Henryk M. Broder / 06.02.2020 / 12:04 / Foto: Tim Maxeiner / 123 / Seite ausdrucken

Endstation Buchenwald - Deutsche außer Rand und Band

"Kemmerich hat eine Wahl angenommen, die er nicht hätte annehmen dürfen", sagt Peter Frey, der Chefredakteur des ZDF im heute-journal vom 5.2., hier ab 21:30, "ein Tabubruch, geschichtsvergessen, denn es war ja in Thüringen, im Jahre 1924, als erstmals völkische Abgeordnete einer Regierung zur Mehrheit verhalfen. Die vertrieb zuerst das progressive Bauhaus aus Weimar, ebnete dann den Weg für die Machtübernahme der NSDAP. Endstation Buchenwald. Kann sich Geschichte wiederholen?" 

Eine rhetorische Frage, die der abgewählte Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, mit einem lupenreinen „Ja!“ beantwortet, indem er auf Twitter Adolf Hitler zitiert:

„Den größten Erfolg erzielten wir in Thüringen. Dort sind wir heute wirklich die ausschlaggebende Partei. [...] Die Parteien in Thüringen, die bisher die Regierung bildeten, vermögen ohne unsere Mitwirkung keine Majorität aufzubringen.“ A. Hitler, 02.02.1930

Dazu stellt er zwei Fotos. Eines zeigt den ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, im Händedruck mit Adolf Hitler, den er 1933 zum Reichskanzler ernannt hat, das andere den zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählten FDP-Politiker Thomas Kemmerich beim Händedruck mit dem Fraktionsvorsitzenden der AfD, Björn Höcke. Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend, die historische Analogie ebenso. 

Den ganz dicken Dödel holt dann der maßlos erfolgreiche ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei Lanz raus. „Wenn in Connewitz ein paar Mülleimer in Brand gesteckt werden“, dann sei das „blöde“, aber jetzt, „wenige Tage nach dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz“, sitze da eine Partei im Bundestag mit 90 Abgeordneten, in Fraktionsstärke, „deren stärkster Mann in Thüringen den Satz sagt, das Mahnmal für die Opfer des Holocaust ist ein Mahnmal der Schande“, die Gefahr gehe nicht „von brennenden Mülleimern in Connewitz aus, die geht von dieser Partei aus! Und deshalb ist es so schlimm, dass diese Typen da den Ministerpräsidenten wählen können!“ Ich denke auch, es wäre besser, wenn die Typen, die in Connewitz Mülleimer abfackeln, den Ministerpräsidenten wählen könnten.

Aus Südafrika meldet sich die Kanzlerin zu Wort und nennt die Wahl des FDP-Mannes zum MP „unverzeihlich“. Die Wahl müsse „rückgängig gemacht“ werden.

Ich sitze derweil in der Blauen Gans in Salzburg, schaue fern und denke mir, Tucholsky hatte recht. „Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich selbst kommen wollen.“

Foto: Tim Maxeiner

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Fritz Gessler / 06.02.2020

na, kommen sich die strammen AfD-wähler aber nicht ein bisserl verscheissert vor? ausgerechnet die erzliberale ‘grenzen-auf! alle-rein!’ FDP, die es grad mit 70plus-stimmen über die 5%-hürde schaffte, wird jetzt von der AfD ins präsidentenamt gehievt? die botschaft ans thüringer wahlvolk ist klar: ihr seid auch nur stimmvieh wie bei allen anderen parteien.

Dr. Gerhard Giesemann / 06.02.2020

Einen ganz wichtigen Trost haben wir: Die Deutschen sind durch WW II militärisch derart marginalisiert, dass es eigentlich egal ist, was sie machen. Ich bin froh darüber, so habe ich wenigstens von denen meine Ruhe, meine bayrische, Söder hin oder her. Es gibt drei europäische Atommächte, die uns betreuen, also FR, GB und Russland. Die Geschichte wird sich nicht wiederholen, mangels Feuerkraft - wollte schon schreiben “Feierkraft”. In unserer Mittellage können wir uns jede Dummheit leisten, die Anderen ringsum richten es schon - sofern sie sich nicht genauso blöd anstellen. Ist aber eher unwahrscheinlich, wir sind das Land mit den meisten Nachbarn weltweit, das mäßigt und ist heute eher ein Plus - früher hatten wir die Arschkarte, jetzt haben die eher die Randstaaten. Unsere lieben Nachbarn sind territorial gesättigt, befriedigt, sollen sie sich daran delektieren, was ficht uns das an. Wir müssten halt mal den Migrantenmagneten ausschalten - vielleicht macht der Wähler das, wenn er seine Duldungsstarre endlich überwunden hat. Inshallah.

Bernd Klingemann / 06.02.2020

Ich schrieb es an anderer Stelle: Die Deutschen Muster-Demokraten können nur zanken, treten oder buckeln. Eine widerwärtige Spezies, die sich hoffentlich nicht fortpflanzt. Weimar ist gescheitert, der Sozialismus ist gescheitert, Berlin ist gescheitert. Als Alliierte würde ich aufgeben.

P. Werner Lange / 06.02.2020

Die demokratisch gewählten Vertreter eines Viertels der thüringischen Wählerschaft machen von ihrem Recht Gebrauch, für einen MP-Kandidaten zu stimmen, der ihnen als das kleinere Übel erscheint. Das Wahlergebnis muss nun rückgängig gemacht werden? Dergleichen kann nur die Meinung - oder ist es schon die Weisung - einer Person sein, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse für Bestandteile einer demokratischen Staatsführung hält. Zwei Namen - Höcke und Gedeon - lallend, fallen Journaille und Politiker (ein zerrissenes Manuskript und ein Blumenwurf während der letzten Tage zeigen, dass es wirklich unangemessen ist, nur die männliche Bezeichnung zu verwenden) besinnungslos vor Hass über eine Partei her, deren Programm sie sicherlich nie gelesen haben. “Besinnungslos” meint hier Geschichtsvergessenheit, Verharmlosung industriell betriebenen Massenrmordes, Menschenverachtung, geistige Beschränktheit. Es bleibt nur zu hoffen, dass manchem kenntlicher wird, wohin subventionierte Hetze, protegierter Hass, die Verweigerung zustehender Ämter, Unvereinbarkeitsbeschlüsse usw. dieses Land führen werden. Es bleibt übrigens für immer meines - auch wenn ich ringsum nur unfreundliche Gesichter sehe. Selbst dann, wenn hier demnächst Wahlergebnisse rückgängig gemacht werden.

Dr. Robert Lederer / 06.02.2020

Lieber Herr Munk, ich glaube nicht, daß sich alle bei Tichy z.B. einig sind, daß die AfD eine Nazi-Partei sei. Z.B. hat Roland Tichy mal geschrieben, Nazis, so sind die denn, vor 1 Jahr, und es gibt viele Leser, die sich als AfD Sympathisanten dort gerieren. Thomas Spahn hat es heute auf Tichyseinblick in einem Artikel zum totalitären Parteienstaat, überragend, auf den Punkt gebracht, wie Medien, Politik und NGOs tagtäglich daran arbeiten, durch eine Wahrnehmungsverschiebung die AfD als (angebl.) rechtsextreme Partei darzustellen. Und gerade dadurch als Partner für die frühere Mitte-Rechts-Partei CDU zu verunmöglichen. Chapeau. Es ist halt einfacher, nachzuplappern, als sich seine eigene Meinung zu bilden. In einem 200seitigen Interviewband mit S. Hennig kann man B. Höcke kennenlernen, und auch auf Compact hat er ein Interview zu dem gestrigen Erfolg gegen die Zerstörungsarbeit des Merkelregimes gegeben. Aber wie gesagt, es ist halt einfacher, seinen Vorurteilen bequem zu folgen, ob bei tichyseinblick oder auch bei achgut.com.

Rita Wiesinger / 06.02.2020

Das die linke Ideologie des Sozialismus nicht so weit vom Nationalen Bruder entfernt ist, stellt ja kein Geheimnis dar. Insofern hätten sich die SED Eliten auch nicht so weit hinauslehnen müssen.

Wolfgang Nirada / 06.02.2020

Sehr verehrter Herr Broder, wie Sie da so sitzen und gelassen lächelnd den lupenreinen deutschen Demokraten beim traditionellen Watschentanz zusehen… Beneidenswert! Einen schönen Aufenthalt in Felix Austria wünsche ich Ihnen.

Max Schmidt / 06.02.2020

Laut nicht bestätigten Meldungen arbeiten Süddeutsche und Spiegel an einer Art Ibiza-Video gegen MP Kemmerich. :-)

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com