Henryk M. Broder / 27.02.2019 / 16:00 / 27 / Seite ausdrucken

Die Nationale Front ist wieder da!

Gestern nachmittag wurde die Übertragung der Meisterschaft im Skifliegen der Damen, eine relativ neue und sehr aufregende Sportdisziplin, von einer Kurzausgabe der Tagesschau unterbrochen. Und einmal mehr fühlten sich ältere Zuschauer an die "aktuelle kamera" des DDR-Fernsehens erinnert. Gleich der erste Beitrag war keine Nachricht, sondern lupenreine Propaganda für ein "breites gesellschaftliches Bündnis". Angesichts der bevorstehenden Europa-Wahl habe die "Europäische Bewegung Deutschland - EBD" dazu aufgerufen, "proeuropäische Kräfte zu bündeln und sich für die Grundwerte der Europäischen Union stark zu machen". Dieser Ankündigung folgte die Erklärung, die EBD sei "ein Netzwerk, das nahezu alles vereint, das gesellschaftlich relevant ist, Arbeitgeber und Gewerkschaften sind ebenso dabei wie beispielsweise Verbraucherschützer".

Spätestens an dieser Stelle wäre der Hinweis angebracht gewesen, dass es so ein "breites gesellschaftliches Bündnis" in Deuschland schon einmal gegeben hat. Es hieß "Nationale Front der Deutschen Demokratischen Republik" und war ein "ein Zusammenschluss der  Parteien und Massenorganisationen in der DDR". Dazu gehörten alle fünf in der Volkskammer vertretenen "Parteien" der DDR, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, der Schriftstellerverband der DDR, die Liga für Völkerfreundschaft und weitere bedeutende Organisationen bis zum Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, der Vereinigung der Juristen der DDR und dem Verband der Jüdischen Gemeinden. Breiter konnte ein Bündnis kaum sein, wenn man einmal davon absieht, dass keine "Arbeitgeber" vertreten waren.

Dafür sind heuer die Verbraucherschützer dabei. Und so konzentrierte sich der Bericht auf die Vorteile, welche die EU den Verbrauchern gebracht hat. Die Roaming-Gebühren seien abgeschafft worden, fürs Online-Shoppimg gebe es ein 14tägiges Widerrufsrecht, bei Strom- und Telefonverträgen sei ein Anbieterwechsel möglich. "In vielen Bereichen hat die Europa-Politik Fortschritte für die Verbraucher erzielt, auch künftig sind viele Verbraucherfragen nur auf europäischer Ebene zu klären." Zum Beispiel, "wenn Sie sich ärgern, dass Sie ein Smartphone nicht mehr reparieren lassen können..., womöglich keine Ersatzteile für Haushaltsgeräte, die noch gar nicht so alt sind, bekommen, dann wäre Europa hier der richtige Hebel für Nachhaltigkeit und bessere Verbraucherrechte", sagt ein Mann vom "Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband", der seinen Rasierapparat zur Reparatur nach Brüssel geschickt hat. Über solche "alltagsnahen EU-Fragen" sollte jetzt "gestritten und diskutiert" werden, meint der oberste Verbraucherschützer. Und der Generalsekretär der Europäischen Bewegung Deutschland geht noch einen Schritt weiter: "Es muss der Streit her, es muss der Wahlkampf her, und dann wissen die Leute, dass es um etwas geht."

Sonst kriegen die Leute womöglich gar nicht mit, dass demnächst das Europäische Parlament gewählt wird. Und schauen lieber den Damen beim Fliegen zu, als sich das Gelaber der EU-Apparatschiks anzuhören.

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Leserpost

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Thomas S. Lutter / 27.02.2019

Ja, da wird schon viel Beton angerührt. Hoffentlich brüllt da mal keiner von denen nach Glasnost und Perestroika. Obwohl,...die müßten dann nach Klarsicht und Verstand brüllen. Fast glaubt man, man hätte diesen EU-Parlamentariern auch das Hirn auf Gurken-Niveau genormt. Manchmal tun Sie mir leid, Herr Broder. Sie Don Quijote der Neuzeit. Was tun, wenn die Windräder verrückt sind und nicht der Ritter? Dann beißt’s doch komplett aus.  

Arnd Siewert / 27.02.2019

Ideologie statt Sachverstand - passt gut zu Fasching aber die meinen dat ernst

Michael Jansen / 27.02.2019

Danke Herr Broder für den treffenden Kommentar. Ich habe die entsprechende Tagesschau-Meldung ebenfalls gesehen und hatte auch sofort die Assoziation mit der “Aktuellen Kamera”. Aber man darf natürlich nicht alles so negativ sehen! Die Nummer mit der “Nationalen Front” hätte doch gleich noch den Vorteil, dass sich die Wahlen enorm vereinfachen lassen. Da müssen nur die zugehörigen Parteien eine nach allen Gendergesichtspunkten optimal austarierte Einheitsliste vorlegen und der Wähler kann dann ganz einfach zwischen einem “ja” und “nein” entscheiden. Um die Wahl zu erleichtern und die Leute nicht auf dumme Gedanken zu bringen, würde es sich dazu noch empfehlen, dass das “Ja”-Feld etwas größer gemacht wird, damit niemand auf die Idee kommt, sich womöglich für falsche Alternativen zu entscheiden. Und schon haben alle Wahlen das für den Bürger ideale Ergebnis, er wird vor allen Unbilden des Lebens geschützt, vom Staat rundum betreut, die Welt wird gerettet und wir marschieren fähnchenschwenkend ins Paradies. Ist doch schön!

Peer Munk / 27.02.2019

Das ist jetzt also die neue Charme-Offensive der Brüssler Technokraten - “mit uns gibt es Roaming für euch, außerdem reparieren wir euren kaputten Rasierer”.

B.Kröger / 27.02.2019

Welcher Streit soll es denn sein? Die Europäische Bewegung Deutschland - EBD“ ruft dazu auf, „proeuropäische Kräfte zu bündeln und sich für die Grundwerte der Europäischen Union stark zu machen“.  Mit wem will dieses Bündnis denn da streiten? Sie sind sich doch alle einig und haben sich lieb.

Dirk Jungnickel / 27.02.2019

Was „Nationale Front der Deutschen Demokratischen Republik“ betrifft - man übersehe den schwachsinnigen Kampfbegriff ” Front” nicht - so wissen viele leider nicht, dass die Kandidaten der “Massenorganisationen ”  (FDGB, DFD etc.)  zumeist SED -  Kader , auf Parteidisziplin eingeschworen, waren, die aber als solche nicht auftauchten. Insofern wurde eine parteiliche Vielfalt vorgegaukelt,  die nicht vorhanden war. Hoffentlich wecke ich nicht schlafende Hunde bei der „Europäische Bewegung Deutschland - EBD“ !  Holzauge sei also wachsam.

Helmut Kaßner / 27.02.2019

Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Erich Honecker hatte Weitblick. Und wenn man meint in einer breiten Front kann es keinen Wettbewerb geben, dann bietet auch da der Sozialismus eine Lösung. Sozialistischer Wettbewerb heißt die Zauberformel die in der ehemaligen “DDR”  eine prosperierende Wirtschaft und Wohlstand gebracht hat. Die Altkommunisten der SED sind ja überall auf dem Vormarsch, da kann man sich informieren.

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