Die „Ärzte“ waren mal cool. Jetzt ruft die ehemalige Punkband gemeinsam mit anderen Künstlern dazu auf, bei der Bundestagswahl für die Grünen zu stimmen.
Kennen Sie Dirk Albert Felsenheimer? Nein? Das ist der bürgerliche Name von „Bela B“, einem Mitglied der ehemaligen Punkband Die Ärzte. Die Ärzte waren einmal cool, respektlos, frech, schrieben Songs über „die fette Elke“, landeten wenigstens einmal auf dem Index und haben uns Boomern wegen ihrer rebellischen Art imponiert. Dann kam „Männer sind Schweine“ und „Schrei nach Liebe“, und da waren die Texte zwar noch lustig, die Schlagrichtung ging aber nicht mehr zum Tabubruch, sondern in Richtung Anwanzung an den politischen Zeitgeist. Sehr, sehr peinlich.
Mittlerweile sind Die Ärzte eine Establishment-Band, die – neben dem bisher schon völlig abgemeldeten Wolfgang Niedecken (Ex-BAP) und ein paar anderen, ganz zu recht vergessenen, weil überschätzten Künstlern und medialen Eintagsfliegen –, ganz offen Wahlunterstützung für die Grünen betreiben. Nun sollte man eigentlich Künstlern so viel Hirn zutrauen, dass sie keine Partei unterstützen, die ihnen eher früher als später „wegen Klimer“ den Saft für die PA abdreht, alldieweil Konzerte mörderschlecht für die Umwelt sind. Aber so weit zu denken, ist des Ex-Punkers Sache nicht, sonst wäre er ja Rechtsanwalt oder so geworden.
„Wir wählen am 26.09. die Grünen“, verkündet Herr Felsenheimer scharf wie ein Gitarrenriff auf seiner Facebook-Seite. Und er begründet auch, warum er und ein paar andere „Stars on 45“ die beste Partei des Planeten wählen: „Natürlich sind Themen wie Digitalisierung, soziale Sicherheit, Bildung, Verteidigung, Wirtschaft, innere Sicherheit wichtig. Aber Klimaschutz, Umweltschutz und Schutz der Menschenrechte sind die Voraussetzung, um über diese Themen überhaupt diskutieren zu können.“
Genau. Erst stirbt der Wald, dann die Digitalisierung. Man muss dazu wissen, dass „den Ländern des industrialisierten Nordens wie Deutschland in der Klimakrise eine besondere Rolle zukommt. Als Hauptverursacher ebenso wie als Hochtechnologieland. Darauf haben die Grünen – als einzige im Bundestag vertretene Partei – seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren immer wieder hingewiesen. Die Umwelt- und die Klimafrage sind der Markenkern dieser Partei. Keine andere hat in den vergangenen Jahrzehnten so viel Expertise zu Nachhaltigkeitsthemen angesammelt, keine andere hat so eindringlich auf die Folgen ungebremsten Wachstums hingewiesen wie die Grünen.“
Undank ist des Klimas Lohn
Wären wir bei Pferden und Ochsenpflug geblieben, wäre es nicht so weit gekommen, mit dem „Klimer“. Hätten wir das Penicillin weggeschmissen, wären die Leute wenigstens noch ab 50 ordentlich und klimaneutral mit Mini-CO2-Abdruck krepiert. Aber nein, „wir als Hauptverursacher und Hochtechnologieland“ mussten ja unbedingt Autos und Züge bauen, die Dampfmaschine und die Atomkraft entwickeln, High-Tech-Medizin erforschen – und jetzt haben wir den Bio-Salat. Wir sind schuld. Schuld. Schuld. Schuld. Obwohl wir uns in zwei Weltkriegen wirklich redlich bemüht haben, den CO2-Abdruck der halben Bevölkerung Europas durch deren Auslöschung zu vermindern. Undank ist des Klimas Lohn.
Zwar sind wir nur mit 2 Prozent am Gesamtausstoß von CO2 weltweit beteiligt, aber man wird ja wohl auch wegen Kleinigkeiten in Panik verfallen dürfen und außerdem „Vorreiter“ und „Wenn wir nicht ins Mittelalter zurückfallen wollen, wer denn dann?“ und bla und blubb und Sie kennen das Geschwätz ja. „Darauf haben die Grünen – als einzige im Bundestag vertretene Partei – seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren immer wieder hingewiesen“. Ja klar. Weil die Grünen immer auf irgendetwas hinweisen. Das ist ihr verdammter Job und Parteieninhalt. Die Grünen haben auch darauf hingewiesen, dass das Internet krank macht und sie seine Einführung ablehnen.
Und darauf hingewiesen, dass der Transrapid „böse ist“ und gefeiert, dass sie ihn verhindert haben. Jetzt fährt er eben demnächst in China mit knapp 1.000 Sachen. Überhaupt waren die Grünen immer gegen technische Novationen und sind eigentlich der größte Verhinderer von Umweltschutz. Destruktiv, aber laut. Die einzigen Dinge, die die Grünen an Innovationen diesem Land hinzugefügt haben, ist die Wiederentdeckung der Propagandamaschinerie und die Invention des Gender-Sternchens, das war’s dann auch schon …
Gut, das zu wissen, kann man von Ex-Punkern und Sachdienlichen nicht erwarten. Wie gesagt: Hat ja nicht jeder ein Mathe-Studium. Die wollen ja auch nach dem 26. September noch im Fernsehgarten auftreten oder in Berliner Clubs so tun, als seien sie Avantgarde, die Gefälligen. Da macht das durchaus Sinn, sich vor dem Zeitgeist ganz tief zu verbeugen. Fast bin ich geneigt, den flammenden und leicht panisch klingenden Aufruf von Herrn Albert Felsenheimer zu unterschreiben. Ich will ja auch nicht früher oder später in den Knast, weil ich so frech zu den Ökologisten war. Aber eben nur fast. Ich würde gerne sehen, wie sich die Preise für die Eintrittskarten wegen einer Blödsinnsabgabe verdoppeln … Ja, da würde ich sehr laut lachen. Aber dann kommen die Chef-Ärzte und ihre Asis eben im öffentlich-rechtlichen Seniorenschunkeln unter. Seine Propagandisten lässt man nicht fallen. Meistens. Passt schon.
Bela B. und Farin Urlaub und der Dritte da, dessen Namen ich mir nie gemerkt habe und den zu googeln ich zu faul bin: Ihr wart mal cool. Jetzt seid Ihr armselig. Setzt Euch hin und nehmt „Karl der Käfer“ neu auf. Und benennt Euch in Quacksalbard:innen um. Bei Eurem nächsten Auftritt bei FFF werdet Ihr die Jugend damit zu Tränen rühren. Bei mir altem Sack habt Ihr das heute schon geschafft.
(Weitere Enttäuschungen des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.