November naht, der „traurige Monat“, wie ihn einst Heine nannte. Die Holocaust-Feiern werden vorbereitet, die Auftritte für Deutschlands beliebteste Seifen-Oper. Ein bevorzugtes Datum ist der neunte November, Jahrestag der „Reichskristallnacht“. Auch in diesem Jahr sind große Reden deutscher Politiker geplant, mit betroffenen Mienen, gespickt mit sprachlichen Versatzstücken wie „Nie Wieder!“ und „Kampf gegen Rechts“. Die Synagogen, sonst wie Festungen verrammelt, werden zur Kulisse pompöser Auftritte, bei denen auch Juden vorgezeigt werden, Funktionäre des „Zentralrats“ oder ein paar andere, die sich zu benehmen wissen.
Großer Auftakt: Am 28. Oktober wurde Angela Merkel der Theodor-Herzl-Preis des Jewish World Congress verliehen. Andere jüdische Organisationen wie die Zionist Organization of America haben dagegen protestiert. Das „Weltjudentum“, von Antisemiten gern als zentral koordiniertes Netzwerk dargestellt, ist in Wahrheit ein heterogenes Gewoge verschiedenster Ansichten und Interessen. So kann es geschehen, dass eine Politikerin, die ihr Land für Juden zunehmend unbewohnbar macht und in ihrer Außenpolitik ausgeprägt anti-israelische Akzente setzt, den Preis einer jüdischen Organisation erhält.
Isi Leibler, einer der führenden politischen Kommentatoren Israels und einst selbst hoher Funktionär des Jewish World Congress, hält Angela Merkel nicht für preiswürdig. In einem Artikel in der Jerusalem Post warf er ihr vor, sie verurteile „zwar verbal den Antisemitismus, aber (…) tatsächlich hat sie selbst einen nicht geringen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland und die Welt für Juden so viel gefährlicher geworden sind.“ Für diesen massiven Vorwurf nennt er fünf Belege:
Erstens: Merkel sei für die Einreise von mindestens einer Million weiterer Migranten aus dem Nahen Osten nach Deutschland verantwortlich, „darunter zahlreiche Dschihadisten, die ihren Hass auf Juden mitgebracht haben“, obwohl abzusehen war, dass sich damit die Lage der Juden in Deutschland dramatisch verschlechtern würde. Der wachsende muslimische Judenhass werde von den deutschen Politikern „heruntergespielt“. Merkel vertrete stattdessen „den Standpunkt, Antisemitismus in Deutschland komme zum größten Teil von der extremen Rechten oder von Menschen mit psychischen Störungen – was erwiesenermaßen falsch ist.“
Zweitens: Merkel unterstütze nicht nur das Atomabkommen mit dem Iran, sondern weigere sich, auf die immer wieder ausgestoßenen Drohungen des iranischen Regimes, Israel auszulöschen, angemessen zu reagieren. Sie verhindere die Einstufung der Hisbollah als terroristische Organisation und ermögliche damit Demonstrationen in ganz Deutschland, auf denen die Zerstörung Israels gefordert wird. Ferner sei „die deutsche Regierung an vorderster Front, wenn es darum geht, US-Sanktionen gegen das Teheraner Regime zu umgehen.“
Drittens: Die Merkel-Regierung hätte „die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump verurteilt und die osteuropäischen Länder unter Druck gesetzt, ihre Botschaften nicht nach Jerusalem zu verlegen.“
Viertens: Merkels Regierung stelle weiterhin Millionen Euro für die als antisemitisch anerkannte BDS-Bewegung bereit, die den Boykott Israels fördern.
Fünftens: In den Gremien der UNO hätte Merkel-Deutschland „eine der schlimmsten Abstimmungsbilanzen unter all den heuchlerischen europäischen Nationen, die einseitige Anti-Israel-Resolutionen entweder unterstützen oder sich enthalten“.
Die verlogenen Shoah-Gedenkfeiern ersparen
Eigentlich zeichnet Isi Leibler in seiner Analyse das Bild einer abgefeimten Feindin der Juden. Man möchte gern glauben, dass sie nicht aus Judenhass dazu geworden ist, sondern aus politischem Opportunismus. Doch in der Wirkung macht es keinen Unterschied. Was den Theodor-Herzl-Preis betrifft, wäre die einzige anständige Haltung gewesen, ihn nicht anzunehmen. Und uns am besten ganz die verlogenen Shoah-Gedenkfeiern zu ersparen. Denn diese Regierung verhöhnt die Opfer durch ihre massive Unterstützung des Iran und anderer Feinde der Juden.
Ich wende mich an die deutschen Juden, an ihre Freunde in Deutschland, an die Freunde Israels, vor allem an ihre offiziellen Vertreter, den Zentralrat der Juden in Deutschland, die Gemeinde-Funktionäre und Rabbiner, an die Deutsch-Israelischen Gesellschaften, an die wenigen pro-israelischen Politiker in diesem Land: Bleiben Sie diesen unwürdigen, zutiefst verlogenen Veranstaltungen fern. Zeigen Sie der Welt, dass es in Deutschland kritische Menschen gibt, darunter auch Juden mit Rückgrat, die der hinterhältigen Nahost-Politik, der verräterischen Doppelzüngigkeit der jetzigen Bundesregierung nicht zustimmen. Zeigen Sie, dass der Arafat-Verehrer Steinmeier, derzeit Bundespräsident, nicht für Sie sprach, wenn er dem mörderischen Regime im Iran „im Namen seiner Landsleute“ zum vierzigsten Jahrestag seiner blutigen Machtergreifung gratulierte. Machen Sie deutlich, dass Außenminister Maas, als er lächelnd und nett gekleidet in der UNO-Vollversammlung saß und dort an einem einzigen Tag 16 anti-israelischen Resolutionen zustimmte, nicht Ihre Interessen vertrat, sondern die einer kleinen, unbeliebten Politiker-Kaste.
Überlassen Sie diese Feiern den deutschen Politikern, die sich dort selbst beweihräuchern werden wie jedes Jahr: ihre Toleranz und Menschenliebe, ihre gönnerische Herablassung, Juden ein Lebensrecht und dem Staat Israel ein Existenzrecht zuzugestehen. Zum Glück sind wir nicht von der Gnade dieser Politiker abhängig – es wäre glatter Selbstmord. Es ist eine Schande, ein Schmerz, wie sie die Shoah missbrauchen, um von ihrer juden- und israelfeindlichen Politik abzulenken. „Nie wieder!“. Und dabei geschieht es täglich.