericht das Verbot auf. Einige Minuten vor der Veranstaltung begrenze der VGH die Teilnahme auf 5000 Menschen, obwohl mindestens 20000 bereits vor Ort waren. Diese begannen ihren gut- gelaunten und gesitteten Marsch durch die Stadt. Habe persönlich keinen Wasserwerfereinsatz erlebt. Wer zu restriktiven und fiktiven Pandemiezeiten menschliche, maskenlose Nähe sucht, Reste unserer jahrhundertealten Normalität, der findet sie nur noch auf einer DEMO. Leute kommt ALLE zur nächsten Demonstration GEGEN ORGANISIERTEN WAHNSINN. Das macht euch garantiert glücklich! Es gab eine Hand voll Antifanten im piepsigen Kleinmädchenformat: Nazis raus, hahaha. Einige Demonstranten, die teilweise letzte Woche in München bei einer Demo verhaftet wurden erkannten ihre bayrischen Peiniger diese Woche wieder hier in Kassel im schwarzem Antifanten-Outfit EMPÖRT wieder. Siehe Reitschuster.  Sollte es wieder so weit sein, daß der Staat Schlägertrupps „zum Aufmischen“ losschickt???

Ralf Pöhling / 20.03.2021

Richtig, was soll der ganze Föderalismus, wenn sich keiner daran hält und einfach von oben nach unten durchregiert wird? Der Corona Lockdown hat in diesem Zusammenhang doch etwas offenbart, was vorher niemand auf dem Schirm hatte: Das von oben nach unten Durchregieren weniger Akteure in einem großen Ganzen hat seine Grenzen. Nämlich dort, wo die lokale und damit vielfach parallelisierbare Problemlösung der zentralen Anordnung aus der Ferne haushoch überlegen ist. Im Moment ist dem Großteil der Bevölkerung dieses Phänomen noch nicht gewahr, weil er an die zentrale Steuerung gewöhnt ist und damit daran, dass jemand anderes die Befehle gibt. Jetzt lassen die Befehle mittlerweile immer öfter auf sich warten oder es mangelt ihnen sogar an Sinn, weil die Zentrale nicht nur einfach zu weit von den individuellen Problemen vor Ort entfernt ist, sondern weil die individuell nötigen Problemlösungen eines extrem komplexen gesellschaftlichen Gesamtbiotops den Überblick der Zentrale über das große System schlicht überfordert. Kann eine aus nur sehr wenigen Menschen bestehende Regierung, oder genauer: eine einzige Führungsperson alle unterschiedlichen lokalen Herausforderungen zum Umgang mit Corona überblicken? Nein, natürlich nicht. Was weiß ein Politiker im Bundestag in Berlin über die architektonischen Gegebenheiten und das dazu passende Hygienekonzept eines Restaurants in einem kleinen Kaff auf dem Land oder einer Stadt am anderen Ende der Republik? Gar nichts! Also kann er oder sie auch nichts Gehaltvolles dazu sagen und somit auch keine funktionierende Problemlösung anbieten und schon gar nichts im Sinne der lokal Betroffenen entscheiden. Wir brauchen mehr individuelle und lokalisierte Kompetenz. Dies führt nicht nur zu mehr individuell sinnvollen Lösungsansätzen, sondern auch zu deutlich mehr Tempo bei der Umsetzung. Man muss die Menschen nur richtig instruieren. Den Rest erledigen sie dann selbst.

Leo Hohensee / 20.03.2021

Lieber Herr Broder, von welcher Seite immer man es sieht, der Schaden ist jetzt schon erfolgreich angerichtet. Bis in die innerste Familie ist der Keil getrieben. Argumente zählen nicht mehr weil da Hirnblockaden erfolgreich indoktriniert wurden! Ein schlichtes “Zuhören” ist schon unmöglich gemacht. Labern ist gefragt, Angst machen, Erbschuld aufrufen und CO2-Kirchen- Predigten u.ä. - solche Register gilt es zu ziehen. Der Eine verinnerlicht einen Anspruch ohne Leistung (Grundeinkommen) - der andere soll eine Pflicht verinnerlichen, Abgaben zu leisten in “komponierter” Höhe wegen seiner Schuld daran genuin deutscher Mensch zu sein.

Gabriele H. Schulze / 20.03.2021

Und sie hat ihre willigen Vollstrecker, die Grünen. Was will man mehr.

m. neland / 20.03.2021

Wenn es sich bei den Ergebnissen der beiden Landtagswahlen nicht um Wahlmanipulation und Betrag handelt, steht es schlimm um das Volk, das deutsche.

Fred Burig / 20.03.2021

@P. F. Hilker : “Ein ganzes Land wird von Strolchen regiert.” Das ist Verharmlosung der Tatsachen. Ich würde es gern erleben, dass diese “Verbrecher” auch als solche bestraft werden. Und das nicht wie bei Nena im Lied….“irgendwie, irgendwo, irgendwann”..., sondern im Namen des Volkes und hier und sofort ! MfG

G. Böhm / 20.03.2021

Selbst wenn man es einigermaßen vornehm Merkel-Bashing nennt, aber was sein muß, muß sein! - Es gibt ja eine ganze Reihe von Menschen, auch hier unter den Kommentatoren (Damen & Herren), die dieser Person wegen ihres Doktortitels und insbesondere der familiären Herkunft ein überdurchschnittliches Maß an Intellekt zuschreiben. Ihr allseits beliebtes unprätentiöses einfaches Auftreten einschließlich der Sprachstilistik sei deshalb lediglich vorgeschobener professioneller Habitus. - Eine solche Auffassung teile ich überhaupt nicht. Das Auftreten dieser Person ist m. E. n. überwiegend identisch; ihr Know-how, so vorhanden, ist ziemlich flach und dies kommt in ihrer gesamten Kommunikation zum Ausdruck. - Eine Kommentatorin wies darauf, daß sie in ihrer FDJ-Zeit die Funktion für Agitation und Propaganda (Agit-Prop) ausfüllte, auch wenn sie dies selbst ‘Kultur-Arbeit’ nannte. Wer diese Funktion einnahm, gehörte zu den schlimmsten und borniertesten Leuten innerhalb dieser Organisation und ich habe dies hier vor längerer Zeit schon mal angeführt, daß jemand, der nach abgelegtem Studium noch immer voll innerer Freude und Zufriedenheit der FDJ-Arbeit frönte, etwas an der ‘Dattel’ haben mußte. - Diese Person handelt noch immer wie in einer Art Laboratorium, ohne je die Versuchsanordnung preisgegeben zu haben und dies mit einem unlimitierten Freifahrtsschein. Über lebensbezogene praktische Erfahrung und Lösungskompetenz verfügt sie in keinster Weise. Alles, was sie eingeleitet hat, müssen andere ausbaden. - Wer diese Suppe auslöffeln will, soll sie gerne fressen. Jedoch fade mecklenburgische Kartoffelsuppe war noch nie mein Fall. Ich mache mir meine Roux und meinen Brei selbst, da weiß ich wenigstens, was drin ist. Und wenn andere den Teller ablecken, bin ich zufrieden, denn schon (meine eigene) Mutti wußte, daß es dann besonders gut geschmeckt haben mußte. (PS: Ein C-Dessert wird nachgereicht.)

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com