Henryk M. Broder / 21.06.2019 / 09:09 / Foto: achgut.com / 27 / Seite ausdrucken

Der Kavalier genießt und schweigt

Unter den deutschen Antisemitismisbeauftragten, von denen es inzwischen mindestens ein halbes Dutzend gibt, ist der von Baden-Württemberg sicher der originellste. Nicht nur, weil er immer wieder sich und seine interreligiöse Ehe in den Vordergrund rückt, sondern weil er auch Ansichten äußert, auf die vor ihm noch keiner gekommen ist, nicht einmal Greta.

So hat der "Religions- und Politikwissenschaftler, Wissenschaftsblogger & Buchautor", der auch "aktiv gegen Verschwörungsmythen" angeht, vor kurzem in einem Interview mit dem DLF Folgendes gesagt: Der Antisemitismus ist eine gefährliche Ideologie, die sich immer gegen Juden und auch Nichtjuden gerichtet hat. Also, die Nazis beispielsweise haben auch die Roma und Sinti vernichtet unter dem Vorwurf, die wären Teil der jüdischen Weltverschwörung, das wären, wie man heute sagt, die Invasoren für den Bevölkerungsaustausch.

Das ist, wie man gestern zu sagen pflegte, so daneben, dass nicht einmal das Gegenteil wahr ist. Worauf es bei dieser Behauptung ankommt, ist die Anknüpfung an die aktuelle Situation, die der Meister durch die Verwendung des Begriffes Bevölkerungsaustausch herstellt, natürlich im dialektischen Sinne, um den "Vorwurf" als das zu entlarven, was er damals war und heute noch ist: Unfug. Auf eine dermaßen abenteuerliche Konstruktion kann nur einer kommen, dessen Verhältnis zur Realität bereits dermaßen getrübt ist, dass er sich selbst für bedeutend hält.

Ich habe es dennoch gewagt, den Religions- und Politikwissenschaftler zu bitten, mir eine Quelle zu nennen, dass die Nazis die Sinti und Roma deswegen vernichten wollten, weil sie diese für einen Teil der jüdischen Weltverschwörung gehalten haben". Er ist meiner höflichen Bitte nicht nachgekommen. Zuerst dachte ich, er könnte sich auf der Suche nach einer Quelle irgendwo im Schwarzwald verirrt haben, aber so war es nicht.

Er war einfach damit beschäftigt, sich auf eine Diskussion beim Evangelischen Kirchentag vorzubereiten, wo er dann eine bedeutende Religionspädagogin traf, mit der er sich fotografieren ließ, die ihrerseits für ein Selfie mit dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden posierte. Sie habe, so wurde berichtet, an Minderheiten appelliert, sich zusammenzutun und gemeinsam gegen Antisemitismus, Rassismus und Anfeindungen vorzugehen. Dabei warnte sie auch vor Versuchen, Minderheiten gegeneinander auszuspielen. Also Männer gegen Frauen, Junge gegen Alte, Vegetarier gegen Veganer.

So kommt zusammen, was zusammen gehört. So macht der Kampf gegen Antisemitismus Spaß und Lust auf mehr. Am Freitag trifft man sich wieder, diesmal bei einem Workshop im Dortmunder Schauspielhaus

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Leserpost

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Martin Müller / 21.06.2019

Warum organisiert der Antisemitismusbeauftragte eigentlich nicht mal Demos? Zum Beispiel : Sunday for Jewry Ich meine natürlich die lebenden Juden….

Ilona G. Grimm / 21.06.2019

Ich habe heute im Bioladen einen Tee namens “Holy Veggie” gesehen… Keine Vernunft mehr, nirgendwo. Davon ist eben auch der Antisemitismusbeauftragte betroffen.

Robert Jankowski / 21.06.2019

Wahrscheinlich muss er sich im Vulvenmalen üben, damit er sich nicht komplett blamiert auf dem Kirchentag. Aber Eines muss man wirklich anmerken: wer die wahnsinnigen Theorien der Nazis über die jüdische Weltverschwörung mit ihren Rassentheorien vermengt, der zeigt, dass er einfach mal gar keine Ahnung hat. Wenn so Jemand aber der Antisemitismus Beauftragte eines Bundeslandes ist, dann nur aufgrund des richtigen Parteibuches. In Sachen fachlicher Kompetenz reiht er sich damit direkt hinter Sawsan Chebli ein.

Gabriele Schulze / 21.06.2019

@Dr. Jachim Lucas: genauso sieht’s aus. Blöde Wichtigtuerei, Füllsel für den Hohlraum zwischen den Ohren, Berufsjugendlichkeit, Herdentrieb….Nebenbei - schön alles ineinander rühren konnte schon Hitler. Die “jüdische Weltverschwörung” reichte von der bolschewistischen der Armen bis zum Kapitalismus.  

Werner Arning / 21.06.2019

Wie ist das eigentlich? Es heißt doch, die Muslime seien die neuen Juden. Hat man sie denn schon gegen Antisemitismus protestieren sehen?

Armin Eisenstein / 21.06.2019

Sehr geehrter Herr Broder, ich habe das Gefühl, Sie machen sich mehr Sorgen und Gedanken über die Antisemitismus-Beauftragten, als über den wachsenden Antisemitismus selbst? Schade.

Sanne Weisner / 21.06.2019

Vermutlich gibt es mehr als nur ein halbes Dutzend dieser nutzlosen Geschwätz-Posteninhaber. Ansonsten ist die vorgetragene Verknüpfung von Geschichte und Gegenwart doppelt falsch. Im National-Sozialistischen Adolf-Deutschland standen Juden für das alte Establishment. Statt wie der Kommunist allen Kapitalisten ans Leder zu wollen, ersetzte man den Kapitalisten durch den Geldjuden. Das ließ die nichtjüdischen Kapitalisten aufatmen und so haben die dann auch ganz gerne Braun gewählt. Und für die Arbeiterschicht wars zumindest ein ausreichender Kompromiss zur kommunistischen Parole. Zigeuner (Sinti und Roma gabs damals noch garnicht als Begriffe) galten hingegen als Bodensatz der Gesellschaft und wurden genauso behandelt wie Asoziale, Kriminelle und Schwachsinnige. Einen ideologischen Bezug zum Judenhass gab es nicht. Heutiger Judenhass, sofern es nicht Restbestände des alten sind, drehen sich meist um Israel und werden mit islam-Konkurrenzvokabeln angereichert. Und das eben vor allem von Muslims und dann noch von Linken, die mit Israels Wirken im Orient ihren nachträglichen Antikolonialismus Zucker geben können. Dass der Geschwätzposteninhaber das natürlich nicht weiß, auch nicht wissen will, und dass er meint andere Leute mit so billigen Argumentationen hinter die Fichte führen zu können sagt viel. Vor allem über ihn selbst.

Bernd C. Poppenheger / 21.06.2019

Neben der unerhörten Inkompetenz der Aussagen solch durch die öffentliche Hand alimentierten Geisterfahrern ärgert mich mit am meisten, dass diesen Unbürgern auch noch Plattformen a la Kirchentag hingegeben werden. Was für ein widerliche Gescharre.

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