Die Unterwerfung

Die Qualifizierung von Atomenergie als nachhaltig durch die Europäische Kommission ist politisch gewillkürt. Sie stellt nicht nur deren Präsidentin von der Leyen, sondern auch den unterlassenen Widerstand der deutschen Regierung hiergegen bloß. Dass die auf Vorschlag und Drängen von Macron gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission -immerhin Inhaberin eines deutschen Passes- des französischen Staatspräsidenten Kellnerin ist und sich, seitdem sie die Brüsseler Machtstellung ergattert hatte, darum bemüht, die Gerichte ihres Pariser Patrons, schmackhaft aufbereitet, besonders den Deutschen, zu präsentieren, wird selbst in der Mainstream-Presse klargestellt (siehe u.a. hier). Die Pariser Politik sieht von der Leyen als ihr Instrument an. Dies ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Selbst die Zusammensetzung des Kabinetts von Frau von der Leyen wird von Emmanuel Macron mitbestimmt. Dass nun aber die in Paris von langer Hand vorbereitete Förderung der Atomenergie in Brüssel so geräuschlos über die Bühne geht und noch einen Tag vor der offiziellen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Frankreich verkündet wird, belegt, dass Deutschland das Brüsseler Gewaltenkonglomerat vollständig entglitten ist. Man weiß scheinbar in der Ampel-Regierung gar nicht, was in den letzten Monaten zwischen Paris und Brüssel – noch unter der Oberhoheit von Frau Merkel - ausgehandelt worden war.

Formal geht es lediglich um die Einleitung eines Konsultationsprozesses zu einer ergänzenden Rechtsverordnung für bestimmte Kernenergie- und Erdgasaktivitäten. Doch was in Gestalt eines delegierten Rechtsaktes vom sogenannten Europäischen Parlament an legislativen Befugnissen auf die EU-Kommission übertragen worden ist, läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass für die anstehenden umfangreichen milliardenschweren Rückbau- und Erneuerungsinvestitionen der 56 Atomreaktoren in Frankreich Brüsseler Gelder herhalten sollen.

Derweil streiten die Ampelkoalitionäre um die opportune Reaktion. Dass selbst bei den Grünen, insbesondere Habeck und seiner Liliput-Diplomatin Baerbock, die Meinung vorherrscht, man dürfe Macrons Wiederwahl nicht gefährden, beleuchtet die hündische Ergebenheit des links-grünen Establishments gegenüber den Pariser Machthabern.

Seit wann ist die Wiederwahl des französischen Staatspräsidenten ein Kriterium für Politikentscheidungen auf dem Gebiet der deutschen Energiesouveränität?

Kniefall vor den Pariser Machthabern

Bei vielen Kritikern des links-grünen Bündnisses – so der AfD - herrscht indes Genugtuung darüber, dass nun durch eine französisch orchestrierte Initiative die Atomenergie eine Renaissance erlebt. Doch Schadenfreude über die von Brüssel/Paris organisierte Niederlage für die grün-fundamentale Nuklear-Verweigerung ist hier fehl am Platze. Denn bei der Brüsseler Trickserei geht es nicht um die Frage, ob man sich für die eine oder andere Energiequelle und ihre Förderung aussprechen sollte, sondern ausschließlich um die flagrante Verletzung deutscher Energie-Souveränität.

Deutschland hat unter unglücklichen Umständen - Frau Merkel wollte die Landtagswahlen in Baden-Württemberg gewinnen -  im Nachgang zu den Beschlüssen der grün-roten Koalition unter Trittin und Schröder beschlossen, sich von der Atomenergie definitiv zu verabschieden. Dafür gibt es vertretbare Gründe und ernsthafte Erwägungen trotz der wahltaktischen Entscheidungsumstände der damaligen Kanzlerin. Mittlerweile wird indes diese Entscheidung im Ergebnis vom Großteil der deutschen Bevölkerung akzeptiert. Daher vermag die Mehrheit der Deutschen gar nicht nachzuvollziehen, wieso im Wege eines Pariser octroi durch die Hintertür eine Energie gefördert werden soll, die in Deutschland mehrheitlich abgelehnt wird.

Hier liegt der Hund begraben: Was in Deutschland von der Mehrheit der Deutschen - immerhin also durch das souveräne Urteil eines selbstbestimmten europäischen Volkes – rundum abgelehnt wird, wird nun in Brüssel durch einen juristischen Taschenspielertrick der Kommission in Gestalt eines delegierten Rechtsaktes ohne Einspruchmöglichkeiten auf die Tagesordnung gesetzt und demnächst mit deutschem Geld gefördert. Denn Deutschland ist nach wie vor der bedeutendste Nettozahler EU.

Dies wird Herr Scholz der deutschen Bevölkerung, die nicht ohne Grund AKW-skeptisch oder sogar nuklear-ablehnend ist, näher erklären müssen:

Nachdem in Deutschland in langwierigen Verhandlungen der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen worden ist, darf sich dasselbe Volk an den Kosten der Reparatur und am Neubau französischer Reaktoren - vermittelt über den EU-Haushalt - beteiligen. Dies ist mehr als ein Einflussknick. Dies ist die Abdankung der Ampelkoalition und ein Kniefall vor den Pariser Machthabern. Währenddessen hat die österreichische Umweltministerin der Brüsseler Behörde ihre Klageabsicht verkündet. Sie führt den deutschen Grünen vor Augen, was Mut bedeutet.

Dr. jur. Markus C. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin und Gründer von www.europolis-online.org,

Foto: Claude Truong-Ngoc CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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F. Hoffmann / 07.01.2022

@ Herr Kerber. Was die Zustimmung der Bevölkerung zur Kernkraft angeht, hat sich laut jüngsten Umfragen die Stimmung gedreht. Wenn ich mich recht erinnere, sind 56% der Leute für Beibehaltung der AKW‘s, jedenfalls mehr als 50%. Die Stromkosten wirken.

sybille eden / 07.01.2022

Der deutsche Michel soll froh sein, daß er die französische Kernenergie mit finanzieren darf.  Schließlich wird es diese sein, die bald den Strom nach Dummland liefern wird ! Weil ja der “souveräne deutsche Bürger” die Kernkraft entschieden ablehnt , weil er ja so umfassend informiert ist !  Ha ha ha !

Klaus Keller / 07.01.2022

Deutschland kann ja die €U verlassen. So ganz stimmt der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie nicht. Man hält an der nuklearen Teilhabe (an den Atomwaffen der USA) fest. Frankreich ist nicht der einzige Staat der €U der Kernkraftwerke betreibt. Es gibt auch mehrere Staaten die den Neubau planen. Davon abgesehen: Ich kann mich nicht erinnern das es einen Volksentscheid in Deutschland in dieser Angelegenheit gegeben hat.

Andreas Gossweiler / 07.01.2022

Glaubt Deutschland wirklich, gratis aus der Nummer mit dem Atomstrom rauszukommen? So nach dem Motto, andere sollen das Risiko und die Investitionen tragen und wir importieren den Strom dann einfach, dank der wohlüberlegten deutschen Klimawende? Machen wir uns doch nichts vor, entweder wir investieren selber in das Risiko mit dem Atomstrom (Forschung, Entwicklung, Bau und Betrieb vom Atomkraftwerken) oder es machen andere. Ob dies nun über die Kilowattstunde bezahlt wird vom Verbraucher oder dem Steuerzahler über EU-Subventionen spielt keine Rolle, am Schluss bezahlt es immer Müller und Meier. Ist nie anders gewesen. Und eine CO2-Wende nur mit Strom-Wasserstoffspeicherung (was schön wäre, wenn nicht der miserable Wirkungsgrad wäre) oder Speichern durch Raufpumpen von Wasser in Stauseen (nur in den Alpen möglich) oder Heiss-Salzspeicher möglich wäre, daran glauben nur Illusionisten. Ohne permanente Grundlastproduktion wird es nicht gehen, das zeigen alle seriösen Berechnungen (nicht von Ökonomen, Ideologen oder Politikern, sondern von Ingenieuren!). Deutschland hätte halt nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 Frankreich kolonisieren und nie mehr in die Unabhängigkeit entlassen dürfen. Dann wäre die Geschichte des 20. Jahrhunderts ganz anders verlaufen und niemand würde sich heute über die Franzosen und ihre “Frechheit” beschweren, europäische Steuerzahler müssten für verlotterte Atomanlagen in Frankreich bezahlen (die im Übrigen zu den besten und modernsten der Welt zählen, weil alle in Frankreich an die Technik glauben und investiert wird sowohl in Technik wie Ausbildung der Fachleute!)...

Hans Meier / 07.01.2022

@ Donatus Kamps   Ich finde, Sie sehen die Entwicklung realistisch. Alle Wenden Merkels waren vorsätzliche Anschläge auf eine Bundesrepublik Deutschland, um maximalen Schaden anzurichten. Nichts geschah ohne Arglist, denn alles was an Schaden eingetreten ist, war nicht nur vorhersehbar, es wurde in diversen Blogs von Anfang an veröffentlicht. Alle Versuche der Fachleute auf die negativen Folgen dieser „Sabotage-Politik“ in den öffentlichen System-Medien oder Parlamenten aufmerksam zu machen, wurden wütend abgewürgt, weil eine echte Opposition bis heute verteufelt wird, damit das Satanische maskiert bleibt.

rolf schwarz / 07.01.2022

Herr Kerber, haben Sie schon einmal gesehen wie eine Ampel ohne Strom aussieht? Also tippe ich eher auf folgendes Szenario:  Der fiese kleine Franzmann hat dem kleinen Kanzlerroboter bei dessen Antrittsbesuch genau diese Frage gestellt. Verbunden mit dem freundschaftlichen Hinweis darauf, dass er mittlerweile auch in Deutschland am Lichtschalter sitzt. Au revoir, Merci, und Liebe Grüße an die Kanzlerin.

Matthias Böhnki / 07.01.2022

Frankreich hat besseres Essen, schöneres Wetter, wunderbare Weinabgänge, die schönsten Landschaften, eine unvergleichliche Melodie in der Sprache, und die Frauen…., und die AKW´s. Und wir haben Frau Baerbock. Also wenn ich es recht betrachte: Herr Macron, bitte übernehmen Sie. So schnell wie möglich ! Herr Kerber ? Auf welchem Planeten sind Sie denn unterwegs ? Etwas Erdung wäre angebracht.

Max Anders / 07.01.2022

Unglückliche Umstände ... vertretbare Gründe… Ich dachte grade, ich lese nicht richtig. Der Atomausstieg ist durch nichts rational zu begründen. Über 10 Jahre nach dieser richtungsweisenden fatalen Entscheidung hat man uns im Sack. Die Macrone vollstreckt jetzt nur noch. Dachte wirklich irgendeiner, daß über Jahrhunderte gewachsene Nationalinteressen von Franzosen, Briten und US-Amerikanern plötzlich nicht mehr existent sind?

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