Die Verantwortung der Eliten

In Deutschland ist der Begriff der Elite negativ belegt. Egal ob es sich um die intellektuelle, politische oder die wirtschaftliche Elite handelt. Es wird möglichst alles versucht, um nicht aus der grauen Masse herauszustechen. Während die einen ihren brillanten Verstand verstecken, passen sich die anderen dem politischen Mainstream an und wieder andere idealisieren ein Leben in Einfachheit und Armut.

All jene, die diesen Weg gehen, verleugnen ihre elitäre Stellung. Denn was zeichnet die elitäre Person aus? Einerseits, dass sie privilegiert ist, andererseits, dass sie, und dies insbesondere, Verantwortung übernimmt; Verantwortung für die eigenen Entscheidungen und Fehltritte. Hierzu zwei prominente Anti-Beispiele: Verzichtete Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in der Plagiatsaffäre auf ihren Doktortitel? Zogen die politisch Verantwortlichen um den Berliner Flughafen BER, wie etwa Klaus Wowereit, ehemals Regierender Bürgermeister von Berlin, Konsequenzen aus dem BER-Desaster?

Ebenjenes Versagen der Eliten analysierte bereits im Jahre 2018 scharf und deutlich der deutsche Soziologe Michael Hartmann. Hierbei klingt der Titel seines Buches, „Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden", wesentlich dramatischer als Hartmanns sachliche und faktenbasierte Analyse. Ein typischer Hartmann eben. Kompakt, unverblümt, wissenschaftlich.

Elite lautet hier das Schlüsselwort

Vorneweg: Hartmann schwingt nicht in neulinker und gedankenloser Manier die Anti-Elitenkeule. Vielmehr bleibt er sich und seinen Werten treu. Er ist ein Sozialdemokrat alter Tage. Wirklich sozial, wirklich demokratisch, wirklich sozialdemokratisch. Hartmann steht zu „echten“ sozialdemokratischen Werten. Nicht wie viele Neulinke, die politisch korrekt sprechen, aber unsozial handeln, indem sie etwa ihren Willen der Mehrheit aufzwingen möchten.

Zwingen möchte Hartmann den Leser mitnichten zu etwas. Vielmehr geht es Hartmann darum, aufzuzeigen, was in unserer Gesellschaft schiefläuft. Elite lautet hier das Schlüsselwort. Warum? Hartmann beobachtet, dass die Eliten dieses Landes „(…) in ihrer großen Mehrheit inzwischen so weit von der breiten Bevölkerung entfernt [sind], dass sie zunehmend Schwierigkeiten haben, deren Probleme zu erkennen und die Folgen ihrer Entscheidungen für die Bevölkerung zu verstehen“.

Das belegt Hartmann fundiert mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Zahlen. Von der Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen bis hin zu gesellschaftlichen Armutsquoten. Dass hieraus nicht nur eine materielle Kluft, sondern auch eine kulturelle Kluft zwischen Eliten und Masse entstehe, sollte nicht verwundern.

Der Unterschied zwischen Elite und Masse

Schön könne man diese Entfremdung zwischen Eliten und Masse in den Medien beobachten, wo „(…) die meinungsbildenden Journalisten aufgrund ihrer eigenen privilegierten Situation nicht verstehen, wie große Teile der Bevölkerung denken und welche politischen Schlussfolgerungen sie daraus ziehen“. Man denke nur an Begrifflichkeiten wie „Berliner Blase“ oder „Oberschichten-Journalismus“.

Die vielleicht steilste These in diesem Zusammenhang? Dass ebenjene Elite nicht so kosmopolitisch, international und global sei, wie sie sich gerne darstelle. Zwar bereise diese die ganze Welt, spreche mehrere Sprachen, fühle sich auf dem internationalen Parkett zu Hause. Aber in ihrer Lebensweise seien jene durch und durch „nationalistisch“, wie es Hartmann nennt.

Festzuhalten bleibt: Ob man nun mit Hartmanns Schlussfolgerungen übereinstimmt oder nicht: Es lohnt allemal, sich in seine Analysen zu vertiefen. Hartmann spricht einen wichtigen Punkt an, der in unserer Gesellschaft schiefläuft und dessen Auswirkungen wir auf unterschiedlichen Ebenen mitbekommen. Vom Unvermögen, miteinander zu diskutieren bis zur Radikalisierung bestimmter Positionen. Dass Hartmann ein Sozialdemokrat alten Kalibers ist, sollte eher zum Schmökern animieren als zur Ablehnung seines Werks.

Vielleicht erweckt gerade seine Lektüre den Ehrgeiz der Eliten, sich wieder ihres Namens würdig zu zeigen und sich mit der Lebenswirklichkeit der Masse auseinanderzusetzen? Statt zu verwalten, endlich gestalten. Statt mit der Masse zu schwimmen, eine eigene Meinung entwickeln. Statt sich zu ducken und wegzulaufen, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Das eben zeichnet die wahre Elite aus. Das unterscheidet die Elite von der Masse.

Michael Hartmann (2018). „Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden“. New York/Frankfurt a.M: Campus, hier bestellbar.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Sabine Schönfelder / 15.12.2020

„Vielleicht erweckt gerade seine Lektüre den Ehrgeiz der Eliten, sich wieder ihres Namens würdig zu zeigen und sich mit der Lebenswirklichkeit der Masse auseinanderzusetzen?“ Schön wäre es, werte Autorin, aber die jetzigen Eliten, die wohl das Wort „ELITE“ negativ konnotieren, fühlen sich selbst sehr wohl ELITÄR. Sie haben sich so weit von der Wahrheit entfernt, zugunsten ihrer ideologisch motivierten Machtansprüche, daß sie jeden, der Wahrheit und Verbesserung einfordert, NUR NOCH HASSEN und zerstören wollen. Leider. Der Elitäre erfährt eine große Befriedigung in der Gleichmacherei der anderen, erhebt sich dadurch selbst ÜBER diese. Er ist der Besondere unter den Gleichen; der, der lenkt, und die „wahre Botschaft“ umsetzt. Dem eigentlich Geknechteten wird durch die Vokabel „sozial“ ein angenehmes „Framing“ geschaffen. Nur wer gleich sein möchte, der ist sozial. Das ist schlicht und hinterhältig, aber für die meisten Menschen immer noch zu intellektuell, um es zu begreifen. Schade.

Horst Jungsbluth / 15.12.2020

Wenn die “Eliten” Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot, diesen furchtbaren Kims, aber auch Ulbricht, Honecker, Castro, Chavez , Maduro, Fischer oder wie sie alle heißen hinterherlaufen und devot ihre “Dienste” anbieten, dann kann eben eine Gesellschaft nicht funktionieren.  In unserem Staat wollen die, die sich selbst als Elite einschätzen, die Riesenprobleme gar nicht erkennen, da sie dann entsprechend handeln müssten. So schaffen sie lieber selber Probleme, schieben die Schuld auf andere, installieren immer neue Ämter und “Beauftragte” die dann weiter nichts tun, als diese Probleme zu vergrößern und zu kassieren.

Hans Styx / 15.12.2020

“In Deutschland ist der Begriff der Elite negativ belegt.” Ich mutmaße mal, weil die Machtelite hierzulande nicht gleichzeitig Leistungselite ist, also gerade jenseits des eigenen Machterwerbes und Machterhaltes keine überdurchschnittlichen Qualifikationen mitbringt. Deren Macht basiert auf denjenigen, die von dieser Konstellation profitieren, von Günstlingen und denjenigen, die entweder noch weniger qualifiziert und/oder leichtgläubig, unkritisch und/oder untertänig sind. Demokratie lebt von Meinungsvielfalt und dem Möglichkeit eines Wechsels. Die Repräsentanten des Souveräns sind austauschbar. Die hiesigen Machteliten halten sich aber für das System. Und ihre Politik verkaufen sie uns als alternativlos. Deshalb ist ihnen die Demokratie im eigentlichen Sinne im Wege. Der Begriff “Demokratie” wird im Sinne des eigenen Machterhaltes missverstanden und missbraucht. Die “Medienschaffenden” sind sicher in einer Art Blase. Aber sie haben sich weder unbeabsichtigt noch elitär von der Massen abgehoben. Die Mainstreammedien sind selbst keine Vertreter einer Leistungselite. Sie sind willige Werkzeuge der Machtelite, eine trainierte Waffe im Krieg um die Meinungshoheit. Das ist das Gegenteil von “kritischem” und “anspruchsvollen” Journalismus. Da werden Menschen nicht informiert und aufgeklärt, sondern man versucht zu steuern. Vom Beobachter und Berichterstatter zum Akteur. Agitprop statt Journalismus. Und die Machtelite gibt die Richtung vor. Im Grund hat’s inzwischen unverkennbar Züge der alten DDR…

T. Brecht / 15.12.2020

Die deutsche Elite Baerbok das Netz ist der Speicher, Klabautermann, KleinMaas, Grüßaugust Steinigungsmeier, die Mörksel-Sonnenkönigin, der Doppelzentner Dummheit C. Roth, der Blaumaskenträger aus Bayern, Möchtegern Dr. Giffey, Wirecard-Experte Olaf Scholz, die Esken SED Saskia, die Flinten Uschi…..usw

Rainer Niersberger / 15.12.2020

Korrekterweise sollte man nicht (mehr) von Eliten sprechen, sondern von einer Haltung - und Gesinnungsaristokratie kraft staatlicher Alimentation, was die Eliten untrennbar mit ihrem “Ernaehrer” verbindet. In diesen Eliten versammelt sich Alles, was Dekadenz und Tegressuon ausmacht und das ohne irgendwelchen positiven Merkmale. Sie sind hedonistisch, narzisstisch, naiv bis infantil, neurotisch, ungebildet, egozentriert, voellig resilienzfrei, lebensuntuechtig, wohlstandsverwahrlosten, die ihr notorisch (zu Recht) schlechtes Gewissen, weil unverdient parasitaer durchgeschleppt, durch Erloesungsabgaben und erwuenschte moralische Bekundungen zu beruhigen suchen. Sie verbindet bestimmte elterliche Charaktere und “Methoden” sowie eine aehnliche Sozialisation. Sie leben bevorzugt im Speckguertel der Staedte, abgeschirmt vom (migrantischen) Fußvolk, das sie verachten, gerne nur unter ihresgleichen und haetten viel Sympathie fuer eine staatlich finanzierte Abschirmung. Im. Kern sind es Spießer oder Biedermaenner, in ihrer Verfasstheit bei der richtigen Triggerung ideale Taeuschungsobjekte. Es waere allerdings voellig naiv zu erwarten, dass sich in dieser Klasse der Hipster etwas aendern würde. Der erforderliche Aussendruck fehlt und das Regime braucht und kauft sie als willige Helfer.  Hier geht es, wie bei Regime, nicht um eine illusorische Änderung, sondern um eine, vermutlich immer wieder noetige Auswechslung des Personals, gegen dessen Widerstand, denn wer von diesen wuerde freiwillig vom parasitaeren Status zum Wirt wechseln wollen, abgesehen davon, dass sie die andere Rolle nie gelernt haben.

Harald Unger / 15.12.2020

Westeuropa nimmt einen Spitzenplatz ein, als der in Echtzeit am besten analysierte und diagnostizierte Untergang der Hochkultur in Rekordzeit. Alle diese Autoren und Achse-Autoren, wollen und können nicht wahrhaben, daß ihr Instrumentarium unbrauchbar wurde. - - - Es waren zumeist Barbaren, welche die Hochkulturen stürzten. Selbst die entsetzlichsten Terrorherrschaften, wie die der Türken auf dem Balkan des Mittelalters, wurden allein durch noch grausamere Herrscher zurückgeschlagen. - - - Zwar hat das von Europas Schlechtesten-Elite mit Macht herbeigeführte Remake des Dreißigjährigen Kriegs schon lange überall und zu jeder Zeit blutig begonnen, im Elfenbeinturm indes frönt man weiter seinen Idealen einer bereits totgeschlagenen Welt.

Alexander Mazurek / 15.12.2020

Nun, bereits Platon wusste, dass eine Herrschaft der Edlen (im Geiste und in der Tat), so seine definition der Aristokratie,  jeder anderen vorzuziehen ist, auch der Demokratie, welche regelmäßig in Plutokratie und Tyrannis entartet. Nur, woher nehmen und nicht stehlen? Das Edle im Geiste und in der Tat hat zu oft leider keinen Bestand, der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach, und was dann? Das Elend dieser Welt haben gerade diejenigen zu verantworten, denen die Massen vertrauten und sie gar wählten, vielleicht weil sie sie für die Edlen im Geiste und in der Tat hielten, für Eliten.

Hannes Krautner / 15.12.2020

Eliten, egal ob die Eliten aus der Politik oder die Eliten aus der Wirtschaft oder die Eliten aus dem Bildungssektor,  sie alle haben keinerlei Interessen an Demokratie.  Für sie alle ist es von großem Vorteil, wenn sie es mit Untertanen zu tun haben. Man kann daher nicht erwarten, dass Eliten die Demokratie verteidigen.   -  Politiker, auch wenn sie schon jahrzehntelang sich als Demokraten verkaufen, sind nur so lange Demokraten, so lange sie durch demokratische Rahmenbedingungen in ihrem Tun eingeschränkt werden.  -  Sobald diese Rahmenbedingungen aufbrechen, wie es derzeit bei uns der Fall ist, ist es mit der demokratischen Einstellung der Politiker zu Ende - und es beginnen goldene, traumhafte Zeiten für jeden Politiker.  -  Ich bin davon überzeugt, jeder Politiker, der im politischen Bereich eine Führungsposition inne hat, ist im Grunde eine autoritäre, diktatorische Person (egal in welchem politischen System),  denn nur Personen mit derartigen Charakteren gehen in der Politik ihren Weg nach oben.

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