Robert Habeck hat bemerkenswerte Vorstellungen davon, wie viel Geld Leute, die „ganz wenig verdienen“, für ein Auto ausgeben können. Im Prinzip findet er ohnehin, dass sie gar keines brauchen: „Man muss... Reparaturen bezahlen, weil immer mal was kaputt ist, dann ärgert man sich“. Wann ist der Mann zum letzten Mal Bahn gefahren?
In der vergangenen Woche sprach Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Frau Maischberger über Gott und die Welt und gab Zeugnis seines gegenüber den Normalsterblichen erweiterten Horizonts. In Sachen Automobil beginnt der ziemlich weit oben bei „30.000 Euro für ein ganz kleines Auto, wenn es so was gibt“.
Das erinnert mich ein bisschen an eine Satire von Wladimir Kaminer, dem Autor von „Russendisko“. Darin fährt ein russischer General umher, der aus Eitelkeit keine Brille tragen möchte und deshalb in seinen Wolga eine Windschutzscheibe mit 3,5 Dioptrien eingebaut hat. Ich weiß nicht ob Robert Habeck kurzsichtig ist, prinzipiell scheint mir aber eine neue Frontscheibe fällig, denn das Gesichtsfeld des grünen Generalissimus ist offensichtlich eingeschränkt. Im Wortlaut sagte er: „Nehmen Sie den sogenannten Umweltbonus. Ob Sie sich ein E-Mobil für 100.000 Euro kaufen und selber 200.000 Euro im Jahr verdienen oder ein ganz kleines Auto für 30.000 Euro, wenn es so was gibt, und ganz wenig verdienen – Sie kriegen die gleiche Förderung.“
Er findet das ungerecht und hat damit theoretisch sogar recht. Praktisch ist es absurd: Die Wohlhabenden nehmen die E-Prämie für ihren woken Zweitwagen gerne mit, die, die „wenig verdienen“, kriegen gar nichts, weil sie sich schlicht kein Auto für 30.000 Euro leisten können, egal ob elektrisch oder nicht. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland liegt bei etwa 2.650 Euro monatlich. Mehr muss man nicht wissen (es sei denn, man ist Robert Habeck). Auf mich wirken diese Förderangebote wie die reißerischen Prospekte der großen Möbelhäuser, die superschicke Küchenzeilen mit supersparsamen Küchengeräten und „50 Prozent Abverkaufs-Rabatt“ anbieten. Nach einer kurzen Überschlagsrechnung kommt Otto Normalo dann rasch zu dem ernüchternden Ergebnis: Ah, kostet nur die Hälfte, ist aber immer noch doppelt so teuer, wie ich es mir leisten kann“.
Ein Kleinwagen-Modell nach dem anderen verschwindet
Ein normaler Kleinwagen mit einem Verbrennermotor ist in Deutschland von 11.000 bis 12.000 Euro aufwärts erhältlich – noch. Die Abgasgesetzgebung mit ihren immer höheren Anforderungen lässt derzeit Kleinwagenmodelle noch schneller verschwinden als die Kneipen an der Ecke, weil die Politik kleine Autos für kleine Leute unverhältnismäßig teurer macht – und damit auch besonders sparsame Fahrzeuge. Die Hersteller mustern sie aus und setzen auf fettere Karossen mit höheren Verdienstspannen, vorzugsweise tonnenschwere SUVs. Insgesamt liegt hier eine gesetzgeberische Meisterleistung vor, gewissermaßen ein Programm zur Förderung des Vegetarismus, das zur vermehrten Produktion von Mastschweinen führt.
Der Dacia Sandero ist laut dem ADAC der günstigste verbliebene Kleinwagen auf dem deutschen Markt, der in der preiswertesten Ausführung 11.300 Euro kostet. Niedrige Anschaffungs- und Unterhaltskosten und Urlaubstauglichkeit dank der großen Reichweite machen ihn als einen der Letzten seiner Art kleine-Leute-tauglich. Aber selbst den kann sich ein entlassener Arbeiter, der bisher bei VW in Zwickau unverkäufliche E-Autos zusammenschraubte, nicht mehr leisten.
Die niedrigen Einkommen sind längst auf den Gebrauchtwagenmarkt angewiesen, aber auch dort steigen wegen der Nachfrage nach günstigen Autos die Preise „wie nie“ (ADAC), alleine im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent, in den letzten zehn Jahren haben sie sich sogar verdoppelt. Die soziale Marktwirtschaft hat auf der Straße den Rückwärtsgang eingelegt. Der Plakatkünstler Klaus Staeck schuf einst das wunderbar ironische Plakat: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“. Das stammt von 1972. Jetzt, 2023, will die Ampel ihnen ganz unironisch den Kleinwagen wegnehmen, nicht im Tessin sondern in Marzahn – Klaus Staeck übernehmen Sie.
Urlaubskarawanen hatten friedensstiftende Wirkung
Wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch war die Motorisierung der Massen – und dabei spielte das preiswerte Auto die größte Rolle – stets eine Konjunkturrakete. Sie schuf nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch neue Chancen, weil Wohnort und Arbeitsplatz weiter auseinanderliegen konnten, die Auswahl an Jobs größer wurde – und auch an preiswertem Wohnraum draußen vor der Stadt. Das daraus entstandene industriell-gesellschaftliche Gewebe setzte eine ganze Wohlstandskaskade in Gang. Wer dieses Gewebe zerstört, ruiniert den Stoffwechsel dieses Landes.
Als Deutschland das letzte Mal am Boden lag, überlebte ein Weltunternehmen wie BMW anfangs mit der winzigen Isetta, die mancher heute noch in dem Arm nehmen und in den Schlaf schaukeln möchte. VW leistete mit dem Krabbeltier VW 1200 die Aufbauarbeit für den späteren Exportweltmeister. Urlaubskarawanen nach Italien, Frankreich oder Holland hatten friedensstiftende Wirkung. In der DDR milderte der Trabi das Fernweh, weil er die Familie zumindest zum Campingurlaub an die Ostsee transportierte. Wer die Wirkung des Automobils auf seinen Abgasausstoß reduziert, wie das gegenwärtig geschieht, hat seine Bedeutung für die Volksseele nicht verstanden. Das Auto ist eine Hoffnungsmaschine, die niemand ungestraft abstellt.
Von Robert Habeck sollte man da aber nicht allzu viel erwarten. In einem Interview mit Die Welt schildert er eine Episode aus seiner Jugend so: „Als ich Abitur gemacht habe, 1989, war es das große Ding, sich mit Kumpels ein altes Auto zu kaufen und auf Tour zu gehen. Unseres hat damals so 500 Mark gekostet, glaub ich. Aber auf der Tour durch Südeuropa ist uns das Ding zweimal aufgebrochen worden, wir hatten Pannen, und am Ende mussten wir es verschrotten. Das war dann doch ziemlich lästig“.
Damit niemand mehr in Deutschland eine Panne hat
Achgottchen, böse Südländer haben den Sensibelchen aus Heikendorf zweimal das Auto aufgebrochen! Außerdem hatten er und seine Kumpels mit der 500-Mark-Möhre Pannen, how dare you! Und am Ende mussten sie das Ding verschrotten, oh mein Gott! Das muss ein wahrhaft traumatisches Erlebnis für den Apothekersohn gewesen sein, obwohl Annalena Baerbock nicht die Rückführung organisierte.
Und deshalb will Minister Habeck jetzt alle Autos verschrotten, damit niemand mehr in Deutschland eine Panne hat, geschweige denn, dass ihm von Fremden die Karre ausgeräumt wird. Es ist doch alles nur zu eurem Besten!
Außerdem hat der Mann gelernt: „Die Fahrzeit selbst ist nicht wirklich frei. Man kann beim Fahren nicht arbeiten, schlafen, lesen oder einfach gar nichts tun“. Dazu möchte ich als approbierter Multitasker hier mal amtlich feststellen: Ich kann beim Fahren arbeiten, schlafen, lesen oder gar nichts tun – schlafen und lesen zugegeben nur kurz oder auf dem Beifahrersitz. Außerdem kann ich noch Musikhören, Rauchen, Bockwurst essen (sogar mit Senf), mich über den öffentlich-rechtlichen-Rundfunk aufregen, in der Nase bohren (nur ohne Beifahrer), Vogel zeigen und über einen Umsturz des Systems sinnieren. Schließlich habe ich beim Autofahren die besten Eingebungen, beispielsweise die, dass Robert Habeck nicht erst seit neuestem, sondern schon nach dem Abitur ein Jammerlappen war.
Aber der Robert, der kriegt sich gar nicht ein: „Und man hat das Auto immer am Bein, muss einen Parkplatz suchen, tanken, sich um die Instandhaltung kümmern, Reparaturen bezahlen, weil immer mal was kaputt ist, dann ärgert man sich“. Das wirft die Frage auf: Wann ist der Mann bloß das letzte mal Bahn gefahren?
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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