Dirk Maxeiner / 02.10.2022 / 06:15 / Foto: Pixabay / 50 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Die Achse auf See

Am vergangenen Wochenende fand das Jahrestreffen der Achse-Autoren auf der „MS Brasil“ statt. Je nach Befindlichkeit, taugt das Schiff als revolutionäres Zentrum, wie einst der Panzerkreuzer Potemkin, als Standort für einen Piratensender oder auch als seelisches Lazarettschiff.

Berlin erinnert mich bisweilen an ein großes Kaufhaus, in dem die Rolltreppen rückwärts laufen. Jedenfalls ist Nutzung von Schiene und Straße häufig mit Stillstand verbunden, die des neuen Flughafens ebenfalls, egal wie sehr man sich abstrampelt. Ein kleines Refugium des fließenden Verkehrs hat sich allerdings erhalten, solange die Schleusen nicht abgestellt werden: die Spree und die mit ihr verbundenen Kanäle und Seen. Angenehm ist dort auch das Fehlen von durchsetzungsfähigen Radfahrern und verrückt gewordenen E-Rollertretern.  

Dies brachte uns auf die Idee, die Achse-Autoren einmal auf dem Wasser zu versammeln. Das jährliche Treffen der großen Achse-Besatzung findet stets an einem symbolischen Ort statt. Im letzten Jahr war es ein verfallenes Schloss in Brandenburg, in dessen Hof des Nachts die Fledermäuse umherflatterten. Den Putten am Rande des Brunnens waren im Krieg die Köpfe abgeschlagen worden, den Rest erledigte jahrzehntelange Misswirtschaft. Der Ort erzählte etwas vom gründlichen Verfall einstigen Wohllebens und war insofern durchaus repräsentativ für den möglicherweise wiederkommenden Zustand der Republik.

In diesem Jahr fiel unsere Wahl auf die „MS Brasil“, den größten Ausflugsdampfer, den das traditionsreiche Schifffahrtunternehmen „Stern und Kreisschiffahrt“ zu bieten hat. Es wurde 1888 unter dem Namen Spree-Havel-Dampfschiffahrt-Gesellschaft „Stern“ gegründet, heute wird unter Deck aber keine Kohle mehr geschippt. Stattdessen dieseln dort zwei MAN-Schiffsmotoren mit zusammen 516 Pferdestärken so beruhigend wie ein Stromaggregat auf einer Farm im australischen Outback. Die Motoren sorgen für Vortrieb, Wärme, Licht und das Funktionieren der Bordküche. Die MS Brasil ist ein autonomes Zentrum nach unserem Geschmack und inspiriert die Fantasie. Je nach Befindlichkeit taugt das Schiff als revolutionäres Zentrum, wie einst der Panzerkreuzer Potemkin, als Standort für einen Piratensender oder auch als seelisches Lazarettschiff

Torpedoboote, U-Boot-Jäger und Landungsschiffe

Gebaut wurde die „Brasil" von der Peene-Werft in Wolgast, wo vor der Wende vornehmlich leichte Torpedoboote, U-Boot-Jäger und Landungsschiffe auf Kiel gelegt wurden. Leider stehen diese jedoch nicht mehr für Ausflugsfahrten zur Verfügung. Und so gingen am vergangenen Wochenende 110 Achse-Autoren in Alt-Treptow an Bord der Brasil. Je nach politischem Standpunkt wurde der Vergnügungsdampfer damit zum Herzen der Finsternis oder zur Arche Noah des medialen Restverstandes. Sicherheitshalber war ein Personenschützer dabei, der auf den Namen Bonnie Propeller hört. Propeller und Schiff, da konnte nichts mehr schief gehen.

Auf der Fahrt vom Osthafen zum Müggelsee und zurück wurde über die Zukunft des Journalismus diskutiert und gemeinsam ein Buffet vernichtet. Die Kombination von Journalismus und Selbstbedienung setzt sich ja immer mehr durch, bei uns allerdings nur einmal im Jahr, und dies nicht gebührenfinanziert. 

Außerdem wurden auf dem Sonnendeck von einigen Anwesenden zwei spontane Gedenkminuten absolviert. Gelegenheit zu einem kleinen Blackout-Erinnern ergab sich beim Passieren der Salvador-Allende-Brücke in Köpenick. Dort durchschnitten 2019 Bauarbeiter gleich beide Stromversorgungskabel, was den größten und längsten Stromausfall in Berlin seit Jahrzehnten zur Folge hatte. Köpenick war so dunkel wie der Teutoburger Wald zur Zeit der Varusschlacht und so tot wie die deutsche Stahlindustrie nach Robert Habeck. Es handelte sich gewissermaßen um eine Vorübung für den Winter 2022, damals waren es zwei Kabel und Köpenick, heute sind es zwei Pipelines und das ganze Land. 

Im Angesicht des Rathauses von Köpenick wurden dann noch still die Verdienste von Friedrich Wilhelm Voigt alias Hauptmann von Köpenick gewürdigt, der am 16. Oktober 1906 als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten eindrang, den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse raubte. Der Kaiser soll angeblich gesagt haben: „Da kann man sehen, was Disziplin heißt. Kein Volk der Erde macht uns das nach!“ Und in der Berliner Volkszeitung hieß es: „Der Sieg des militärischen Kadavergehorsams über die gesunde Vernunft, über die Staatsordnung, über die Persönlichkeit des einzelnen, das ist es, was sich gestern in der Köpenicker Komödie in grotesk-entsetzlicher Art offenbart hat.“ Ich bin deshalb der Meinung, wir sollten unsere kleine Schifffahrt als politisches Bildungsseminar mit Ortsbesichtigungen von der Steuer absetzen. 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

S. Marek / 02.10.2022

@ Johannes Schuster, Ihr salziger Kommentar sitzt. Hoffentlich nehmen es die 25 Autoren sich dieses zur Brust.

Peter Holschke / 02.10.2022

@Josef Gärtner - “Man fragt sich wirklich, haben die alle inzwischen einen Draht im Hintern, von dem aus Washington die steuert?  Oder sind die einfach nur einfältig” Sie hoffen auf einen Platz auf der Arche, Tickets gibts aber nur für die Titanic. Merkt aber keiner.

Peter Holschke / 02.10.2022

@Frank Holdergrün - “obwohl ich feststellen muss, dass Broder etc. auch abweichende Meinungen (meist) veröffentlichen.” Na was denn sonst, jeder Disput lebt davon, sonst wäre es Befehlsempfang. Spiegel-Online hat es seinerzeit versaut, mit dem Abschöpfen kritischer Kommentare. Die Herrschenden wollen aber wissen, mit welchem Schwachsinn sie durchkommen und wo nachjustiert werden muss.

Friedemann Lux / 02.10.2022

Ach wie Nett…da wär ich gerne mitgefahren.Ich hoffe Ihr hattet viel Spaß!Ich gönn ihn euch von Herzen!!!

Andreas Mertens / 02.10.2022

Bei der Achse teilst sich die Spree vom Weizen.  Weiter so + Chapeau!

K. Schmidt / 02.10.2022

Durch Berlin schippern oder gar dort arbeiten - nur für die Hartgesottenen, eh?

K.Anton / 02.10.2022

Ich bin enttäuscht. Ich dachte, die Achseautoren können über Wasser gehen. Wider eine Illusion weniger…:)

A. Ostrovsky / 02.10.2022

Bei Myrddin fällt mir ein, dass wir hätten mal der Queen auftragen sollen, dass sie uns den Myrddin freundlich grüßt, wenn sie ihn trifft. Aber das ist nur eine weitere der verpassten Gelegenheiten. Was sollte auch dieser Quatsch mit London-Bridge? Viel passender wäre doch “Myrddin calling” gewesen. Nostrasdamus dichtete ja bereits: “Le jeunne, nay au regne Brittannique, q’aura le pere mourant recommendé... Y celui mort, LONOLE donnra topiques, et a son fils les regnes demandèes.” “Das NEUE, das dem brittannischen Reich zugeboren wurde, welches den Vater dem Sterben anempfohlen haben wird. Dort wo jener tot ist, wird LONOLE den Ton angeben (die Headlines bestimmen) und wird SEINEN Nachkommen die gelobten Länder übergeben.” So sehen wahre Seher aus. Er schrieb das, kurz nachdem ein gewisser Christobal von Taube Westindien entdeckt hatte. Die Bedeutung von Christobal ist noch umstritten. Falls es mit zwei a geschrieben worden wäre, wäre ess klarer gewesen, wurde aber nicht. Man muss deshalb von einem christlichen Beamten auf Lebenszeit ausgehen. Bingo.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 19.05.2024 / 06:15 / 38

Der Sonntagsfahrer: Strom aus dem Speicher, Hirn vom Himmel

Da an diesem Wochenende allenthalben der Heilige Geist herabweht, hier drei E-Auto-Andachten für den kleinen Denk-Stau zwischendurch. An Pfingsten kommt üblicherweise der heilige Geist über…/ mehr

Dirk Maxeiner / 12.05.2024 / 06:15 / 47

Der Sonntagsfahrer: Denkmalschützer, rettet die Atomkraft!

Windrad-Betreiber können den „Rückbau" ihres Elektroschrotts vermeiden, wenn sie schlau sind und den Propeller zum Denkmal erklären lassen. Eine echte Steilvorlage für die AKW-Branche! Windmüller ist…/ mehr

Dirk Maxeiner / 05.05.2024 / 06:15 / 128

Der Sonntagsfahrer: Schiffbruch im Oderbruch

Katrin Göring-Eckardt wurde mit ihrem Dienstwagen von der Landbevölkerung stillgelegt. Das findet sie prinzipiell gut, nur nicht bei sich selbst. Im Deutschen gibt es so…/ mehr

Dirk Maxeiner / 02.05.2024 / 14:00 / 26

Schotten dicht für E-Autoflut aus China?

Sind geplante EU-Zölle zu niedrig, um den Dumping-Import chinesischer E-Autos zu stoppen? Oder sollen protektionistische Umwelt- und Sicherheitsvorschriften sie draußen halten? Vielleicht erledigt es aber auch der Kaufunwille der Kunden.…/ mehr

Dirk Maxeiner / 28.04.2024 / 06:15 / 84

Der Sonntagsfahrer: Ich sage nur China, China, China

Der chinesische Geheimdienst weiß in jedem Fall besser Bescheid über deutsche Regierungsvorlagen als der von der Berliner Falun-Gaga-Sekte informierte Wirtschaftsminister.  In Deutschland leben etwa 150.000 chinesische…/ mehr

Dirk Maxeiner / 21.04.2024 / 06:15 / 121

Der Sonntagsfahrer: Fahrverbote und Gesetze, die niemand einhalten kann

EU und Bundesregierung verabschieden immer weltfremdere Gesetze und schreiben Lösungen vor, die es schlicht nicht gibt.  Der sogenannte Klimaschutz wird dabei immer menschenfeindlicher, der Bürger willkürlich…/ mehr

Dirk Maxeiner / 14.04.2024 / 06:15 / 62

Der Sonntagsfahrer: Der Augsburger Gasballon

Augsburg ist eine Stadt von Friedensfreunden. Die schritten vergangene Woche aber zur Generalmobilmachung. Grund: Das Gasnetz soll früher oder später weg. Wenn es um Friede,…/ mehr

Dirk Maxeiner / 07.04.2024 / 06:00 / 119

Der Sonntagsfahrer: Betteln um die Pleite

Trotz der gescheiterten E-Auto-Wende betteln einflussreiche Autohersteller darum, das Verbrennerverbot nicht infrage zu stellen. Die Wünsche der Kunden sind längst egal. Wer hält länger durch? Die…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com