Chaim Noll / 31.10.2019 / 08:20 / Foto: Freud / 136 / Seite ausdrucken

Eine Schande, ein Schmerz

November naht, der „traurige Monat“, wie ihn einst Heine nannte. Die Holocaust-Feiern werden vorbereitet, die Auftritte für Deutschlands beliebteste Seifen-Oper. Ein bevorzugtes Datum ist der neunte November, Jahrestag der „Reichskristallnacht“. Auch in diesem Jahr sind große Reden deutscher Politiker geplant, mit betroffenen Mienen, gespickt mit sprachlichen Versatzstücken wie „Nie Wieder!“ und „Kampf gegen Rechts“. Die Synagogen, sonst wie Festungen verrammelt, werden zur Kulisse pompöser Auftritte, bei denen auch Juden vorgezeigt werden, Funktionäre des „Zentralrats“ oder ein paar andere, die sich zu benehmen wissen.

Großer Auftakt: Am 28. Oktober wurde Angela Merkel der Theodor-Herzl-Preis des Jewish World Congress verliehen. Andere jüdische Organisationen wie die Zionist Organization of America haben dagegen protestiert. Das „Weltjudentum“, von Antisemiten gern als zentral koordiniertes Netzwerk dargestellt, ist in Wahrheit ein heterogenes Gewoge verschiedenster Ansichten und Interessen. So kann es geschehen, dass eine Politikerin, die ihr Land für Juden zunehmend unbewohnbar macht und in ihrer Außenpolitik ausgeprägt anti-israelische Akzente setzt, den Preis einer jüdischen Organisation erhält.

Isi Leibler, einer der führenden politischen Kommentatoren Israels und einst selbst hoher Funktionär des Jewish World Congress, hält Angela Merkel nicht für preiswürdig. In einem Artikel in der Jerusalem Post warf er ihr vor, sie verurteile „zwar verbal den Antisemitismus, aber (…) tatsächlich hat sie selbst einen nicht geringen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland und die Welt für Juden so viel gefährlicher geworden sind.“ Für diesen massiven Vorwurf nennt er fünf Belege:

Erstens: Merkel sei für die Einreise von mindestens einer Million weiterer Migranten aus dem Nahen Osten nach Deutschland verantwortlich, „darunter zahlreiche Dschihadisten, die ihren Hass auf Juden mitgebracht haben“, obwohl abzusehen war, dass  sich damit die Lage der Juden in Deutschland dramatisch verschlechtern würde. Der wachsende muslimische Judenhass werde von den deutschen Politikern „heruntergespielt“. Merkel vertrete stattdessen „den Standpunkt, Antisemitismus in Deutschland komme zum größten Teil von der extremen Rechten oder von Menschen mit psychischen Störungen – was erwiesenermaßen falsch ist.“

Zweitens: Merkel unterstütze nicht nur das Atomabkommen mit dem Iran, sondern weigere sich, auf die immer wieder ausgestoßenen Drohungen des iranischen Regimes, Israel auszulöschen, angemessen zu reagieren. Sie verhindere die Einstufung der Hisbollah als terroristische Organisation und ermögliche damit Demonstrationen in ganz Deutschland, auf denen die Zerstörung Israels gefordert wird. Ferner sei „die deutsche Regierung an vorderster Front, wenn es darum geht, US-Sanktionen gegen das Teheraner Regime zu umgehen.“

Drittens: Die Merkel-Regierung hätte „die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump verurteilt und die osteuropäischen Länder unter Druck gesetzt, ihre Botschaften nicht nach Jerusalem zu verlegen.“

Viertens: Merkels Regierung stelle weiterhin Millionen Euro für die als antisemitisch anerkannte BDS-Bewegung bereit, die den Boykott Israels fördern.

Fünftens: In den Gremien der UNO hätte Merkel-Deutschland „eine der schlimmsten Abstimmungsbilanzen unter all den heuchlerischen europäischen Nationen, die einseitige Anti-Israel-Resolutionen entweder unterstützen oder sich enthalten“.

Die verlogenen Shoah-Gedenkfeiern ersparen

Eigentlich zeichnet Isi Leibler in seiner Analyse das Bild einer abgefeimten Feindin der Juden. Man möchte gern glauben, dass sie nicht aus Judenhass dazu geworden ist, sondern aus politischem Opportunismus. Doch in der Wirkung macht es keinen Unterschied. Was den Theodor-Herzl-Preis betrifft, wäre die einzige anständige Haltung gewesen, ihn nicht anzunehmen. Und uns am besten ganz die verlogenen Shoah-Gedenkfeiern zu ersparen. Denn diese Regierung verhöhnt die Opfer durch ihre massive Unterstützung des Iran und anderer Feinde der Juden.

Ich wende mich an die deutschen Juden, an ihre Freunde in Deutschland, an die Freunde Israels, vor allem an ihre offiziellen Vertreter, den Zentralrat der Juden in Deutschland, die Gemeinde-Funktionäre und Rabbiner, an die Deutsch-Israelischen Gesellschaften, an die wenigen pro-israelischen Politiker in diesem Land: Bleiben Sie diesen unwürdigen, zutiefst verlogenen Veranstaltungen fern. Zeigen Sie der Welt, dass es in Deutschland kritische Menschen gibt, darunter auch Juden mit Rückgrat, die der hinterhältigen Nahost-Politik, der verräterischen Doppelzüngigkeit der jetzigen Bundesregierung nicht zustimmen.  Zeigen Sie, dass der Arafat-Verehrer Steinmeier, derzeit Bundespräsident, nicht für Sie sprach, wenn er dem mörderischen Regime im Iran „im Namen seiner Landsleute“ zum vierzigsten Jahrestag seiner blutigen Machtergreifung gratulierte. Machen Sie deutlich, dass Außenminister Maas, als er lächelnd und nett gekleidet in der UNO-Vollversammlung saß und dort an einem einzigen Tag 16 anti-israelischen Resolutionen zustimmte, nicht Ihre Interessen vertrat, sondern die einer kleinen, unbeliebten Politiker-Kaste.

Überlassen Sie diese Feiern den deutschen Politikern, die sich dort selbst beweihräuchern werden wie jedes Jahr: ihre Toleranz und Menschenliebe, ihre gönnerische Herablassung, Juden ein Lebensrecht und dem Staat Israel ein Existenzrecht zuzugestehen. Zum Glück sind wir nicht von der Gnade dieser Politiker abhängig – es wäre glatter Selbstmord. Es ist eine Schande, ein Schmerz, wie sie die Shoah missbrauchen, um von ihrer juden- und israelfeindlichen Politik abzulenken. „Nie wieder!“. Und dabei geschieht es täglich.

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Leserpost

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Rainer Hanisch / 31.10.2019

Ich kann den Personenkult um die Merkel nicht verstehen. Das ist ja schon schlimmer, als der um den “Führer”, Stalin oder um den “Großen Vorsitzenden”. Können oder wollen die Menschen, zumal im Ausland (!) nicht begreifen, was für eine Gestalt diese Frau ist? Dass alle möglichen Gedenkfeiern von den hiesigen “Regierenden” missbraucht werden, um sich schönzureden und zu beweihräuchern ist inzwischen alltägliches Affentheater. Wer sowas noch ernst nimmt, ist unbelehrbar oder völlig verbl… Deutschland, das Land der Dichter und Denker. Mit dem Dichten klappt es ja noch so einigermaßen. Wenn auch nur irreale Phantasien eine Rolle dabei spielen. Aber das Denken? Ist schon sehr lange her, dass diese Fähigkeit bedeutsam war. Heute oft nicht mal rudimentär vorhanden. Gutes Beispiel: das fränkische Ebermannstadt, wo etwa 200 Hanseln zu Halloween gegen die AfD protestierten. Keine Ahnung, aber laut. Noch bescheuerter gehts wirklich nicht. Das nach dem 2. WK vielfach strpazierte “Nie wieder” ist schon lange wieder Alltag in D: Hetze gegen Andersdenkende, staatlich geförderter Judenhass, Großmachtstreben der “Elite”, aller Welt Vorschriften machen zu wollen.

Ulv J. Hjort / 31.10.2019

Unterschreibe jedes wort ! Die doppelzuengigkeit der deutschen politik ,ist mir schon lange ein dorn im auge . Verfolge mit entsetzen aus dem ausland , wie sich die “Judenjagt ” auf deutschlands strassen , zum volkssport entwickelt . Eine unheilige allianz von rechts- und linksextremisten zusammen mit den zuwanderern aus islamischen gebieten, hat schon lange die regie uebernommen . Aber das schlimmste , die menschen schauen wieder weg , tun vøllig so ,als ob das sie nichts anginge . WIE DAMALS ! Es sind ja NUR juden . Ich schæme mich fuer meine alte heimat ...

Andreas Rühl / 31.10.2019

Wohl wahr. Es ist auch bezeichnend, dass die Politiker bei jeder Gelegenheit versuchen, sich selbst und die angegriffenen Deutschen juedischen Glaubens zu potentiellen Opfern des sogenannten rechten Terrorismus zu machen. Das ist ein ungeheuerlicher Missbrauch, der einem nur noch die schamesröte ins Gesicht treibt. Der Zweck ist, jede Kritik an der Politik der Machthaber in diesem Land, mundtod zu machen. Dafuer ist offenbar der Jude gerade noch gut genug. Wenn es aber darum geht, dass einzige Land zu verteidigen, in denen Menschen dieses Glaubens leben koennen, ohne verfolgt zu sein, ist es mit der Solidarität schnell zu Ende. Es ist ein unfassbarer Skandal und eine totale moralische bankrotterklaerung.

M. Simon / 31.10.2019

Ganz genau so ist es. Man sollte lieber Gedenkveranstaltungen am Gründungstag Israels veranstalten - aber das fiele diesen „Israelfreunden“ nicht im Traum ein.

Chris Groll / 31.10.2019

Danke Herr Noll, Sie haben geschrieben und ausgedrückt was auch im empfinde. Auch ich verstehe den Zentralrat der Juden in Deutschland und einige andere Personen nicht, die Frau Merkel immer wieder hofieren.  Aber diese Appeasement-Politik wir Ihnen am Ende auch nicht nutzen. An den Arafat-Verehrer Steinmeier, derzeit Bundespräsident, habe ich seinerzeit eine E-Mail geschickt. Ich habe mir verbeten, dass er dem mörderischen Regime im Iran zum vierzigsten Jahrestag seiner blutigen Machtergreifung „auch in meinen Namen”  gratulierte.

Robert Jankowski / 31.10.2019

Ich denke, der Begriff nennt sich “über Bande spielen”. Man unterstützt den Iran, beliefert die Türkei mit hochmodernen Waffen, die jetzt in Syrien eingesetzt werden und nickt die ganze Zeit dazu den geneigten deutschen Juden freundlich zu. Man “kämpft gegen Rechts”, vermischt dabei die Ablehnung eines aggressiven Islam mit dem Hass auf die Juden und lehnt sich zurück und wartet. Letzteres ist das, was Merkel am besten beherrscht. Als Abschluss der ganzen Chose wird es dann, wieder einmal, heißen “Haltet den Dieb!”

Harald Hotz / 31.10.2019

Gedenktage sind psychologisch eine sehr praktische Angelegenheit: man zeigt eine Stunde lang Betroffenheit und hat dann dafür das ganze Jahr seine Ruhe. Es gibt sicher vieles, was man an der Politik Israels kritisieren kann, aber es fällt doch sehr auf, daß sich in Europa niemand substantiell für eine Befriedung des Nahen Ostens einsetzt. Man möchte es mit den Saudis, mit dem Sultan von Istanbul und auch mit dem iranischen Naziregime nicht verscherzen, also bleibt es stets bei Festtagsreden. Ich für meinen Teil finde die Erinnerung von Geschichte wichtig, um die Fehler und Verbrechen der Vergangenheit nicht zu wiederholen, aber ich habe den Eindruck, daß inzwischen Gedenktage in Deutschland nur noch benutzt werden, um einem vermeintlich rechtsradikalen politischen Gegner regelmäßig die Moralkeule überzuziehen. Was soll das bringen, außer Überdruß, bei den Deutschen und auch bei den deutschen Juden? Selbst wer eine stramm rechtsnationale Einstellung hat, wird beim Blick rurück auf die Blütezeit des bürgelichen deutschen Judentums, das unzählige großartige Beiträge zur deutschen und europäischen Kultur geleistet hat, melancholisch werden und sich fragen, warum um Himmels Willen ausgerechnet die Deutschen ein ihm in vielen Zügen so wesensverwandtes Volk auslöschen wollten. Vielleicht wäre eine Erinnerung an die gemeinsame und höchst fruchtbare Vergangenheit ebenso wichtig und sinnvoll.

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