Erik Lommatzsch, Gastautor / 30.05.2020 / 15:00 / Foto: Ptolusque / 39 / Seite ausdrucken

Die ARD-Büchertonne

Seit geraumer Zeit präsentiert Denis Scheck seine ARD-Sendung „Druckfrisch“. Er weist auf – seiner Meinung nach – lesenswerte ältere Werke hin, vor allem aber mittels Autoreninterview auf brandneue, eben „druckfrische“ Bücher. Und er zelebriert das ihn sichtlich bewegende Abarbeiten der aktuellen „Spiegel-Bestsellerliste“ mittels Mini-Kritik. In einer Sendung widmet er sich der Lektüre der zehn bestverkauften belletristischen Titel, für die folgende liest er dann zehn Sachbücher, immer im Wechsel. Zumindest sagt er, dass er sie gelesen hat.

Für einiges gibt es dickes Lob, diese Bücher werden nach der Besprechung gestapelt. Einiges überzeugt Buchrichter Scheck nicht, findet aber dennoch Gnade und wird mitgestapelt. Was von den „Bestsellern“ nicht in diese beiden Kategorien fällt, fliegt nach einem Verdikt schwungvoll in den Müll. Knall. Verbal vernichtet. Und physisch damit eigentlich auch. Knall.

Es gibt vielerlei Wege, Büchern zu begegnen, die einen – aus was für Gründen auch immer – nicht ansprechen, nicht interessieren oder ärgern. Etwa: Ignorieren, nicht kaufen. Sofern sie schon den Weg in den eigenen Haushalt gefunden haben: Nicht weiterlesen, weglegen, verschenken, verkaufen. Sich sachlich mit ihnen auseinandersetzen oder den Gedanken ventilieren, dass der eigene Geschmack, die eigenen Bedürfnisse, die eigenen Interessen und die eigenen Ansichten nicht immer die für alle maßgeblichen sein müssen. Ist es so schwer, damit zu leben, dass es Bücher gibt, die man selbst nicht goutiert, die aber fleißig gekauft werden (sonst wäre der Eintrag auf der „Bestsellerliste“ nicht zu erklären), dass man sie – knall – in die Tonne werfen muss? Ein Buch ist, unabhängig vom Inhalt, auch ein ästhetischer Gegenstand, dessen bewusste Zerstörung einige Zeitgenossen ein großes Maß an Überwindung kosten würde. Andere nicht. Knall.

Die Institution Literaturkritiker

Die letzte Sichtung der „Top Ten Belletristik“ erfolgte in der Ende April ausgestrahlten Sendung. Mülltonnenwürdigkeit wurde zwei Büchern zuerkannt. Knall. Knall. Zum einen handelte es sich um „Die Sonnenschwester“. Der witzige Herr Scheck meint, kurz vor dem Tonnenwurf, knall, von den Problemen der Buchheldin zu lesen, sei „etwa so aufregend, wie einen Weltrekordversuch im Pfahlsitzen zu verfolgen.“ Knall. „Das Haus der Frauen“ bekommt den Vorwurf der „manipulativen Lesersympathielenkung“ mit auf den Weg in den Abgrund. Knall.

Gleich vier Bücher der „Top Ten Sachbuch“ gesellten sich am vergangenen Sonntag dazu. Knall. Knall. Knall. Knall. Rutger Bregmans „Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit“ gilt Scheck als „mentaler Kuschelrock“. Knall. Peter Hahnes „Seid ihr noch ganz bei Trost!“ sei „trostlose Stammtischsuada“, Herr Scheck ist nämlich ganz bei Trost, ergo: Knall. Bei „Imperium USA“ habe man es mit einem „kruden Sachbuch“ zu tun, welches „der selbsternannte Schweizer ‚Friedensforscher‘ Daniele Ganser“ verfasst habe. Warum Herr Scheck in der Textfassung (abrufbar hier) den Begriff Friedensforscher in Anführungszeichen setzt und die Frage, welche Institution beispielsweise Literaturkritiker ernennt, kann hier nicht geklärt werden. Das Wichtigste sieht und hört man ja im bewegten Bild: „Imperium USA“ – knall. Abermals knallt es dann bei einer autorisierten Biographie über den Schauspieler Jan Fedder. Dieser sei über der Lektüre des Buches verstorben, Herrn Scheck sei ob des „kitschigen und lahmen Anekdotenreigens“ lediglich sterbenselend geworden. Der Zuschauer ist dankbar, dass er dies nicht auch mittels Bild- und Tonmaterial beweist. Er belässt es beim Knall.

Niemand zwingt einem diese Bücher auf. Vielleicht hält der eine oder andere Zeitgenosse das eine oder andere Werk doch einer näheren Betrachtung für wert. Oder hat einfach Freude daran. Meinung, Kritik, Verriss, verbaler Streit – das sollte man den Büchern zumuten. Aber nicht die öffentliche Hinrichtung in der Mülltonne. Hat was mit Kultur zu tun.

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Leserpost

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alma Ruth / 30.05.2020

“... das sollte man den Büchern zumuten. Aber nicht die öffentliche Hinrichtung in der Mülltonne. Hat was mit Kultur zu tun.” Wenn ich so etwas lese, etwas inhaltlich ähnliches, auch wenn in der Form anders, stellt sich mir die Frage: Gibt es noch in D Kultur? Kultur, das diesen Namen verdient?—Wer Bücher danach liest, was er im Fernsehen hört, sieht, ist selber schuld. Es sei, er hört einen vom ähnlichen Kaliber wie Reich-Raniczki. lg alma Ruth

Mats Skinner / 30.05.2020

Mich stört eher die Polarisierung bei der Bewertung von Büchern, selbst schlechte Bücher haben das nicht verdient. Hr. Scheck (Künstlername, nach seinem Zuwendungsprinzip benannt) steht da ja nicht als Privatperson und urteilt mittels vermeintlicher Kompetenz den Inhalt, er ist Bestandteil einer Meinungsmaschinerie, die in der Redaktion beheimatet ist. Und wessen Geist dieser ÖR-Verein ist, lässt er doch viel zu offensichtlich heraushängen. Der Moderator ist also nur die Sprechpuppe einer stromlinienförmigen Mitläufer-Gruppe, die den richtigen Ton treffen wollen. Von Meinung kann man da eben nicht wirklich reden. Die zur Schau gestellte Sachkenntnis ist keine, wer von seinen Eltern keinen Respekt gegenüber der Leistung anderer Menschen gelernt hat, ist minderbemittelt. Bezeichnend, wie mit andersdenkenden/schreibenden umgegangen wird, da schreien sie doch so eindrucksvoll: „Erst kommt das Wort und dann die Tat“, hier zelebrieren sie es sichtbar und sie sehen es nicht mal. Ganz nebenbei, den Titel Büchertonne hat er nicht verdient, auch wenn er eine vergleichbare Körperform aufweist.

Dr. Mephisto von Rehmstack / 30.05.2020

Warum verbrennt er sie nicht gleich? Und da wird behauptet, unsere Intellektuellen hätten ihre Lektion gelernt. Was für ein Tiefflieger! Und da gibt es keinen Programmdirektor, der fragt: sag mal, hast Du noch alle Tassen im Schrank? Bücher in die Tonne, so symbolblind kann nur Deutschland sein.

Helge Grimme / 30.05.2020

Wer etwas nicht kann, fühlt sich oft dazu berufen, die Könner zu kritisieren. Oft zeigt die Art der Kritik den Wesenskern des Kritikers. Und welchen Kritikern eine Plattform eingeräumt wird, verdeutlicht nicht selten die Beschaffenheit einer Gesellschaft. Kurz gesagt: Armes Deutschland!

Stephan Bujnoch / 30.05.2020

Dem Denis Scheck müssten als kleine Leseratte die Bücherverbrennungen in der NS-Zeit geläufig sein, vielleicht durch die Schule, oder vielleicht hat er davon gelesen. Beides, das Verbrennen oder in den Müll werfen symbolisiert das Gleiche, nämlich “lesensunwertes Buch” und stellt gleichzeitig eine ziemliche Anmaßung gegenüber dem Autor dar. Aber solange man nicht rääääächts ist, ist alles erlaubt.

Werner Arning / 30.05.2020

In die Tonne statt verbrennen ist sicher CO2-sparend. Politisch also vollkommen korrekt. Bedeutet wohl : Wertlos. Vernichtungswürdig. Nicht lebenswert. Zu entsorgen. Da hat sich ein Autor Mühe gegeben. Vielleicht sein volles Engagement hereingesteckt. Und dann ab in die Mülltonne. So geschmacklos und unbarmherzig kann man wahrscheinlich nur in Deutschland sein.

Karla Kuhn / 30.05.2020

Volker Kleinophorst , einfach HERVORRAGEND ! Ich kenne den Typen nicht, weil ich seit Jahren kaum noch ÖR Sender schaue ! Werner Kieser, wahrscheinlich. NEID ist ein übler Geselle, der sogar zu DENUNZIATIONEN führen kann. Übrigens, war da nicht 33 die BÜCHERVERBRENNUNG ?? Im Mai 1933 wurde durch die von der DEUTSCHEN STUDENTENSCHAFT inszenierten “Aktion WIDER DEN UNDEUTSCHEN GEIST”  BÜCHER u. a. von Brecht , Tucholsky, Kästner u. a.  ÖFFENTLICH verbrannt. WAS für ein Charakter dieser Typ ist, zeigt doch diese öffentlich “Hinrichtung”, für mich ist es nur noch ein kleiner Schritt zur öffentlichen Verbrennung. UND DAS ALLES wird mit den ZWANGSBEBÜHREN finanziert. Pfui Teufel !

Hans-Jacob Heidenreich / 30.05.2020

Traurig an Herrn Scheck ist u.a. auch, dass er nur eine manipulierte “Bestsellerliste” abarbeitet. Der “Spiegel”, einst mit heute unvorstellbaren Titeln wie “Mekka Deutschland - Die Stille Islamisierung” (Ausgabe 13/2007) unterwegs, hat sich selbst 2016 dazu bekannt, unliebsame Bücher wahrheitswidrig daraus zu entfernen. Auslöser war damals Rolf-Peter Sieferles Buch “Finis Germania”, das der Büchersch(r)eck, wäre es nach 2017 erschienen, nicht einmal in die Mülltonne hätte werfen dürfen da es womöglich von Claus Relotius persönlich proaktiv wegzensiert worden wäre. Man kann also eher von einer “Wishful- Thinking-Liste” des einstigen “Sturmgeschützes der Demokratie” sprechen das nach dem Verlust von Rudolf Augstein zum Bollerwagen des Gesinnungsmiefs mutiert ist.

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