@ A.Gerdes: Sie haben insoweit recht, als es und egal sein sollte was ein Künstler, der ohnehin in einer anderen Welt lebt, politisch von sich gibt. Das sollte gleichermaßen gelten, ob man den Künstler mag oder nicht und ob man seine politische Meinung teilt oder ablehnt. Künstler haben eine Inselbegabung, aber daraus kann ich nicht schließen, dass sie über Alles bescheid wissen. Man muss selber nachdenken. Aber wenn tausende von Fans einem Aufruf zu einer (punktuellen) Diktatur im Tonfall eines Goebbels im Sportpalast jubelnd zustimmen statt betroffen zu schweigen oder durch Rufe ihre Ablehnung für totalitäres Gedankengut zu bekunden, dann muss man das kritisieren. Und wenn unser Außenminister einen Aufruf zu einer (punktuellen) Diktatur als Einsatz für die Freiheit bezeichnet, dann kann man das nicht unwidersprochen hinnehmen. Und wenn sich “Journalisten” zu totalitären Phantasien positiv äußern, dann müssen auch die Alarmglocken läuten. Insoweit ist Frau Schunke im Ergebnis voll zuzustimmen. P. S.: Ich habe auch Höcke schon mehrmals kritisiert und ich bin mir sicher, dass auch Frau Schunke schon negativ über Höcke geschrieben hat.
Generationen von Historikern, Politologen, Soziologen und sonstigen Gesellschaftswissenschaftlern haben sich gefragt, wie es sein konnte, dass sich z.B. zu Zeiten des Dritten Reichs (aber auch z.B. in der DDR) das Gros der “Künstler” (samt Medien, by the way) derart vorbehaltslos auf Seiten der herrschenden Meinung stellen konnte - voila, schaut und lernt, denn wir alle sind aktuell “live dabei”...
Sehr geehrte Frau Schunke, ist es nicht bemerkenswert, dass genau alle die klatschen über Grönemeyers Diktatur-Phantasien, die uns gerade noch erzählt haben, dass wir unser Zusammenleben in Zukunft täglich neu aushandeln müssen? Nicht einmal von Aushandeln wollen unsere Medien und Politik noch etwas wissen. Heute sind wir bereits beim diktieren, was auch noch auf maximale Zustimmung trifft. Es gibt Dinge, die brennen sich ins kollektive Gedächtnis. Dazu gehörte schon immer, wer am lautesten gejubelt und geklatscht hat. Das vergisst man nicht.
Herrn Grönemeyers lautstarke Äußerungen haben mich gleich an die Sportpalastrede erinnert, noch bevor ich ein entsprechend angepaßtes satirisches Video sah. Die Einstellung selbst ist mir bekannt, mein Staatbürgerkundelehrer sagte wörtlich: “Wir werden die Menschen zu ihrem Glück zwingen.”
Das wirklich erschreckende an diesem Vorfall ist eigentlich, wie egal das fast allen ist. Sie sehen das Problem nicht. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht, wenn die Nachbarn abgeholt werden in Nacht- und Nebelaktionen. “Irgendwas werden die schon gemacht haben.” Dann werden die “Herbis” halt bestimmen, wie so eine Gesellschaft auszusehen hat. Wohnt der nicht in London? Sadiq Kahns’ Europamesserhauptstadt Nummer Eins? Wohlan, dann wissen wir ja, wie so eine Gesellschaft auszusehen hat.
Vor der Machtergreifung haben sich auch alle Deutschen angeblich befunden in politischen Blöcken gestritten, hinterher waren sie sich im Brüllen fast alle einig. Wer heute bei den Linken Brüllen übt könnte morgen also gleichgeschaltet bei seinem einstigen Feind “geläutert und in Eintracht” weiterbrüllen. Auf laterale latrinierte Dazugehörigkeitsbekundungen würde ich da nichts geben. Wendehals ist in Deutschland Programm.
Das einzige was hier “Zeichen setzten” könnte, wäre die Abstimmung mit dem Portemonnaie. Also die Tonträger und Konzertkarten dieser Künstler meiden und die Kwalitätspresseerzeugnisse am Kiosk liegen lassen. Natürlich müssten sich die Agenturen auch mal überlegen, inwelchen Medien sie Anzeigen schalten und wen sie damit nicht mehr erreichen. Es wird aber alles so weitergehn, denn, sorry, der Herde ist das alles schnurzegal. Mir geht´s gut und Mutti macht das schon. Die Autobosse haben es doch gerade vorgemacht und sich mit der Ranschleimerei an ihre linksgrünen Kritiker selbst ins Knie geschossen. Greta kauft kein Auto mehr und ich auch nicht. Fährt doch noch, die Karre…
Frau Schunke, Sie meinen Sympathie, nicht Moral. Der Begriff Moral will grundsätzlich etwas Allgemeingültiges zum Ausdruck bringen. Moralische Anschauungen beziehen ihre Ideen immer auf eine überindividuelle Situation. Selbst wenn man sagt “Jeder soll tun, lassen, denken und sagen können, was er will”, so ist mit dem “Jeder” eine Allgemeinheit entstanden, auch wenn die Regel die Regellosigkeit sein soll. Oder umgekehrt: Hat jemand den Anspruch “Nur ich darf tun, lassen, denken und sagen, was ich will”, so lautet die Verallgemeinerung, dass alle anderen es nicht tun dürfen. Deshalb ist die explizite Anwendung von Moral immer eine Vereinnahmung von Allgemeinheit. Wer sein Handeln offen mit moralischen Werten begründet, möchte Zustimmung gerade auch beim politischen Gegner erzwingen. Der Erfolg der 68er, respektive der Grünen, liegt gerade nicht im Gegensatz zu den konservativen Anteilen in der Bevölkerung begründet, sondern in der Übereinstimmung. Moral verbindet alle politischen Lager einer Gesellschaft. Alle auch noch so verfeindeten Gegner müssen ihre Argumente auf der Basis genau jener Moral aufbauen. Der Aufstieg der Grünen ist hauptsächlich der Aufstieg einer allgemein aktzeptierten Moral. Grüne Politik lebt bis heute vom Vorwurf der moralischen Regelverletzung. Diese Moral heißt Menschlichkeit. Eine Vorstellung die alles andere dominieren kann. Unteraspekte der Moral wie bürgerliche Tugenden, also, Leistungsbereitschaft, Pflichtbewußtsein, Ordnung, werden seit Jahrzehnten mit einem Musterbeispiel der Unmenschlichkeit widerlegt. Jedem Versuch von konservativer Seite aus, auf den allgemeinen moralischen Wert dieser Tugenden zu setzen, wurde von den Grünen mit der Beziehung dieser Tugenden zur maximalen Unmenschlichkeit Kontra gegeben. Die westliche Vorstellung der Humanität ist als politisches Instrument deshalb so überzeugend, gerade weil es maximal umfassend ist, weil niemand ernsthaft widersprechen möchte.
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