Henryk M. Broder / 17.01.2021 / 14:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 48 / Seite ausdrucken

Die Rasse muss weg!

Die besten Pointen schreibt bekanntlich das Leben. Und die allerbesten kommen aus dem Umfeld des Berliner Senats. Es handelt sich dabei um fünf Frauen und sechs Männer unter der Führung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, der derzeit auch den Vorsitz im Bundesrat hat, der Länderkammer der deutschen Legislative.

Kurz bevor das letzte Jahr zu Ende ging, kommentierte Müller die wegen der Corona-Pandemie anstehenden Ladenschließungen nach Weihnachten mit den Worten: „Es gibt keinen Grund, sich wirklich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen“, das könne man „auch vorher machen“, was wiederum einen bekannten Bonner Verfassungsrechtler zu der Bemerkung veranlasste, Michael Müller zeige „patriarchalische Anwandlungen“. 

Immer für eine Pointe gut ist auch die Berliner Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Dilek Kalayci. Auf die Anfrage eines Reporters der BZ, warum in Berlin „Blumenläden schließen müssen, Buchläden aber geöffnet bleiben“, antwortete sie: „Wegen des Gebots zu Hause zu bleiben und Kontakte zu beschränken, können Bücher einen gewissen Ausgleich schaffen.“ Was Blumen offenbar nicht können. Außerdem werde „damit der Kontakt und somit die Gefährdung einer Ansteckung auf dem Weg zu den Verkaufsstellen unterbunden“, aber eben nur zu den „Verkaufsstellen“ für Blumen, nicht für Bücher. 

Eine Wohngemeinschaft in Kreuzberg

Ein verlässlicher Pointenlieferant ist auch der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt, ein promovierter Jurist, über den es mangels anderer Meriten bei Wikipedia heißt, er sei im Bezirk Reinickendorf aufgewachsen, bevor er in eine Wohngemeinschaft in Kreuzberg zog.

Vor Kurzem hat er sich dafür ausgesprochen, den Begriff „Rasse“ aus der Berliner Landesverfassung zu streichen. Das wäre „ein Signal, dass sich auch das Land Berlin klar gegen Rassismus wendet“. Klar, wo es keine Rasse gibt, läuft auch der Rassismus ins Leere.

Letzten Freitag gab die Pressestelle des Justizsenators das Erscheinen eines von der Europäischen Kommission gesponserten „Handbuchs“ zum Thema „Antisemitismus“ bekannt, in dem Berlin gleich „dreimal als Best-Practice-Beispiel genannt“ wurde, was man dahingehend verstehen konnte, dass Berlin in Sachen Antisemitismus die Nase vorne hat. Irgendwie. 

Eines der Best-Practice-Beispiele bezog sich auf die „Einrichtung der Antisemitismusbeauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2018“. Diese nutzte die Gelegenheit zu einer „Stellungnahme“ in eigener Sache.

„In den letzten Jahren ist es uns gelungen, ein weites Netzwerk mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu etablieren. Die daraus resultierenden Kooperationen ermöglichen uns einen vertrauensvollen Informations- und Erfahrungsaustauch sowie einen Perspektivwechsel und unterstützen uns bei unserem Ziel, antisemitische Straftaten konsequent und effektiv zu verfolgen.“

Netzwerken ist die hohe Schule der Bürokratie 

Die Antisemitismusbeauftragte bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin verlor kein Wort darüber, welche und wie viele antisemitische Straftaten „konsequent und effektiv“ verfolgt wurden, sie begnügte sich mit der Feststellung, es sei ihr gelungen, „ein weites Netzwerk mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu etablieren“. Bravo! Netzwerken ist die hohe Schule der Bürokratie. 

Der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, so der komplette Titel des Amtes von Dirk Behrend, gab seiner Freude darüber Ausdruck, „dass die vielfältigen Bemühungen des Landes Berlin im Kampf gegen Antisemitismus gesehen werden“ und stellte sogleich einen aktuellen Bezug her: „Wir dürfen aber nicht ruhen. Insbesondere die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben in den vergangenen Monaten eine Verschränkung mit antisemitischen Welterklärungsmodellen zutage gebracht.“ Hat es vor Corona in Berlin keine antisemitischen Welterklärungsmodelle gegeben oder waren sie dem Justizsenator nur nicht aufgefallen? 

Es gibt tatsächlich etwas, das Berlins „Kampf gegen Antisemitismus“ auszeichnet, einen unique selling point. Jedes Bundesland hat inzwischen einen Antisemitismus-Beauftragten, in Berlin sind es vier. Außer und neben der Antisemitismusbeauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft ist es der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Berlin und der „Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“.

Bald könnte es in jedem der 12 Stadtbezirke einen geben, damit der Kampf gegen Antisemitismus noch konsequenter und effektiver geführt werden kann.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

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Leserpost

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Peter Volgnandt / 17.01.2021

Der Begriff Rasse ist zunächst mal wertfrei und ist eine Antwort auf das Phänomen, dass sich viele Arten an unterschiedliche Umweltbedingungen unterschiedlich angepasst haben. Dunkle Pigmentierung auf Grund hoher Sonneneinstrahlung, kräftigerer Körperbau in kalten Klimazonen usw. Da ist überhaupt nichts wertendes dahinter, ist halt mal so. Manche “Rassen” erkranken an bestimmten Krankheiten häufiger als andere, oder vertragen Nahrungsmittel, Medikamente oder Alkohol schlechter als andere. Auch Männlein und Weiblein unterscheiden sich übrigens hier. Die Pharmaindustrie die bis jetzt ja nur Medikamte für alte weiße Männer entwickelt hat, die denkt bereits um und entwickelt jetzt auch Medikamente für relevante Bevölkerungsgruppen anderer “Rassen”.

Ralf Pöhling / 17.01.2021

Der “professionelle” Umgang mit dem Antisemitismus endet in er gleichen Sackgasse, wie der Umgang mit Corona oder besonders auch dem Klima. Ursache dafür ist der Parteienstaat und die aus seinem Wirken heraus entstehenden Arbeitsplätze. Es geht beim politischen Engagement gegen gesellschaftliche Probleme bestenfalls noch am Anfang wirklich darum, eine Lösung anzubieten. Ab dem Punkt, wo das Problem durch den Apparat institutionalisiert ist, geht es genau in die umgekehrte Richtung, denn die Lösung des Problems führt dann zum Verlust von extra dafür geschaffenen Arbeitsplätzen. Gerade beim Klima ist das wunderbar zu erkennen: Da wird seit Ewigkeiten ein stetig schlimmer werdender Popanz aufgebaut, damit durch diesen Popanz mehr und mehr Stellen geschaffen werden, die dann genau von denen besetzt werden, die diesen Popanz aufgebaut haben. Ab einem gewissen Punkt wird das System zum Selbstläufer und zum eigentlichen Grund für seine Existenz. Um das ursprüngliche Problem, wofür die Stellen mal geschaffen wurden, geht es nur noch in der Außendarstellung. Das Thema wird also dauerverwaltet und frisst sich dadurch erst recht gesellschaftlich fest. Und gerade beim Thema Antisemitismus ist das tödlich. Denn je mehr ich den Menschen ein Thema um die Ohren haue, desto schneller ist der Punkt erreicht, an dem die Menschen das Thema satt haben und sich der Blick darauf ins Gegenteil kehrt. Dieses Phänomen ist besonders beim Minderheitenschutz der gesellschaftlichen LGBTI Randgruppen zu erkennen, wo sich die in unseren Breitengraden durchaus mal vorhandene Toleranz durch die Institutionalisierung mehr und mehr in Intoleranz dreht. Noch schlimmer wird es, wenn der institutionalisierte Minderheitenschutz dann noch zur Durchsetzung ganz anderer politischer Ziele missbraucht wird. Dabei wird die eigentlich zu schützende Minderheit dann sprichwörtlich für fremde Zwecke verheizt. Man löst Probleme nur durch das Abstellen der Ursache und nicht dadurch, dass man sie dauerverwaltet.

Horst Jungsbluth / 17.01.2021

Die SED war vollkommen unfähig einen Staat zu führen, aber sie war fähig praktisch jedes Verbrechen auszuführen, was soviel bedeutet, dass man das, was dieser Senat, die Verwaltung und die Justiz in Berlin so treiben sehr ernst nehmen muss, da es nicht zum Lachen ist, es ist im Gegensatz brandgefährlich. Wie sagten viele DDR-Bürger zu Zeiten der Diktatur:” Dummheit ist gefährlich” und das stimmt leider.

sybille eden / 17.01.2021

Also ,ich finde es sollte in JEDEM Haus einen Antisemitismusbeauftragten geben ! In der “DDR” gab es ja auch die “Hausvertrauensleute”, und in der NS-Zeit die Blockwarte. Man könnte also auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. ( Satire ?)

giesemann gerhard / 17.01.2021

“Insbesondere die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben in den vergangenen Monaten eine Verschränkung mit antisemitischen Welterklärungsmodellen zutage gebracht”. Der Mann hat recht (Dirk Behrend) : Wenn uns jetzt die Semiten noch MERS*-Coronavirus im Rahmen der ganz normalen Invasion anschleppen, dann wird es dunkel. * middle east respiratory syndrome.

Wolfgang Nirada / 17.01.2021

Gleich vier gutbezahlte Antisemitismusbeauftragte im Bunteshauptstadtslum… Und trotzdem werden dort Juden von Arabern mit Gürteln verprügelt, angespuckt und wagen es mit Kippa nicht das Haus zu verlassen… Am Al Kotz Tag skandieren Linksgrüne und ihre muselmanischen Freundchen “Juden ins Gas”... Was müssen diese “Beauftragen” bloß für erbärmliche miese Versager sein… Typisch Berlin eben…

Franz Klar / 17.01.2021

“Bald könnte es in jedem der 12 Stadtbezirke einen geben, damit der Kampf gegen Antisemitismus noch konsequenter und effektiver geführt werden kann.” Da muß eine Leitungsebene her ! Als Leiter ( nicht Felix ! )  schlage ich den Autor vor . Wer , wenn nicht er ?

M. Hartwig / 17.01.2021

Es gibt auch noch einen Antisemitismusbeauftragten der Polizei Berlin. Der macht auch Netzwerkarbeit. Und die ist mit dem Attribut aktiv in der Aufgabenbeschreibung versehen.

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