Die Heusgen-Blase

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz bestimmten Christoph Heusgen, António Guterres & Friends den Ton – in dem sie sich schon öfter vergriffen haben. Von Frieden über Klima, Ernährung und Gesundheit bis zur Energie.

Wer sich zufällig in den Livestream der Münchner Sicherheitskonferenz (Munich Security Conference, kurz: MSC) verirrt, erkennt nicht sofort, um welche Veranstaltung es sich handelt. Zu beliebig sind vor allem am ersten Tag die Redner und zu beliebig die behandelten Themen. Das liegt vermutlich in erster Linie an Christoph Heusgen, der seit 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz ist. Heusgen, ehemaliger außen- und sicherheitspolitischer Berater von Angela Merkel und früherer Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen, knüpft offensichtlich an seine alten Kontakte an (unvergessen ist sein hämisches Lachen während eines UN-Auftritts von Donald Trum als er vor der deutschen Energieabhängigkeit von Russland warnte). In München spricht auf der Hauptbühne direkt nach der Begrüßung durch Heusgen und Ministerpräsident Markus Söder niemand anderes als UN-Generalsekretär António Guterres, den Heusgen einen Mann nennt, der sein Leben dem Schutz der Weltordnung, des Planeten und der Menschheit gewidmet habe.

Die Nähe Heusgens zu Guterres ist nicht neu. Im vergangenen Jahr war Heusgen etwa durch seine Solidaritätsbekundung mit Guterres aufgefallen, nachdem dieser bei einer Sitzung des Weltsicherheitsrates in New York über den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober gesagt hatte: „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden“. Das palästinensische Volk sei seit 56 Jahren einer erdrückenden Besatzung ausgesetzt. Heusgen stimmte Guterres zu und bekräftigte in einem Interview im heute-Journal am 24. Oktober, man müsse wieder „zurückkehren zu einer diplomatischen Lösung, zur Zwei-Staaten-Lösung, die geltendes Recht ist, und da muss auch Israel mitmachen, das kann man sich derzeit nicht vorstellen, aber das ist der einzige Ausweg“. Auch wenn Heusgen später zurückruderte: Es war nicht sein einziger Ausrutscher

Nun also durfte Guterres die Richtung der Auftaktveranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeben, die vom 16. bis 18. Februar im Hotel Bayerischer Hof stattfand. Bei diesem „wichtigen internationalen Dialogforum seit 1963“ debattieren jedes Jahr im Februar rund 500 Teilnehmer über „die wichtigsten Herausforderungen für die internationale Sicherheit“. Fernab der Bühne und der Kameras nutzen Diplomaten jedoch auch die Gelegenheit „für informelle und diskrete Gespräche, um mögliche Lösungen für Konflikte auszuloten – auf Fluren, in Konferenzsälen oder an der Hotelbar“. Flankierend erscheint der „Munich Security Report“ in Schriftform. In der aktuellen Ausgabe wird vor allem die Problematik des „Nullsummendenkens“ hervorgehoben, also der Überzeugung, dass die Gewinne anderer zwangsläufig eigene Verluste bedeuten. Die Konferenz wird weitgehend von Sponsoren und Partnern finanziert. Dazu zählen etwa die Bill & Melinda Gates Foundation, die Rockefeller-Stiftung, der Atlantic Council, McKinsey, die Körber-Stiftung, die Stiftung Klimaneutralität, Bayer, Meta, Microsoft, SAP, Ernst & Young, Merck und das Mercator Institute for China Studies (kurz: Merics).

Statt Sicherheitsfragen ein Kessel Buntes

Es handelt sich bei der MSC ganz offensichtlich nicht nur um das sprichwörtliche „Speed-Dating der Diplomaten“, sondern auch um das Verhandeln von wirtschaftlichen Belangen, wobei die interessantesten Treffen vermutlich gerade nicht auf der Hauptbühne stattfinden. Die insgesamt 60. Ausgabe der Konferenz stand unter dem Motto „Lose-Lose?“, und in einem kurzen Imagefilm zum Jubiläum sind nicht nur zum Beispiel Bombentrümmer, Überschwemmungen und António Guterres zu sehen, sondern es werden weitere rhetorische Fragen gestellt wie: „Muss es Verlierer geben, damit es Gewinner gibt?“ Oder: „Wie können wir eine Zukunft des kollektiven Erfolges schmieden?“ In der Bundespressekonferenz am 12. Februar hatte Heusgen bereits darauf hingewiesen, dass es derzeit so viele Krisen gebe wie nie zuvor in den letzten 60 Jahren. Neben den klassischen Themen wie die europäische Verteidigung und die Rolle der NATO stünden diesmal im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffs auch Themen wie sexuelle Gewalt, Klima, Ernährung, Gesundheit und Energie auf der Agenda. Natürlich spiele aber auch der Krieg in Gaza eine Rolle und die „laut internationalem Gerichtshof bestehende Gefahr eines Genozids“.

Doch Heusgen sprach auch von einem „Silberstreif am Horizont“ – eine Formulierung, die er einer Neujahrskarte von George Soros entnommen habe – und von der Möglichkeit, Frieden durch Dialog zu erreichen. Um ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, war eigens ein Streichquartett des West-Eastern Divan Orchestra für die Eröffnung engagiert worden. Dieses Orchester wurde u.a. von Daniel Barenboim im Jahr 1999 gegründet und besteht zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern. Barenboim sei, so Heusgen, der einzige Mensch auf der Welt, der sowohl die israelische als auch die palästinensische Staatsbürgerschaft innehabe. Neben Barenboims Sohn Michael wirkte je ein Musiker aus Israel, Palästina und Algerien/Tunesien mit. Vier junge Männer also. Offenbar war auch den Veranstaltern aufgefallen, dass diese Besetzung nicht gerade vorbildlich paritätisch ist für die „diverseste Konferenz, die wir je hatten“ (O-Ton Heusgen), und so wurde wenigstens das Stück einer Komponistin ausgewählt, nämlich ein Adagio von Fanny Hensel-Mendelssohn. Die Simultanübersetzerin des Livestreams des MCR-Medienpartners Bayerischer Rundfunk taufte sie kurzerhand in „Fanny Hase-Mendelssohn“ um. Auch schön. 

Guterres wies dann darauf hin, dass die Weltordnung im Moment für niemanden so recht funktioniere und selbst der Kalte Krieg weniger gefährlich gewesen sei als die Gegenwart mit ihren existenziellen Herausforderungen wie etwa der Klimakrise, die bei der Gründung der Vereinten Nationen nicht habe vorhergesehen werden können. Ohne starke internationale Organisationen werde es zu Chaos kommen. Außerdem sprach er sich abermals für eine Zwei-Staaten-Lösung aus und auch für einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine. Es folgten weitere Schlagworte wie Desinformation, Nachhaltigkeit, Entwicklungshilfe, globale Finanzarchitektur und Werbung für den UN-Zukunftsgipfel im September. Überschattet wurde die Eröffnung der Konferenz durch die Nachricht des plötzlichen Tods von Alexej Nawalny, dessen Frau Julija Nawalnaja in München anwesend war und in einer Ansprache die Weltgemeinschaft zum Kampf gegen das russische Regime aufrief. 

Der „globale Süden“ meldet Ansprüche an

In der ersten Podiumsdiskussion auf der Hauptbühne mit dem Titel „Den Kuchen vermehren: Eine globale Ordnung, die für alle funktioniert“ („Growing the Pie: A Global Order That Works for Everyone“) behauptetet der kolumbianische Präsident Gustavo Petro Urrego, dass die Marktwirtschaft nicht zu Wohlstand, sondern ins Verderben führe. Auch Nana Akufo-Addo, Präsident von Ghana, forderte, dass der Kuchen gerechter verteilt werden müsse, damit nicht ein Teil der Welt privilegiert sei und der andere Teil der Welt leide. Bei dem reichen Teil der Weltbevölkerung müsse ein Umdenken stattfinden. Und Mia Mottley, Premierministerin von Barbados, stimmte mit Guterres dahingehend überein, dass die wichtigsten Themen besser kommuniziert werden müssten, damit sie jeder verstehen könne. 

Mottley ist übrigens nicht nur Organisatorin der „Bridgetown-Initiative“, die von Geberländern, Investoren, IWF und Weltbank einen neuen globalen Klimafonds fordert, sondern sie wurde für ihren Kampf gegen den Klimawandel und dessen sicherheitspolitischen Auswirkungen auch mit dem diesjährigen Ewald-von-Kleist-Preis der Münchner Sicherheitskonferenz ausgezeichnet. Weiterer Preisträger ist John F. Kerry, Ex-US-Außenminister und Sonderbeauftragter für Klimaschutz von Präsident Joe Biden. Der Widerstandskämpfer Ewald-Heinrich von Kleist, nach dem der Preis benannt ist, war Initiator der „Wehrkundetagung“, wie die Münchner Sicherheitskonferenz anfänglich hieß. Zu den bisherigen Preisträgern zählen u.a. Angela Merkel, Henry Kissinger, Javier Solana, Joachim Gauck, Alexis Tsipras und Jens Stoltenberg.

Letzterer war in diesem Jahr Teilnehmer am Panel „In It to Win It: Die Zukunft der Ukraine und die transatlantische Sicherheit“. Stoltenberg würdigte die NATO als stärkste militärische Macht der Welt sowie die Tatsache, dass alle NATO-Verbündeten in den letzten Jahren ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben. Die Rüstungsproduktion müsse jedoch noch gesteigert werden. Der republikanische US-Senator Pete Ricketts wies darauf hin, dass die USA sich derzeit um ihre Südgrenze zu Mexiko kümmern müssten und Demokratie nun mal Zeit brauche. Aber am Ende werde Amerika das Richtige machen. Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, gab deutlich zu verstehen, dass der Aggressor Putin gestoppt werden müsse und sich die USA nicht zurückziehen dürften. Isolation sei keine Lösung, wie die Geschichte der 30er-Jahre gezeigt habe. US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die ausdrücklich auch im Namen von Präsident Biden sprach, versicherte hingegen, dass die USA ihre globale Führungsrolle auch in Zukunft weiterhin übernehmen und die NATO unterstützen würden.

Milliarden über Milliarden

Einer der Stargäste war selbstverständlich Wolodimir Selenskyj, der Putin ein „Monster“ nannte und mehr Unterstützung vor allem bei den Luftverteidigungssystemen forderte. Sonst werde Russland auch noch das Baltikum zerstören. Die Bevölkerung Europas sei psychologisch noch nicht auf Krieg vorbereitet. Die Ukraine habe Erfahrung damit. Erklärtes Ziel der Ukraine sei der NATO-Beitritt. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte in seiner Rede, dass Deutschland in diesem Jahr das NATO-Ziel erfülle, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren, und dass daran bis in die 2030er Jahre hinein keine Abstriche gemacht würden. Die EU habe mehr als vier Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, eine Million davon allein in Deutschland. 

Schon jetzt belaufe sich die von Deutschland bereits geleistete und geplante militärische Unterstützung auf gut 28 Milliarden Euro. Für 2024 sie die Militärhilfe auf mehr als sieben Milliarden Euro nahezu verdoppelt worden, und Zusagen für die kommenden Jahre in Höhe von sechs Milliarden Euro kämen hinzu. Die Vereinigten Staaten hätten der Ukraine seit Kriegsbeginn etwas mehr als 20 Milliarden Dollar an militärischer Hilfe pro Jahr geleistet – bei einem Bruttoinlandsprodukt von 28 Billionen Dollar. Und Scholz insistierte: „Eine vergleichbare Anstrengung muss doch das Mindeste sein, was auch jedes europäische Land unternimmt. Denn schließlich reden wir über die größte Sicherheitsbedrohung auf unserem Kontinent, über einen Krieg hier, in Europa, auch wenn dieser Krieg globale Folgen hat.“

Scholz fügte hinzu: „Wir in Deutschland haben ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr in unserer Verfassung verankert. Davon sind inzwischen rund 80 Prozent vertraglich gebunden. Verteidigungsminister Pistorius und ich haben entschieden, eine deutsche Kampfbrigade dauerhaft an der Ostflanke der NATO, in Litauen, zu stationieren.“ Pistorius wies in seiner eigenen Rede darauf hin, dass das 2-Prozent-Ziel lediglich eine Unterschwelle sei und in den kommenden Jahren möglicherweise höhere Beträge nötig seien. Der Versuch, nach dem Kalten Krieg gemeinsam mit Russland eine umfassende gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur aufzubauen, sei gescheitert an der Strategie des Kremls, seine Vorherrschaft in Ost- und Mitteleuropa wiederherzustellen. 

EU will Rüstungsproduktion vorantreiben

Die Zukunft der Ukraine liege in der NATO und in der EU. Auf Jahrzehnte hinaus werde es Trennlinien in Europa geben zwischen dem freien und demokratischen Europa auf der einen und dem autoritären und kriegslüsternen Russland auf der anderen Seite. Europa sie dankbar für den amerikanischen Sicherheitsschirm der letzten fünfundsiebzig Jahre. Beide Seiten des Atlantiks hätten immer von dieser engen Partnerschaft profitiert, und sie sei nach wie vor von zentraler Bedeutung. Allerdings müsse Europa seinen Beitrag zur transatlantischen Lastenteilung erhöhen, da sich Amerikas Ressourcen und Aufmerksamkeit zunehmend auf den Indopazifik verlagern würden. Und zwar unabhängig davon, wer im Weißen Haus am Ruder sei. 

Zu außereuropäischen Partnerschaften merkte Pistorius an: „Wir wollen verlässliche Partner für unsere Freunde im Ausland sein. Auch bei der Rüstungskooperation. Wir wollen nicht, dass in Deutschland produzierte Waffen in die falschen Hände geraten. Das ist ganz klar. Gleichzeitig können wir von den Ländern des Südens nicht erwarten, dass sie sich selbst und die regelbasierte internationale Ordnung verteidigen, wenn wir ihnen die notwendige Ausrüstung verweigern! Wenn wir uns weigern, mit bestimmten afrikanischen Staaten zusammenzuarbeiten, weil sie unseren Standards, unseren Werten nicht in vollem Umfang entsprechen, dann wird Russland eingreifen. Meist nicht zum Wohle des Landes oder der Stabilität der Region. Was haben wir dann gewonnen? Nicht viel, um ehrlich zu sein.“

Auch Ursula von der Leyen nahm zur Verteidigungsbereitschaft Europas Stellung und gab zu, dass die EU mehr bei der Rüstungsproduktion tun müsse. Daher werde sie in drei Wochen eine Rüstungsindustriestrategie vorlegen. Die EU müsse mehr ausgeben, die Mittel besser einsetzen, verlässliche Abnahmemengen garantieren und damit auch gute Arbeitsplätze in der EU erhalten. Alte Waffen könnten beispielsweise nicht nur in der Ukraine mit KI verbessert werden. Außerdem sicherte sie zu, dass eingefrorene russische Vermögenswerte der Ukraine zugute kämen. Falls sie Kommissionspräsidentin bleibe, würde sie darüber nachdenken, das Ressort eines EU-Verteidigungskommissars einzurichten. Das könnte auch ein gutes Portfolio für ein mitteleuropäisches Land sein.

BRICS-Staaten mischen sich ein

Im Panel „Ermüdung bekämpfen: Was immer für den Sieg der Ukraine nötig ist“ („Fighting Fatigue: Whatever It Takes for Ukraine’s Victory“) ging es u.a. um die Frage, wer die Kriegskosten übernimmt. Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck hob hervor, dass zwar keine Soldaten geschickt würden, doch die Ukraine so lange wie nötig unterstützt werde. Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Hinblick auf Gaza, dass die Freilassung der Geiseln entscheidend sei, aber auch eine humanitäre Feuerpause. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar mahnte indes, dass Israel die internationalen Menschenrechte beachten müsse. 

Indien sehe verschiedene Optionen für Allianzen, aber das sei kein Problem. BRICS sei zwar ein nicht-westliches, aber kein anti-westliches Bündnis. Der chinesische Außenminister Wang Yi behauptete, dass der Genozid an den Uiguren nur Fake News und Taiwan chinesisches Territorium sei. China bleibe immer ein verantwortungsvolles Land und werde für internationale Stabilität in einer turbulenten Welt sorgen. Für Gaza forderte er einen Waffenstillstand und eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem unabhängigen palästinensischen Staat. Vermutlich versuchte er damit, sich den arabischen Geschäftspartnern anzudienen. 

Am Samstagabend wurde dann Isaac Herzog, dem Staatspräsidenten Israels, eine halbe Stunde Raum gegeben. Herzog hatte sich zuvor mit Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al Thani, dem Premierminister Katars getroffen, um über die Freilassung israelischer Geiseln aus den Händen der Hamas zu beraten. Auch im Publikum befanden sich einige Familien von Geiseln, die immer noch verschleppt sind, und hielten Fotos ihrer Angehörigen hoch. Herzog wies darauf hin, dass sich unter den Geiseln auch Babys, Friedensaktivisten und Holocaust-Überlebende befinden. Zwar seien mittlerweile Länder wie Ägypten, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko, Bahrain und zuletzt Saudi-Arabien auf Israel zugekommen, doch solange Iran zu keiner Normalisierung der Beziehung zu Israel bereit sei, werde auch der Terror nicht aufhören, der die Möglichkeit des Friedens in der Region unterminiere. Und so lange sei auch an eine Zwei-Staaten-Lösung nicht zu denken. 

Wie soll sich Israel verteidigen dürfen?

Die Welt müsse endlich aufwachen und den Terror, der von Iran und der Ideologie des extremistischen Islam mit seinen weltweiten Terrorzellen ausgehe, nicht länger ignorieren. Prinzipiell glaube er an den Dialog mit islamischen Ländern, doch das Ziel dieser Ideologie sei es, Israel von der Landkarte zu radieren, sodass Israel sein Recht auf Selbstverteidigung ausüben müsse. Israel sei durch den ständigen Terror traumatisiert und sehe sich mit einer Kriegsmaschinerie konfrontiert, die aus weltweiten Steuergeldern finanziert sei. Israel warne die Bevölkerung von Gaza mit SMS usw. vor Angriffen, richte Sicherheitszonen ein und setze sich für humanitäre Hilfe ein. Er wünsche sich eine bessere Zukunft sowohl für Israelis wie auch für Palästinenser, beteuerte Herzog.

In einer weiteren Podiumsdiskussion wurde das Thema „Peace in Pieces: The Future of Israeli-Palestinian Relations“ vertieft. Außerdem gab es parallel zum Programm auf der Hauptbühne zahlreiche Panels etwa zu den Krisenherden im Indopazifik, Haiti, Sudan, Sahel und dem Roten Meer. Neben anderen sprachen Ricarda Lang zum Thema EU-Partnerschaften auf Augenhöhe und Jennifer Lee Morgan zum Thema „Klima-Diplomatie“. Die Podiumsdiskussion „Prioritäten abstecken: Die nächste geopolitische Agenda der EU“ („Pinning Down Priorities: The EU’s Next Geopolitical Agenda“) am Sonntagvormittag leitete Josep Borrell Fontelles, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, ein. 

Borrell bekräftigte, dass die EU die Ukraine mehr und schneller unterstützen müsse. Er gehe von einem noch langen Krieg aus. Außerdem wies er auf „die Gewalt gegen Palästinenser“ im Westjordanland hin. Europa müsse geeinter auftreten, damit die Zwei-Staaten-Lösung Realität werden könne. Dabei müssten auch Initiativen arabischer Staaten berücksichtigt werden. Ohne eine Zwei-Staaten-Lösung werde es keinen Frieden im Nahen Osten geben. Eindringlich appellierte er an Israel, keine militärische Operation im dicht besiedelten Rafah durchzuführen. Die Hamas könne nicht zerstört werden, da sie eine Idee sei und man Ideen nicht vernichten könne. Seine seltsame Sichtweise auf den Nahostkonflikt hatte Borrell kürzlich schon einmal unter Beweis gestellt. Insgesamt müsse die EU-Kommission mehr Aufmerksamkeit auf die Rüstungsindustrie lenken. 

Wohlklingende Worte zum Abschluss

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, pflichtete Borrell bei, drängte aber auf mehr Tempo etwa im Taxonomiesystem der EU, um auch die Rüstungsindustrie in die Kategorie „nachhaltig“ einstufen zu können und Finanzierungswege zu sichern. Sie sprach sich ausdrücklich für die Einsetzung eines EU-Kommissars aus, der sich ausschließlich mit der Frage der Sicherheit auf EU-Ebene befasst. Damit griff sie den entsprechenden Vorschlag Ursula von der Leyens vom Vortag auf und empfahl sich möglicherweise gleich selbst für dieses Amt. Im nicht-öffentlichen Rahmenprogramm der Konferenz nahm Borrell übrigens an der Jahrestagung der MSC-Stiftung teil und hielt eine Eröffnungsrede beim jährlichen Mittagessen des Atlantic Council zum Weg der transatlantischen Gemeinschaft.

Mit leichter Verspätung und wohlklingenden Worten beendete Heusgen am Sonntagmittag die Veranstaltungen auf der Hauptbühne. Tatsächlich habe er während der Konferenz den Silberstreif, von dem er bei der Eröffnung gesprochen hatte, gefunden: Er sehe ihn in der Entschlossenheit. In der Entschlossenheit der Ukraine, aber auch der transatlantischen Gemeinschaft und der EU. Positiv sei etwa, dass Deutschland endlich bereit sei, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Getreu dem Motto „Friede durch Dialog“ könne die Lösung im Nahen Osten nur ein Waffenstillstand sein. Und insgesamt gehe es um globale Zusammenarbeit anhand der UN-Charta. Vermutlich nimmt auch der ein oder andere Konzernvertreter einen Silberstreif von der MSC mit nach Hause. 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: MSC/Kuhlmann CC BY 3.0 de via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wilhelm Rommel / 19.02.2024

@Fritz Kolb: “Warum erinnert mich der ehemalige Merkel-Knecht optisch an einen Versicherungsvertreter?” Weiss ich nicht, verehrter Mitforist! Mich erinnert er eher an den Staubsauger-Vertreter bei Loriot (Gott hab’ ihn selig): “Es saugt und bläst der Heinzelmann…”. Heisst konkret: Unsummen bei den Milliardärssozialisten mit Allmachtsgelüsten ansaugen und sie postwendend in die Hinterteile sorgsam ausgewählter Demokratieverhinderungs-Spezialisten dieser Welt blasen…

Wolfgang Richter / 19.02.2024

“Die Zukunft der Ukraine liege in der NATO und in der EU.” - Wie realitätsfern kann man sein? Vor allem nach dem westlichen “Boykott” des “Friedenspapiers” unter türkischer Vermittlung zwischen der Ukraine und Rußland von Anfang April 2022. Welcher Zweck mit dem Krieg tatsächlich verfolgt wird, zeigen die Äußerungen diverser us-amerikanischer Repräsentanten, die in etwa erklärten, daß es “genial sei, mittels Einsatz eines Stellvertreterkrieges den erklärten Gegner zu schädigen”. Vermutlich wird auch dort entschieden, wann die Schädigung Rußlands ausreichend erscheint. Bis dahin wird die Ukraine weiter ausbluten und zunehmend kleiner werden.

L. Luhmann / 19.02.2024

Apropos Kommunisten und Sozialisten an der Macht:  António Guterres ist beim WEF ein sog. “Agenda Contributor”!—- “António Manuel de Oliveira Guterres ist ein portugiesischer Politiker und seit dem 1. Januar 2017 der neunte Generalsekretär der Vereinten Nationen. Von 1992 bis 2002 war er Generalsekretär der Partido Socialista (PS), von 1995 bis 2002 Premierminister Portugals und von 1999 bis 2005 Präsident der Sozialistischen Internationale. Danach war Guterres von 2005 bis 2015 Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen.—- “World Economic Forum/ EY - Global: “Christoph Heusgen and EY senior professionals will discuss geostrategic perspectives and no-regret actions companies can take right now and in the future.”

Lutz Herrmann / 19.02.2024

Merkelberater. Das sagt doch alles.

Horst Oltmannssohn / 19.02.2024

@Ilona Grimm: Erstaunlich, was ein Menschenleben wert ist. Ein Gonzalo Lira ist weniger Wert als ein Nawalny, obwohl erster ein Amerikaner und letzter ein Russe war. Wegen drei toter amerikanischer Soldaten in Syrien fordern amerikanische „Hardliner“ einen Krieg gegen den Iran. Putin darf aber wegen 15,000 toter Russen nicht in die Ukraine einmarschieren … selbst wenn Selenskyj einen Großangriff auf den Donbass gestartet hätte.

Wolfgang Richter / 19.02.2024

“Schon jetzt belaufe sich die von Deutschland bereits geleistete und geplante militärische Unterstützung auf gut 28 Milliarden Euro.”—Irgendwo habe ich gelesen, daß Deutschland die Ukraine in den vergangenen 2 Kriegsjahren mit 41 Milliarden unterstützte -incl. der Zuwendungen über die EU- und für 2024 weitere 15 Milliarden vorgesehen seien.

Uta Buhr / 19.02.2024

Ausgerechnet Heusgen als Chef! Da kann man auch gleich den Bock zum Gärtner ernennen. War das nicht einer von Merkels besonders gepamperten Schoßhündchem? Da musste ja noch kurz vor ihrem offiziellen Rückzug ein Versorgungsposten für den Mann gefunden werden. Ohne Vitamin B läuft halt gar nixxx. Und auf Qualifikation kommt es immer weniger an.

Nate Green / 19.02.2024

Was man von dem Münchner circle jerk mitnehmen kann ist die Erkenntnis, dass der “Wertewesten” konsequent aus dem letzten Loch pfeift und dabei ist sich zu einem supranationalen Nachfolger Österreich-Ungarn zu entwickeln. Einem durch und durch maroden Gebilde, das man schon zu Lebzeiten als “Versuchsstation für den Weltuntergang” bezeichnet hat, und das mit fortschreitendem Verfall immer aggressiver nach aussen auftritt, bis es sich schliesslich in einen Krieg stürzt den es nicht gewinnen kann. Bis dahin faselt man von Zweistaatenlösungen (au ja bitte, ein Staat für die Juden und gleich daneben einen für dreckige Judenmörder, eine geniale Idee, wahrhaftig), schiebt jeder korrupten und demokratiefernen Bananenrepublik deren Häuptling auf der Matte steht Milliarden in den Hintern die man nicht hat, und weil das alles noch nicht genug ist schwadroniert man von der “grossen Transformation” und der “Klimarettung”, was beides in letzter Konsequenz zwar auf wirtschaftlichen Suizid hinausläuft, aber offenkundige Idiotie war seit jeher ein Zeichen maroder Systeme, die sich in beschleunigter Auflösung befanden. Schon allein deshalb, weil derlei Systeme dafür sorgen, dass Kritiker mundtot gemacht werden. Oh ja, die autoritären Tendenzen des Wertewestens, der zusehends versucht China in Sachen Überwachung und Zensur auf der Überholspur hinter sich zu lassen, gibt es ja auch noch. Medizinisch betrachtet krepiert der Westen gerade an Multiorganversagen. Oder in einfachen Worten: Es gibt derart viele (hausgemachte) Krisenherde, dass der Zusammenbruch des westlichen Schmarotzersystems mittlerweile sicher ist, offen ist nur noch die Frage wann genau dies eintrifft und welcher Anlass die Kettenreaktion in Gang setzen wird, die ihm den Garaus bereitet. Die Chancen stehen aber gut, dass dies innert weniger Jahre (5 - max 10) der Fall sein wird.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Martina Binnig, Gastautorin / 23.04.2024 / 06:00 / 62

Die EU-Konvolute des Grauens – und die Ahnungslosigkeit der Bürger

Die EU hat jetzt Gesetze zu Verbrennungsmotoren, Wohngebäuden und vieles mehr endgültig beschlossen. Ziemlich unbeeindruckt von fachlichen Einwänden und versteckt in unverdaulichen Gesetzes-Konvoluten. Wir haben für…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 25.03.2024 / 16:00 / 11

EU-Gipfel: Krieg und Kasse

Die Ukraine wird weiterhin unterstützt, die UNRWA trotz Verstrickung mit der Hamas weiter finanziert und Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina sollen aufgenommen werden. Am 21.…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 15.03.2024 / 06:00 / 30

EU fördert ihr genehme Journalisten

Die EU-Kommission mischt sich mit Hilfe von Förderprogrammen derzeit bereits zum vierten Mal aktiv in den Journalismus ein. Schauen wir uns die deutschen Förderkandidaten einmal…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 12.03.2024 / 06:00 / 37

Vom Green-Deal zur EU-Rüstungswirtschaft?

Bislang hatten die EU-Staaten ihr Militär eigenständig mit Ausrüstung, Waffen und Munition versorgt. Jetzt will sich die EU um mehr "gemeinsame Beschaffung" kümmern. Für Beteiligte…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 27.02.2024 / 06:00 / 53

Unternehmer-Rebellion gegen die EU-Politik?

70 Unternehmer, die zusammen 7,8 Millionen Beschäftigte in Europa repräsentieren, fordern in der Antwerpen-Deklaration eine industriefreundlichere EU-Politik. Es läuft nicht mehr ganz rund für Ursula…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 26.02.2024 / 14:00 / 20

Niveau-Limbo im Bundestag

Die Debatten über den WHO-Pandemievertrag und über Meinungsfreiheit hinterlassen beim Bürger einen durchaus verstörenden Eindruck. Inhaltlich und in der Form war das eines Parlaments nicht würdig.…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 22.02.2024 / 06:00 / 66

Goodbye Bargeld? Scheindebatte um den digitalen Euro

Offenbar ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das digitale Zentralbankgeld in der EU eingeführt wird und damit die Möglichkeit totaler Kontrolle. Ein Bericht über…/ mehr

Martina Binnig, Gastautorin / 20.02.2024 / 06:15 / 41

Deutschland sitzt im Wirtschaftsloch –  EU gräbt weiter

Die EU gibt in ihrer Winterprognose zu: Die Wirtschaft schrumpft. Vor allem in Deutschland. Mit ihrem Green Deal, der mitverantwortlich für den Niedergang ist, will…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com