Ein Geburtstagsgeschenk für den Geschmähten 

Clemens von Metternich, exakt heute vor 250 Jahren in Koblenz geboren, dann aber im Dienste Österreichs tätig, hat es nie zu einem so richtig guten Ruf gebracht. Um das angeschlagene Image des Staatskanzlers in etwas freundlicheren Farben zu beleuchten, hat der Journalist Stefan Müller pünktlich zum Jubiläum ein Buch vorgelegt.

Unsäglich eitel war der Mann. Selbst nachdem er seine Stelle mit der schönen Amtsbezeichnung „Staatskanzler“ hatte räumen müssen und die Zahl der zu ihm stehenden Getreuen arg übersichtlich geworden war, konnte er, völlig ironiefrei, den Satz äußern: „Meinem Geist hat sich niemals der Irrtum genähert.“ Nach eigener Einschätzung redete er auf einer Konferenz schon mal „wie ein Gott“ und sinnierte über die Frage, warum es so sein „muß“ (!), dass er, „einzig unter so vielen Millionen Menschen verpflichtet“ sei, „zu denken, handeln, schreiben für die anderen, die es nicht können?“

Clemens von Metternich, exakt heute vor 250 Jahren in Koblenz geboren, dann aber im Dienste Österreichs tätig, hat es nie zu einem so richtig guten Ruf gebracht; kein Vergleich mit der ausufernden Verehrung, die etwa Bismarck zuteil wurde (vor allem, nachdem dieser nicht mehr regierte und noch viel mehr, nachdem er persönlich keine Ehrungen mehr entgegennehmen konnte). Dabei ist Metternichs welthistorischer Rang (um hier mal ganz große Worte zu verwenden) beträchtlich, auf die Gestaltung Europas wirkte er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mindestens so stark ein, wie der deutlich beliebtere „Eiserne Kanzler“ in der zweiten Hälfte.

Um das – nicht nur ob des gefestigten Selbstbewusstseins – angeschlagene Image des Staatskanzlers, um dessen Negativzeichnung sich so ziemlich jedes Unterrichtswerk Verdienste erworben hat, in etwas freundlicheren Farben zu beleuchten, hat der Journalist Stefan Müller pünktlich zum Jubiläum ein Buch vorgelegt. Es trägt den bescheidenen Titel „der kleine metternich“. Wohl weil es nur ein kleines Werk ist, ist der Titel konsequent klein geschrieben. 

Der Untertitel verrät dann allerdings, dass es sich um „Eine fürstliche Biografie“ handelt. Und falsche Bescheidenheit ist bei dem Buch nun wirklich nicht angebracht, man muss es ja mit dem Selbstlob nicht gleich so übertreiben wie der Protagonist. Das Buch ist tatsächlich schmal und leicht im besten Sinne. Und fluffig geschrieben und gestaltet. Ja, fluffig. Dezidiert nicht den Anspruch einer umfassenden wissenschaftlichen Biographie erhebend, aber auf fundierter Grundlage, wird auf reichlich 150 Seiten ein von deutlichen Sympathien für Mensch und Leistungen geprägtes Bild Metternichs gezeichnet. Kritikfrei ist es nicht, aber wohltuend historisch einordnend und – leider in unseren Tagen einer Hervorhebung wert – nicht moralisierend.

„Auflösendes, zersetzendes Prinzip“

Metternich ist für Müller ein „Luftikus mit Tiefgang“, der „kam, sah und paktierte“. Als Diplomat, als Verhandler war er ein Genie. Die „Revolutionäre redeten vom Blutvergießen, bis es passierte, während Metternich von Frieden redete, bis er Realität wurde.“ Ein „Hohepriester des Kompromisses“ sei er gewesen. Die von ihm geschaffene Friedensordnung, die mit den Ergebnissen des Wiener Kongresses von 1814/15 etabliert wurde und über Jahrzehnte in Europa für Stabilität gesorgt hat, wird als große Leistung herausgestellt. Schattenseiten waren Zensurmaßnahmen und Freiheitsbeschränkungen, wobei deren Dimension mitunter Legende ist. Sehr schön ist in diesem Zusammenhang auch der Verweis Müllers auf den vielfach zu konstatierenden vorauseilenden Gehorsam (also zur Zeit Metternichs).

Monarchie, Legitimität und Gleichgewicht waren die Sache von Metternich, Revolution und nationale Bestrebungen störten die von ihm favorisierte Ordnung und das Bestehende. Vorgestellt wird er in einem Kapitel des Buches mittels „Interview“ – die Fragen hat sich Müller ausgedacht, bei den Antworten handelt es sich um Zitate. Unter anderem betonte Metternich: „Ich hasse den Krieg und alles, was er mit sich bringt“ – in seinem Fall keine Phrase, sondern eine sichtbare Leitlinie seines politischen Handelns, was von der Nachwelt gern übergangen wird. Seine recht eigenen Auffassungen spiegeln Aussagen wider wie: „Die Wurzel der Freiheit ist Autorität“ oder „Demokratie ist immer und überall ein auflösendes, zersetzendes Prinzip; sie tendiert dazu, die Menschen zu trennen, sie lockert die Gesellschaft.“

Napoleon, der große Antipode, kommt reichlich vor. Gegenüber Metternich äußerte der Kaiser der Franzosen, dass er auf das Leben von einer Million Menschen „scheißt“.

Über die Mode des Staatskanzlers („Dress like Metternich“) ist bei Müller ebenso etwas zu erfahren wie über die Ehen und die (zahlreichen) Affären. Kostproben aus Liebesbriefen werden geboten. Metternich wird als privater Unternehmer vorgestellt, der äußerst innovativ agierte und den Kredite abhängig machten. Über politische Handlungsmaximen informiert eine Übersicht, ähnlich wie über den „Netzwerker“. Im Übrigen mochte der breit interessierte und hochgebildete Metternich Spinnen, die er als seine „Freundinnen“ bezeichnete. Kutscher Europas und „Kaiserflüsterer“ war er – auch wenn er sich mit Reformvorschlägen für das Innere des Habsburgerreichs bei Franz I. die Zähne ausbiss. 

Von Metternichs Aufstieg, Regieren (oder besser: Herrschaft) und Fall und insbesondere über die im wahrsten Sinne des Wortes schillernde Persönlichkeit erzählt Müller in seinem Buch (übrigens, soweit ersichtlich, die einzige Neuerscheinung zum Jubiläum). Ein äußerst gelungenes Geburtstagsgeschenk für den (zu) viel Geschmähten. In diesem Sinne: Alles Gute, Clemens! Stoß auf Dich an, vielleicht findest Du dazu ja auch etwas Besseres als den Sekt, auf dessen Etikett Dein Name steht.

Stefan Müller, „der kleine metternich. Eine fürstliche Biografie“, Wien-Graz: Molden-Verlag 2023, 25 Euro.

Foto: By Friedrich Lieder - This file was donated to Wikimedia Commons as part of a project by the Metropolitan Museum of Art. See the Image and Data Resources Open Access Policy, CC0, Link

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Hans-Peter Dollhopf / 15.05.2023

Dieser Perspektive lässt sich nichts abgewinnen.

Sam Lowry / 15.05.2023

Koblenz ist meine Heimatstadt. Da bin ich zwar nicht geboren worden (Solothurn/Schweiz), habe aber dort seit meiner ersten Erinnerung gelebt und bin dort aufgewachsen. Es verkommt, wie alle anderen Städte, zum “Shithole” und wird mehr und mehr unerträglicher. Gottseidank wohne ich in einer NOCH angenehmen Zone 5 km entfernt. Aber auch hier wird das Schicksal der Deutschen um sich greifen, noch bevor ich tot bin. Es hilft nichts, in der Vergangenheit zu schwelgen, wenn man kurz vor dem Abgrund steht und morgen bereits schon einen Schritt weiter sein kann. Die guten Zeiten sind vorbei! Und zwar für immer!!!

Dr. Markus Müller / 15.05.2023

Er war der Deutschen Sache nicht dienlich. Ein klarer Befürworter der Kleinstaaterei und Gegner der Großdeutschen Lösung, die im 19. Jahrhundert auch zur Zähmung Preußens beigetragen hätte. Ohne ihn hätte die Geschichte Deutschlands, und die ganz Europas, vielleicht eine glücklichere Wandlung erfahren. Deswegen: ein Loblied ist verfehlt.

Rudolf Dietze / 15.05.2023

“Der Wiener Kongress 1815 gründete „Kongresspolen“: Es entsprach in etwa dem Gebiet des Herzogtums Warschau und wurde nun dem russischen Reich eingegliedert. Es war kein polnischer Nationalstaat! Daneben gab es weiterhin Teile des ehemaligen Polens, die zu Preußen, Österreich oder Russland gehörten.”(Google)” Metternich war die dominierende Person auf dem Wiener Kongress zur Neuordnung Europas.”(Wicki) In Königswart in Böhmen, dem Hausschloß Metternichs, stehen gewaltige Malachitvasen als Geschenk des Zaren. Die Hilfe der Polen bei der Belagerung von Wien waren vergessen, man teilte das Land. Metternich hat es eben verstanden. Professor Julius Franz Schneller bewohnte den östereichischen Kaiserstaat 28 Jahre, kehrte in das heimathliche Rheinland zurück, um das unschätzbare Gut gesetzlicher Lehrfreyheit wieder zu erlangen. In seinen Schriften umschreibt er und nennt keine Namen, aber Östereich wurde unter Metternich zum Polizeistaat. Vergleiche zur Jetztzeit ? ? Lest keine alten Bücher! Bitte keinen Weihrauch für diesen Despoten. Nicht umsonst hat ihn das Volk 1848 in die Wüste geschickt.

Klaus Keller / 15.05.2023

Clemens von Metternich, exakt heute vor 250 Jahren in Koblenz geboren, dann aber im Dienste Österreichs tätig, hat es nie zu einem so richtig guten Ruf gebracht… Der Österreicher der (im Gegenzug? ) später deutscher Reichskanzler wurde, hat heute auch keinen guten Ruf obwohl er, im Gegensatz zu Reichskanzler Bismarck, eine Großdeutsche Lösung zustande brachte. Sein Problem war aber, das er nicht kurz danach gestorben ist und im Anschluss an den Anschluss viel Unheil anrichtete.

Jörg Themlitz / 15.05.2023

Beim Besuch des Bäderdreiecks in der Tschechischen Republik, Mariánské Lázně (Marienbad), Františkovy Lázně (Franzensbad), Karlovy Vary (Karlsbad) empfehle ich einen Abstecher nach Lázně Kynžvart (Bad Königswart) zum Metternich Schloss Königswart. Wen Schloß samt Inhalt und leider noch verfallenen Wirtschaftsgebäuden nicht so interessieren, kann erfahren, wie Frau und Mann mit einem Driver rund um das tee den fürstlichen Rasen malträtieren.

Josef Gärtner / 15.05.2023

Ach wer ist schon ein Metternich oder ein Talleyrand? Wir haben Annalena Baerbock! Mehr Eloquenz in der Außenpolitik geht nicht!

Thomas Szabó / 15.05.2023

Metternichs dritte Ehefrau Melanie (1805–1854) legte ein Gästebuch mit ca. 250 Portraitminiaturen an. Sie fragte die Gäste ihres Mannes, ob sie ihre Bildnisse in ihre Sammlung beauftragen dürfe. So entstand eine einzigartige Sammlung von Metternichs Gästen, von den besten Miniaturmalern ihrer Zeit. Ihr gemaltes Gästebuch wurde 1990 als Buch publiziert: “Staatskanzler Metternich und seine Gäste. Die wiedergefundenen Miniaturen von Moritz Daffinger, Josef Kriehuber und anderen Meistern aus dem Gästealbum der Fürstin Melanie Metternich.” Da Sammlung blieb in der Familie, bis sie eines Tages auf den Kunstmarkt kam. Da die saudummen Rindviecher in Metternichs Wirkungsstätte Wien zu blöd waren um den einzigartigen Wert der Sammlung zu würdigen, wurde sie 2013 in Paris einzeln Blatt für Blatt verkauft und in alle Welt verstreut. Die verkauften Aquarelle findet man auf der Seite des Auktionshauses Beaussant Lefèvre. Die Sammlung hätte geschlossen in ein Museum gehört! Eines der Stücke, ein Aquarell von Moritz Daffinger (1790-1849) fand Jahre später zu mir. Fürstin Melanie war auch sonst eine Persönlichkeit. Als sich ein französischer Botschafter bei ihrem Ehemann wegen einer taktlose Bemerkung über den Bürgerkönig Louis Philippe beschwerte, konterte der lapidar: “Ich habe sie geheiratet, nicht erzogen”.

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