Es gibt in der Bundesrepublik keine Reichspressekammer und auch keine Zensurbehörde, aber irgendwo in diesem Land muss es ein „Ministerium für Wahrheit“ geben, das Empfehungen für den Umgang mit heiklen Themen gibt und auch konkrete Vorschläge macht, wie man Situationen beschreiben und interpretieren sollte. Aus diesem Ministerium kommt auch die Maßgabe, zwischen Amokläufern und Terroristen zu unterscheiden und so lange von einem Amoklauf zu sprechen, bis man bei dem Amokläufer einen Mitgliedsausweis des IS gefunden oder der IS ein Bekennervideo des Täters ins Netz gestellt hat. Dann ist der Amokläufer ein mutmaßlicher Terrorist, wobei man immer noch unterscheiden muss, ob er "auf Anweisung einer terroristischen Organisation" gehandelt hat oder nur von ihr "inspiriert" war. Wobei man immer noch prüfen muss, ob er als Junge in der Schule gemobbt wurde, was sowohl die Entwicklung zum Amokläufer wie zum Terroristen erklären könnte. Schauen Sie hier
Ja, sauberes Differenzieren ist die halbe Zwangsgebühr. So kommt es, dass die herbeigerufenen Experten nicht das Selbe, aber immer das Gleiche sagen. Deswegen rät Prof. Dr. Herfried Münkler zur „mürrischen Indifferenz“ gegenüber dem Terrorismus, während Thomas Baumann vom MDR "trotzige Gelassenheit" empfiehlt.
Beides, die mürrische Indifferenz wie die trotzige Gelassenheit, sind das Schmieröl der Wirklichkeitsverweigerung. Man kann es sich leisten, mürrisch indifferent oder trotzig gelassen zu sein, wenn man bei einem Ausflug von einem Gewitter überrascht wird. Oder in einer Schlange vor einem Schalter stehen muss. Nicht aber angesichts einer Bedrohung, die von der Politik durch das Ignorieren von Tatsachen verursacht wurde. Nicht auf einem Schiff, das auf einen Eisberg zusteuert, nicht in einem Bus, der bremsenlos auf einer Bergstrecke unterwegs ist und schon gar nicht in einem Flieger mit lauter blinden Passagieren Bord und einem Kapitän im Cockpit, der immer nur "Ich schaffe das!" ruft.
Mit der mürrischen Indifferenz und der trotzigen Gelassenheit ist spätestens dann Schuß, wenn ein Amokläufer bzw. ein Terrorist vor einem steht und eine Glock in der Hand hält, die man nicht an jeder Ecke bekommen kann. Nicht einmal Herfried Münkler oder Thomas Bauman wären dann indifferent und gelassen genug, um erst einmal zu fragen: "Was bist du denn für einer, ein Amokläufer oder ein Terrorist?" Sie würden um ihr Leben rennen, schneller als der Schall, über Bänke, Stühle und Tische, dem nächsten Polizeiauto entgegen, um den anrückenden Beamten den Rat zu geben: "Jungs, jetzt nur die Nerven nicht verlieren, klärt bitte als erstes, ob es sich um einen Amokläufer oder einen Terroristen handelt!"