Dirk Maxeiner / 30.09.2018 / 06:20 / Foto: Pixabay / 34 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer:  Ich hab Elektrofahrrad

Zur verbreiteten Krankheitsbeschreibung „Ich hab Rücken“ kommt nun eine zweite hinzu: „Ich hab Elektrofahrrad“. Vergangene Woche traf ich eine alte Bekannte, die sportliche Sophie, sichtlich angeschlagen mit einer Schiene am Knie. Da die Skisaison noch nicht angefangen hat, musste das Malheur eine andere Ursache haben. Schuld war, so stellte sich heraus, ein sonntäglicher Unfall auf dem Chiemsee-Radweg mit dem neu erstandenen Elektro-Fahrrad. Das scheint öfter vorzukommen, jedenfalls fragte der Unfallchirurg bei Sophies Einlieferung ins nächstgelegene Spital nur trocken: „Elektrorad?“

Elektoräder, auch „Pedelecs“ genannt, sind so etwas wie das Viagra für den Zweiradverkehr wohlhabender Pensionisten. Nach Angaben des Fahrrad-Clubs ADFC gibt es in Deutschland mittlerweile rund 3,5 Millionen Pedelecs. Allein 2017 seien knapp 700.000 neu hinzugekommen. Wie der geölte Blitz sausen Männlein und Weiblein damit über Stadt und Land, vergessen dabei aber, dass höhere Geschwindigkeiten naturgemäß mit einem längeren Bremsweg einhergehen. Auch das Fehlen eines Airbags wird meist erst nach dem Abflug bemerkt. Alleine 2017 leistete das Pedelec in 68 Fällen Zubringerdienste für die letzte Reise, die meisten der Betroffenen waren über 70 Jahre alt. Insgesamt wurden über 5.000 Verletzte registriert.

Es handelt sich um einen typischen „Racheeffekt“, den ich an dieser Stelle schon öfter mal erwähnte. Das ist ein häufig verblüffendes und auch kurioses Phänomen, bei dem neue technische Lösungen unerwartete neue Probleme hervorbringen. Ein einfaches Beispiel sind die starren, eng anliegenden Skistiefel, die die Zahl der Knöchel- und Schienbeinbrüche erfolgreich gesenkt haben. Allerdings mit einem kleinen Nachteil: Der Fortschritt geht nun auf Kosten des vorderen Kreuzbandes im Kniegelenk. Das Elektrofahrrad erlaubt es auch Menschen fortgeschrittenen Alters, selbst alpine Steigungen ohne Gefahr für Herz und Kreislauf zu erklimmen. Mit dem Elektrofahrrad geht es gleichsam immer bergab. Manchmal allerdings auch in des Wortes doppeltem Sinne: Dann nämlich, wenn sein Lenker hinter der nächsten Biegung frontal auf einen entgegenkommenden E-Pedalisten trifft.

Brikett statt Schweinsbraten

Besonders beeindruckend finde ich die Piloten elektrischer Lastenfahrräder, die mit gebieterischem Gesichtsausdruck den innerstädtischen Verkehr teilen wie Moses das Rote Meer. Es handelt sich entweder um junge Frauen ohne Makeup oder junge Männer mit Vollbart, die ihren Nachwuchs im morgendlichen Berufsverkehr zum Hort chauffieren. Um diese Kinder müssen wir uns keine Sorgen machen, sie leben mit der täglichen Bedrohung und können entsprechende Immunkräfte aufbauen. Vermutlich werden einige von ihnen nach dem Heranwachsen eine Karriere als Truckdriver ergreifen, um mit ihrem 30-Tonner das Nullenergiehaus ihrer Eltern platt zu machen.

Elektrische Fahrräder und Motorroller sind, im Gegensatz zum Elektroauto, verblüffend erfolgreiche Fahrzeuge. Der grüne Zeitgeist verbucht sie gerne unter dem Stichwort der verkehrsmäßigen Abrüstung, was aber nicht ganz stimmt. Es handelt sich wohl eher um eine Aufrüstung, denn die meisten besaßen schon vorher ein Fahrrad. Doch nun treten an die Stelle des Muskelantriebs – zumindest teilweise – eine Batterie und ein Elektromotor. Musste man bisher für eine Runde um den Chiemsee eine halbe Maß Bier und eine Schweinshaxe verbrennen, was der eigentliche Sinn der ganzen Aktion war, fährt man jetzt mit Windpower und lässt ein paar Fledermäuse schreddern. Bei Flaute und Regen zündet das Kraftwerk für den E-Pedalisten ein Brikett aus Hambach an, damit schafft er vermutlich sogar zwei Runden um den Chiemsee. Ich persönlich bleibe beim Schweinsbraten, respektive einem bayrischen Wurstsalat und warte wie ein flügellahmer Formel-1-Fahrer darauf, dass sie mich überrunden. 

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Martin Schott / 30.09.2018

Sinn und Zweck der Pedelecs ist nicht die Erhöhung der Geschwindigkeit, sondern - im Gegensatz zum Elektromobil - der Reichweite. Die Tretkraftunterstützung schaltet sich bei nicht wirklich schnellen 25km/h ab (alles was schneller ist nennt sich E-Bike), dieses Tempo schaffe ich im ebenen Gelände auch ohne Motor (daher bleibt dieser oft aus), den steilen Hausberg in unserer bergigen Gegend jedoch nicht. Und weil dieser Vorteil wirklich jedermann einleuchtet, haben Pedelecs in kürzester Zeit sämtliche Altersklassen erobert, vom Junior bis zum Rentner. Dass Pedelec-Fahrer weniger Kalorien verbrennen, das Elektrorad also fett und faul macht, wage ich ebenso zu bezweifeln - siehe Reichweitenvorteil. Außerdem schwingt man sich viel lieber und daher öfter aufs Rad.

Karla Kuhn / 30.09.2018

“Um diese Kinder müssen wir uns keine Sorgen machen, sie leben mit der täglichen Bedrohung und können entsprechende Immunkräfte aufbauen. Vermutlich werden einige von ihnen nach dem Heranwachsen eine Karriere als Truckdriver ergreifen, um mit ihrem 30-Tonner das Nullenergiehaus ihrer Eltern platt zu machen.” Herrlich,  kann ich mir gutvorstellen, diesen Helikopter-Kindern wird leider die Abendteuerlust frühzeitig aberzogen ,da kommt so ein 30 Tonner gerade recht. Ich fahre seit meinem vierten Lebensjahr Rad, ich hatte ein kleines Kinderfahrrad, was leider nicht luftbereift war, so daß mir die Freude an diesem Ding schnell vergangen ist. Paar Jahre später durfte ich auf der Nachbarin ihrem 28-ziger schwarzen, schweren Radl im stehen fahren, weil ich den Sattel nicht erreichen konnte.  Ein Sturz war damit vorprogrammiert aber ich bin sofort aufgestanden und weitergefahren und seitdem radle ich bei jeder Gelegenheit. Ich hatte mich auch mal für so ein E Rad interessiert, es aber gleich wieder vergessen. Erstens sollte es nicht so ein billig Rad sein, sie wurden getestet , einige haben nicht mal die Testphase überlebt. Und ein richtig gutes kostet einige Tausend Euro.  ABER, die Achillesferse ist der Akku. Der, so wurde mir in einem Fachgeschäft gesagt, schlägt mit mehreren Hundert Euro zu Buche. wenn der alte kaputt ist. Ich bin 30 Jahre mit einem originalen Flying Dutchman hervorragend gefahren, es hatte eine super Übersetzung, so daß ich im dritten Gang gemütlich die meisten Radler überholen konnte. Leider ist es kaputt und die Reparaturkosten (vor allem die Ersatzteile) wären enorm gewesen. Neu hat das Rad umgerechnet 800 DM gekostet. Heute kostet mein Modell, was es immer noch gibt, ca. 1000 Euro. Ich bin vor 12 Jahren auf ein italienisches Modell umgestiegen und kann ganz ohne Motor und “gesundheitsfördernd” immer noch etliche Radler gemütlich überholen.

J. Bergemann / 30.09.2018

Aha, neben dem politischen Gutmenschen tut sich jetzt auch der Fahrradgutmensch hervor: Alle FahrerInnen mit Motor sind böse, verachtenswert und gefährden sich und andere. Gegenvorschlag: Nicht so neidisch sein, wenn sie euch überholen und einfach mal tief durchatmen!  ; )

Christoph Kaiser / 30.09.2018

Eine Bevölkerung, die zuvor Ihren Verstand ins Smartphone einspeist gepaart mit der latenten Allmachtsfantasie der Herren-Rasse…...............

Joachim Lucas / 30.09.2018

Auch hier teilt sich die Welt dualistisch auf. Die einen fahren im morgendlichen Berufsverkehr mit dem Auto zum leider weiter entfernt liegenden Arbeitsplatz, um den Staat mit Steuern zu versorgen und die anderen behindern sie dabei mit ihren E-Vehikeln. Bevorzugt Vor Ort-Lehrer-Innen und Lehrer ohne -Innen, grüne Kindertransporteure mit rollenden Sitzkisten hinten dran und Leute, die sich für Fahrradfahrer mit Weltrettungsanspruch halten. Ein echtes Mofa war da ehrlicher und hat damals mehr Spaß gemacht. Jetzt wird’s Winter und sie sind alle weg: die Rennradlerpulks im Papageienaufzug auf Bundesstraßen, die grünen Muttis mit ihre Kinder-Rikschas und die absoluten Selbstmord-Spinner mit ihren Liegerädchen + Fähnchen. Gottseidank!

Sabine Heinrich / 30.09.2018

Habe mich köstlich amüsiert, Herr Maxeiner! Der Tag ist gerettet! Danke! E-Bikes - eine gute Erfindung für Leute, die aufgrund gesundheitlicher Probleme bewegungseingeschränkt sind. Leider zieht es viele Leute aufs E-Bike, die sich einfach mehr bewegen müssten, schon, weil sie z.B. übergewichtig und nur zu faul und bequem sind, sich anzustrengen. Wie habe ich vor 2 Jahren im Salzburger Land ein paar rüstige - voll durchgestylte - ca. 65-70jährige Senioren bewundert, die mit ihren Mountainbikes eine Alm in ca. 1800 m Höhe erklommen hatten. “Alle Achtung!” dachte ich, die mit ihrem 3-Gang-Rad vor ein paar Jahrzehnten die Alpen überquert und noch einiges mehr geleistet hatte. Und dann entdeckte ich diese verdächtigen Kästchen an den Fahrradrahmen… Mountainbike mit E-Antrieb - geht’s noch? Inzwischen setzen sich ja auch schon viele jüngere Leute auf diese Vehikel - bloß nicht anstrengen - man könnte ja ins Schwitzen kommen oder möglicherweise auch mal absteigen und schieben müssen! Dann lieber am Wochenende für teures Geld ins Fitneßstudio! Ich werde so lange mit eigener Kraft (mit hoher Geschwindigkeit) dank strammer Waden durch meinen Ort radeln, bis es gesundheitlich nicht mehr gehen sollte. Erst dann würde ich über die Anschaffung eines E- Bikes nachdenken. Aber vielleicht gibt es dann ja gar keine zuverlässige Stromversorgung mehr?  

ingrid lüderitz / 30.09.2018

ob ich ein pedelec habe, weiß ich nicht - für mich ist es ein e-bike. mit dem komme ich den anstieg zu meiner wohnstraße auch nur mit erheblichem strampeln hinauf - und das mit der höchsten schiebe-option. und oben muss ich schnaufen und mein herz schlägt auch schneller. von wegen mit e-bike aufwärts wie abwärts! wahrscheinlich gibt es in hohen preisklassen auch räder, die den fahrer schon fast wie geschosse voran treiben. wie überall: es gibt sone und sone… schaut euch mal jüngere semester an, die gar keine bewegung haben! da ist es doch besser, senioren fahren e-bike, als dass sie ihrem körper null gymnastik bieten! und a-pro-pos autofahrer: ich bin durch diese mehr gefährdet als durch mein e-bike! manche halten noch nicht mal einen halben meter abstand! ich dagegen fahre auch mit dem auto sehr angepasst und geschwindigkeitsmäßig halte ich mich immer an das genehmigte tempo. allerdings habe ich eine singfreundin, mit der ich abwechselnd zur probe fahre. sie ist schon über 80, aber ich bete jedesmal ein vaterunser, bevor ich mich zu ihr ins auto setze. obwohl wir zeit genug haben, wenn sie fährt (überpünktlich…), schneidet sie entgegenkommenden beim abbiegen rigoros den weg. und sieht es auch partout nicht ein, wenn ich angst habe (“ich kann das abschätzen”). es ist eben so, dass jeder, ob radfahrer oder autofahrer, ein verantwortungsgefühl auch für andere haben sollte. dann klappt das auch mit dem e-bike :-))

Wolfgang Kaufmann / 30.09.2018

In Oss in den Niederlanden hat neulich das Karma zugeschlagen. Dort gibt es elektrische Lastenräder, Vorderlader, in deren Lastenwanne zehn Grundschulkinder Platz finden. Leider hat der Zug am Bahnübergang vier unschuldigen Kindern ein ökologisch korrektes Frühableben beschert und nicht der dummen Nuss, die das Gefährt nicht unter Kontrolle hatte.

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