Thilo Schneider / 08.09.2021 / 14:30 / Foto: Timo Raab / 42 / Seite ausdrucken

Die Ärzte – eine Establishment-Band macht sich grün

Die „Ärzte“ waren mal cool. Jetzt ruft die ehemalige Punkband gemeinsam mit anderen Künstlern dazu auf, bei der Bundestagswahl für die Grünen zu stimmen.

Kennen Sie Dirk Albert Felsenheimer? Nein? Das ist der bürgerliche Name von „Bela B“, einem Mitglied der ehemaligen Punkband Die Ärzte. Die Ärzte waren einmal cool, respektlos, frech, schrieben Songs über „die fette Elke“, landeten wenigstens einmal auf dem Index und haben uns Boomern wegen ihrer rebellischen Art imponiert. Dann kam „Männer sind Schweine“ und „Schrei nach Liebe“, und da waren die Texte zwar noch lustig, die Schlagrichtung ging aber nicht mehr zum Tabubruch, sondern in Richtung Anwanzung an den politischen Zeitgeist. Sehr, sehr peinlich.

Mittlerweile sind Die Ärzte eine Establishment-Band, die – neben dem bisher schon völlig abgemeldeten Wolfgang Niedecken (Ex-BAP) und ein paar anderen, ganz zu recht vergessenen, weil überschätzten Künstlern und medialen Eintagsfliegen –, ganz offen Wahlunterstützung für die Grünen betreiben. Nun sollte man eigentlich Künstlern so viel Hirn zutrauen, dass sie keine Partei unterstützen, die ihnen eher früher als später „wegen Klimer“ den Saft für die PA abdreht, alldieweil Konzerte mörderschlecht für die Umwelt sind. Aber so weit zu denken, ist des Ex-Punkers Sache nicht, sonst wäre er ja Rechtsanwalt oder so geworden.

„Wir wählen am 26.09. die Grünen“, verkündet Herr Felsenheimer scharf wie ein Gitarrenriff auf seiner Facebook-Seite. Und er begründet auch, warum er und ein paar andere „Stars on 45“ die beste Partei des Planeten wählen: „Natürlich sind Themen wie Digitalisierung, soziale Sicherheit, Bildung, Verteidigung, Wirtschaft, innere Sicherheit wichtig. Aber Klimaschutz, Umweltschutz und Schutz der Menschenrechte sind die Voraussetzung, um über diese Themen überhaupt diskutieren zu können.“

Genau. Erst stirbt der Wald, dann die Digitalisierung. Man muss dazu wissen, dass „den Ländern des industrialisierten Nordens wie Deutschland in der Klimakrise eine besondere Rolle zukommt. Als Hauptverursacher ebenso wie als Hochtechnologieland. Darauf haben die Grünen – als einzige im Bundestag vertretene Partei – seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren immer wieder hingewiesen. Die Umwelt- und die Klimafrage sind der Markenkern dieser Partei. Keine andere hat in den vergangenen Jahrzehnten so viel Expertise zu Nachhaltigkeitsthemen angesammelt, keine andere hat so eindringlich auf die Folgen ungebremsten Wachstums hingewiesen wie die Grünen.“   

Undank ist des Klimas Lohn

Wären wir bei Pferden und Ochsenpflug geblieben, wäre es nicht so weit gekommen, mit dem „Klimer“. Hätten wir das Penicillin weggeschmissen, wären die Leute wenigstens noch ab 50 ordentlich und klimaneutral mit Mini-CO2-Abdruck krepiert. Aber nein, „wir als Hauptverursacher und Hochtechnologieland“ mussten ja unbedingt Autos und Züge bauen, die Dampfmaschine und die Atomkraft entwickeln, High-Tech-Medizin erforschen – und jetzt haben wir den Bio-Salat. Wir sind schuld. Schuld. Schuld. Schuld. Obwohl wir uns in zwei Weltkriegen wirklich redlich bemüht haben, den CO2-Abdruck der halben Bevölkerung Europas durch deren Auslöschung zu vermindern. Undank ist des Klimas Lohn.

Zwar sind wir nur mit 2 Prozent am Gesamtausstoß von CO2 weltweit beteiligt, aber man wird ja wohl auch wegen Kleinigkeiten in Panik verfallen dürfen und außerdem „Vorreiter“ und „Wenn wir nicht ins Mittelalter zurückfallen wollen, wer denn dann?“ und bla und blubb und Sie kennen das Geschwätz ja. „Darauf haben die Grünen – als einzige im Bundestag vertretene Partei – seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren immer wieder hingewiesen“. Ja klar. Weil die Grünen immer auf irgendetwas hinweisen. Das ist ihr verdammter Job und Parteieninhalt. Die Grünen haben auch darauf hingewiesen, dass das Internet krank macht und sie seine Einführung ablehnen.

Und darauf hingewiesen, dass der Transrapid „böse ist“ und gefeiert, dass sie ihn verhindert haben. Jetzt fährt er eben demnächst in China mit knapp 1.000 Sachen. Überhaupt waren die Grünen immer gegen technische Novationen und sind eigentlich der größte Verhinderer von Umweltschutz. Destruktiv, aber laut. Die einzigen Dinge, die die Grünen an Innovationen diesem Land hinzugefügt haben, ist die Wiederentdeckung der Propagandamaschinerie und die Invention des Gender-Sternchens, das war’s dann auch schon …

Gut, das zu wissen, kann man von Ex-Punkern und Sachdienlichen nicht erwarten. Wie gesagt: Hat ja nicht jeder ein Mathe-Studium. Die wollen ja auch nach dem 26. September noch im Fernsehgarten auftreten oder in Berliner Clubs so tun, als seien sie Avantgarde, die Gefälligen. Da macht das durchaus Sinn, sich vor dem Zeitgeist ganz tief zu verbeugen. Fast bin ich geneigt, den flammenden und leicht panisch klingenden Aufruf von Herrn Albert Felsenheimer zu unterschreiben. Ich will ja auch nicht früher oder später in den Knast, weil ich so frech zu den Ökologisten war. Aber eben nur fast. Ich würde gerne sehen, wie sich die Preise für die Eintrittskarten wegen einer Blödsinnsabgabe verdoppeln … Ja, da würde ich sehr laut lachen. Aber dann kommen die Chef-Ärzte und ihre Asis eben im öffentlich-rechtlichen Seniorenschunkeln unter. Seine Propagandisten lässt man nicht fallen. Meistens. Passt schon.

Bela B. und Farin Urlaub und der Dritte da, dessen Namen ich mir nie gemerkt habe und den zu googeln ich zu faul bin: Ihr wart mal cool. Jetzt seid Ihr armselig. Setzt Euch hin und nehmt „Karl der Käfer“ neu auf. Und benennt Euch in Quacksalbard:innen um. Bei Eurem nächsten Auftritt bei FFF werdet Ihr die Jugend damit zu Tränen rühren. Bei mir altem Sack habt Ihr das heute schon geschafft.

(Weitere Enttäuschungen des Autors unter www.politticker.de)  

 
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Fred Burig / 08.09.2021

Die passen aber doch ganz gut zum Grünen- Pack - denn schon der Name ihrer “Kapelle” ( wie F.Bode sie so schön betitelt ) ist pure Hochstapelei!  Und weil sie mittlerweile eine Establishment-Band sind, könnten sie sich dann eigentlich auch “Impfärzte” nennen und live bei den Massenimpfungen auftreten. Quasi als Lockmittel für “Impf- Zögernde”, die sich vielleicht aus Tierschutz- Gründen keine Bratwurst schenken lassen wollen. MfG

Walter Weimar / 08.09.2021

Was spricht denn dagegen, das Musikgruppen Wahlwerbung machen? Das ist doch nicht verboten. Das ist auch nicht das erste mal. Nur sind diese dann festgelegt für alle Zeit. Wie jede Werbefirma, erst Weichspüler, dann Sozialismus bewerben. Was Werbung Wert darstellt, ist auch bekannt.

sybille eden / 08.09.2021

Das waren für mich schon immer verkleidete Biedermänner ohne musikalische Substanz. So wie die meisten deutschen Pop-oder Rockstars. Die Maffays, Niedeckens, Lindenbergs und Gröhlemeyers haben schon immer Musik mit Politik verwechselt. So wie auch ihr gehirngewaschenes ,links-spiessiges Publikum. In diesem Lande macht man nicht Musik aus Spass, sondern um eine “Haltung” zu zeigen. Haltungsmusikanten und Haltungsjournalisten, für die Deutsche HALTUNGSREPUBLIK !

Dr. Joachim Lucas / 08.09.2021

Die übliche Deutsche Krankheit: Romantizismus, Weltrettung und Früher war der Planet noch in Ordnung. Wir heilen Mutter Erde! Wenn schon ihre Unterhaltungscombo nicht mehr “in” ist, dann müsst ihr euch halt an den Zeitgeist anwanzen. Im Übrigen gilt, wenn man euch bald den Biostrom auf den Seniorenkonzerten abstellt: Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber. Denn bei der Weltrettung verstehen die grünen Khmer bei nix einen Spaß.

Rainer Niersberger / 08.09.2021

Das, was da so auf den deutschen Buehnen seit Jahren herumhampelt und schreit,  ergaenzt die Qualitaet des Regietheaters und des “Entertainments”,  es ist nur ein Zeichen des Niedergangs alldessen, was man Kunst nennt. Bei Mio “Künstlern” und dem ” Geschmack” der Groupies auch keine Ueberraschung.  Das Problem ist, dass sie weder Kunst, noch mangels kognitiver Grundausstattung irgendetwas anderes Gehaltvolles erzeugen, was aber der Verfassung der Gesellschaft insgesamt durchaus nahe kommt. Fazit : Ein gelungener Beitrag mit zutreffendem Befund.

Rudi Knoth / 08.09.2021

Ich denke eher, daß “Die Ärzte” schon seit längerer Zeit “grün” sind. Zum Beispiel gab es ein Lied mit dem Titel “Ich esse Blumen”, in dem die fleischlose Ernährung” propagiert wurde. Eher ist es nach meiner Meinung so, daß die Grünen mit der Zeit zum Establishment sich bewegten.

Hans-Peter Dollhopf / 08.09.2021

“Die einzigen Dinge, die die Grünen an Innovationen diesem Land hinzugefügt haben …” Äh, Flaschenpfand?

Sabine Richter / 08.09.2021

Die Ärzte haben sich im August auch “als Band” gegen Corona impfen lassen und ihre Fans aufgefordert, dasselbe zu tun. Spätestens da waren sie bei mir dauerhaft “unten durch”.

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