Cora Stephan / 15.06.2023 / 11:00 / Foto: Pixabay / 29 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Gärtnern gegen rechts!

Fühlen Sie sich frei, wenn Sie im Garten hacken und jäten und morden und sengen! Blattläuse könnten verkappte Nazis sein und Schnecken ihre Schlägerbanden. Schluss mit dem schlechten Gewissen.

Il faut cultiver le jardin, lässt Voltaire seinen Candide sagen – ein armer Tor, der allen Katastrophen der damaligen Welt ausgesetzt war, vom Erdbeben in Lissabon bis Schiffbruch, irrend zwischen Krieg und Syphilis. Am Ende wird alles gut. Man muss, und das ist Candides Schlussseufzer, seinen Garten bestellen. Arbeiten, ohne zu philosophieren, ist das einzige, was hilft, das Leben erträglich zu machen. Nichts könnte doch heute aktueller sein, oder? Lasset uns die private Idylle pflegen, unter Bienen und Vögeln, in Sonne und Regen, in tiefstem Frieden, trotz Krieg und Wärmepumpe!

Doch halt: Voltaire hatte keine Ahnung von Gartenarbeit. Idylle? Nichts davon ist wahr. Es ist schließlich kein Zufall, dass der Mörder immer der Gärtner ist, wie Reinhard Mey einst das Krimiklischee benannte, auch wenn sich der Mörder schlussendlich als der Butler entpuppte. Gut, mir persönlich ist kein Krimi bekannt, in dem der gutwillige Rasen- und Heckenbezwinger den üblen Lord Molesworth-Houghton seiner gerechten Strafe zuführt. Doch die Mittel dazu hätte er allemal in der Hand.

In Wirklichkeit ist Gärtnern alles andere als eine friedliche Tätigkeit, der Garten ist vielmehr der perfekte Platz für die täglich drängender werdende Triebabfuhr. Man darf hier fast alles, was in einer städtischen Fußgängerzone womöglich stören könnte: Schneiden und hacken. Vergiften und vernichten. Hämmern und sicheln. Brandroden und abfackeln. Und Krach machen, mit dem Rasenmäher oder der Motorsäge. Und, ganz ehrlich: Hier kann man ausrotten, was man als schädlich empfindet, egal, was die Ökobiobibel sagt.

Ein wahres Mörderarsenal!

Das woke Ökobio funktioniert nämlich nur selten. Wer anstelle des verfemten Glyphosat auf „Bio“-Pflanzenschutz setzt, weiß nicht, wie sich Pflanzen völlig naturgemäß gegen Fressfeinde wehren: mit überaus wirkungsvollem Gift. Überhaupt: „Naturbelassen“ kann man so einen Garten bald vergessen, das halten Tomaten und Gurken nicht aus. Aber wer weiß das schon, der sein Biogemüse im Bioladen kauft, der selbiges aus China importiert, wo gar nicht immer bio ist, was sich bio nennt.

Und doch: Gärtnern tut gut. Es befriedigt archaische Triebe, die der Mensch nun einmal in sich trägt, egal, wie fromm er sich fühlt. Er möchte Ordnung und Übersicht, Freiheit von der Konkurrenz um Nahrung, zäunt sein Terrain gegen den Mundräuber ab und verfolgt hemmungslos die tierischen Fresser, auch wenn das harmlos als „Vergrämen“ daherkommt.

Leimruten auslegen geht ja noch, oder Vogelscheuchen, die tun, was der Name sagt. Doch der Krieg gegen die ungezähmte Natur geht auch robuster. Wer gegen Ameisen, Blatt- und Schildläuse oder Pilzbefall kein Gift einsetzt, hat eh verloren. In den Weinbergen marschierte früher der Feldschutz umher und schoss mit Böllern auf nach Trauben gierende Stare. Heute erledigen das Selbstschussanlagen. Überhaupt: Im Gartenmarkt gibt es die raffiniertesten Maschinen, mit denen das umzäunte Terrain sauber gehalten werden soll. Gegen Wühlmäuse und Maulwürfe werden neben Gift auch Schlagfallen, Lärmerzeuger, Erdbebensimulationen und Apparate für Stromstöße angeboten. Ein wahres Mörderarsenal!

So bitter es ist: Aus eigener Erfahrung als Tierromantiker kann ich bezeugen, dass Lebendfallen bei Mäusen überhaupt nichts nützen. Es hilft nur – genau: das Totschlagargument.

Der Gärtner ist also der Mörder. Oder gar ein Nazi, der es mit Blut und Boden hat? Ach was. Nicht erst seit dem Urteil gegen die Leipziger Hammerbande um Lina Engel wissen wir es besser: Wer seine Wut im Garten auslebt, übt womöglich nur den prinzipiell achtenswerten Kampf gegen rechts. Nazis seien zwar nicht vogelfrei, meinte der für das eher milde Urteil zuständige Richter. Doch man müsse der Schlägertruppe ein „achtenswertes Motiv“ unterstellen.

Fühlen Sie sich also frei, wenn Sie hacken und jäten und morden und sengen! Blattläuse könnten verkappte Nazis sein und Schnecken ihre Schlägerbanden. Schluss mit dem schlechten Gewissen.

Wie hieß es einst: Macht kaputt, was euch kaputt macht!

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin, wohnt im hessischen Vogelsberg und in Südfrankreich. Ihr bislang letztes Sachbuch heißt „Lob des Normalen“ (2021). Aktuell ist von ihr der Roman „Über alle Gräben hinweg“ erschienen.

Foto: Pixabay

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Ellen Vincent / 15.06.2023

@Thomas Szabó / “Der Richter meinte, man müsse der Schlägertruppe ein „achtenswertes Motiv“ unterstellen. Und Hitler wollte die Welt retten. Achtenswert genug Euer Ehren?”—- Top Kommentar!!

Dieter Grimm / 15.06.2023

Ich bin alt, weiß und Konservativ. Ich werde wohl oder übel bei der nächsten LT-Wahl in Thüringen die AfD wählen. Es liegt in unserem Heimatland einfach so vieles im Argen das man es endlich wieder zurecht rücken muss. Wir haben einen ca. 3000 qm großen Garten mit Beeten,Obsgehölzen, Steingarten usw. Ich lasse jedes Jahr für die ” tierische Bevölkerung” unseres Gartens ca.100 -150 qm Wiese ungemäht. Hummeln, Bienen,Schmetterlinge,Echsen,Blindschleichen und sonstige Gekrieche und Geflattere. Wir haben jede Menge Brutkästen aller Art, Ich habe eine knorrenharten Baumstamm mit hundert Löchern für Wildbienen verbohrt, eine wilde Sandsteinmauer für Echsen gebaut, 3 Vogeltränken werden täglich mit Frischwasser aufgefüllt, und, und…..Meine Frage hier an die Leser, bin ich ein Grüner? Oder ein Nazi ? Oder ein Grüner Nazi ?

Gerhard Schmidt / 15.06.2023

Der im Artikel zitierte und hochsensible Reinhard Mey nannte seine Nachbarn, die es wagten, außerhalb seiner Ruhezeiten zu arbeiten, auch gerne “Garten-Nazis” - Man sollte den nicht zu ernst nehmen…

Karsten Dörre / 15.06.2023

Insekten, Maden usw. werden nur noch getötet, um im Notfall gegessen zu werden. Getreide wird vor der Ernte betäubt, damit es nichts merkt, wenn es an den Schienbeinen abgeschnitten wird. Schützt die Natur! Rettet Tiere vor Orcas, Haien, Löwen…

Heiko Stadler / 15.06.2023

Von den Pflanzen im Garten kann man viel fürs Leben lernen: Vor etwa zehn Jahren pflanzte ich in meinem Garten eine Vielzahl von Blumen und Ziersträuchern. Er war eine blühende Landschaft aus Krokussen, Narzissen, Hyazinten und Nieswurzen im Frühjahr. Später blühten noch Tulpen, Ackelei, Flieder und Obstbäume. Irgend wann kam noch grünes Unkraut hinzu. Es ging aber in der Blütenpracht unter, weshalb ich es auch nicht weiter beachtete. Vor einigen Tagen knöpfte ich mir das grüne Unkraut vor, das sich inzwischen großflächig ausgebreitet hatte. In meiner Naivität glaubte ich, in einer Stunde könnte ich die bunter Vielfalt wieder herstellen. Wie hatte ich mich doch getäuscht! Das lästige Grün hatte unterirdisch ein dichtes Geflecht aus hartnäckigen Wurzeln gebildet, das sich nur mit großen Aufwand entfernen lässt. Ein unschöner Nebeneffekt ist, dass dabei auch Blumen zerstört werden. Hinzu kommt, dass in der Zeit, in der man einen Unkrauttrieb entfernt, mindestens zwei Triebe nachwachsen. Die Entfernung des grünen Unkrauts entwickelt sich mittlerweile zur Lebensaufgabe. Zu lange habe ich in der blühenden Landschaft geschlafen. Das grüne Unkraut hat alles überwuchert.

Jörg Themlitz / 15.06.2023

@Rudi Hoffmann: Richtig! Und bringen Sie oder wer auch immer den Spruch an “öffentliche Verkehrsmittel benutzen”. Wenn wieder mal jemand Ihren gut ausgeschilderten, privaten, selbst bezahlten Parkplatz zugestellt hat und Sie den mit dem Auto für eine Stunde blockieren. Was spricht der Richter? “Selbstjustiz” ist ganz, ganz böse.

Dr. Thomas Dörfler / 15.06.2023

Frau Stephan, bin der Mäuseplange Herr geworden durch Lebenfalle. Glauben Sie nicht? Seit geraumer Zeit nenn ich zwei Kater mein Eigentum. Seitdem nur noch tote Mäuse; sogar Ratten, Kröten, Singvögel (gibt es hier wie Sand am Meer) ein Mauswiesel und ein Maulwurf wurde schon mitgebracht. Natur eben! Ansonsten gilt: Him-, Erd-, Brombeere und Felsnebirne benötigen keine BAYER-Unterstützung, nur Wasser. Äpfel, Pfirsische und Pflaumen gehte ohne Chemie gar nicht. Im übrigen, hier aht ein Bauer ein super geschäftsmodell entwickelt. Er vermieten ein Ar an Städter. Die kommen dann mit Ihrem Volvo-Diesel voll mit Wasserkanistern zum Gießen. Pflanzen Möhren, Salat, Kohl und mehr. Das meißte vertrocknet, wird aufgefressen oder verwelkt. Am Ende hat eine Möhre den CO2-Fußabdruck eines Inlndflugs, aber Bio.  Die meißten schmeißen eh nach zwei Moanten hin und kommen nie wieder. Köstlich !

SHolder / 15.06.2023

Aber zumindest in unserem beschaulichen Dörfchen bekommt diese Freiheit erste Risse, seit die Kolone der “woken” Gesellschaft das Umland besiedelt. Haben zwar keinen Dunst von Gartenarbeit aber was alles, wann verboten ist - das rufen sie dir regelmäßig (aus gebührendem Abstand) über den Gartenzaun (feige sind sie dann doch).

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