Gastautor / 02.02.2023 / 06:00 / Foto: Pixabay / 72 / Seite ausdrucken

Das wundersame Wachstum des Verteidigungs-Ministeriums 

Von Stephan Miller.

Auch wenn die Bundeswehr kleiner und schwächer wird, so wächst doch der Apparat, der sie verwaltet, immer weiter.

Neulich las man im Business Insider, einer dieser hilfreichen Quellen für Neugierige und Unterhaltungsbedürftige, das Verteidigungsministerium nähere sich dem Personalstand von 3.000 Beschäftigten. Im letzten Jahr alleine seien derer 137 dazu gekommen. Das gibt dem Beobachter zu allerlei Überlegungen Anlass – klar, das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) ist groß und unübersichtlich und somit schlecht führbar, so liest man es in den Zeitungen, besonders wenn einmal wieder ein Minister, egal welchen Geschlechtes, scheitert. Aber wird ein großes und unübersichtliches Ministerium durch Hinzufügung weiterer Dienstposten wirklich übersichtlicher und führbarer? 

Rückblick in ferne und nahe Vergangenheit

Man könnte in die Zeiten zurückblicken, in denen es zwar noch keine Parlamentsarmee, aber eine weitaus wirksamere parlamentarische Kontrolle des Ministeriums gab. 1913 umfasste das preußische Kriegsministerium keine 200 Personen, zugegeben gab es noch ein bayrisches, ein sächsisches und ein württembergisches Kriegsministerium, letzteres stolze 29 Dienstposten stark. Mit diesen vier Ministerien, die alle zusammen sicher unter 1.000 Dienstposten umfassten, wurde eine Armee von über 700.000 Soldaten – Friedensstärke wohlgemerkt – ausgerüstet, beherbergt, bekleidet, bewaffnet und verwaltet – kurzum, es wurden die Aufgaben wahrgenommen, die das BMVg auch heute noch hat. Sicher, das ist lange her, wird man sagen, andere Zeiten, schlimmster Militarismus zudem. Aber vielleicht doch erwähnenswert, dass ein preußischer Kriegsminister, Generalleutnant Paul Bronsart von Schellendorf (1832–1891), einmal folgende Weisheit niederschrieb, die man dem neuen Minister dringend nahebringen sollte, ehe halb Hannover im BMVg untergebracht wird:

„Es kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, daß die Hinzufügung eines in einem Stab nicht absolut notwendigen Individuums in sich selbst ein Übel ist“.

Zugegeben, das waren andere Zeiten, und ehe der Autor noch unter Reichsbürgerverdacht gestellt wird, wendet er sich umgehend politisch korrekten Vergleichen zu.

Dem Ministerium von 1990 nämlich, das übrigens schon drei Staatssekretäre mehr hatte als in der Aufbauzeit 1956–1966, in der ein Staatssekretär genügte, obwohl mehr oder weniger aus dem Nichts eine Armee von 500.000 Soldaten mit Heer, Marine und Luftwaffe aufgestellt, ausgerüstet, untergebracht, bewaffnet und geführt werden musste. Letzteres ein Aufgabenzuwachs gegenüber vordemokratischer Zeit, in der penibel darauf geachtet wurde, dass Fragen der Kommandogewalt der parlamentarischen Kontrolle entzogen blieben. Ebenso übrigens wie die Personalführung, die im zehn Dienstposten starken Militärkabinett des Kaisers erfolgte. Gut, das Ministerium – unter Minister Stoltenberg übrigens – verfügte 1990 über 5.000 Mitarbeiter, die Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Sanität waren ministerielle Abteilungsleiter und zugleich Oberbefehlshaber von Heer, Marine, Luftwaffe und Sanität. Hierzu verfügten sie über umfangreiche Führungsstäbe, die beides waren – Abteilungen des Ministeriums und wenn man so will, Oberkommandos der jeweiligen Teilstreitkraft.

Zudem war die Personalführung aller Offiziere im Ministerium verankert, und es gab noch allerlei hilfreiche Geister wie Übersetzer und große Schreibbüros, es war ja noch die alte Zeit ohne PC und Internet.

Minister Rühe passte dann in den frühen neunziger Jahren die Größe des Ministeriums der verkleinerten Bundeswehr an. 3.500 Dienstposten im Ministerium für 350.000 Soldaten, die es zunächst noch sein sollten. Dies geschah allerdings mit einem Buchhaltertrick, es wurden nämlich Aufgaben und Personal an nachgeordnete Stellen abgegeben. Die Personalführung der Offiziere unterhalb des Dienstgrades Oberst z.B. an das Personalamt – das jetzt sicher irgendeinen langen Namen trägt, in dem das Wort Management vorkommt – die Übersetzer an das Bundessprachenamt und so fort. Das Ministerium wurde also im Verhältnis zu Truppe und Aufgaben größer und nicht kleiner.

Und die Gegenwart?

Auf diesem Weg schreitet es seitdem unbeirrt fort, egal welcher Partei die Minister angehören. Geradezu erheiternd ist die Dienstpostendichte im sogenannten Leitungsbereich. Kriegsminister von Falkenhayn kam 1913 noch mit zwei Majoren als Adjutanten aus. Verteidigungsminister Stoltenberg hatte einen Oberst und zwei Oberstleutnante und einen Ordonnanzoffizier im persönlichen Umfeld, dazu einen Büroleiter, besagte vier Staatssekretäre, den Planungsstab sowie den Presse- und Informationsstab und weitere Büros. Heutzutage ist das Ministerium so unübersichtlich, dass der Minister zur Leitung einen Leitungsstab braucht, der vom „Leiter Leitungsstab“ geleitet wird, eine geradezu Wagnersche Alliteration. 

Dabei hat das Ministerium inzwischen weitere Aufgaben abgegeben – die Inspekteure und ihre Führungsstäbe sind seit einiger Zeit nicht mehr Bestandteile des Ministeriums. Aber das wird – siehe Eingangsbemerkung – nicht kleiner, sondern größer.

3.000 Dienstposten jetzt – wofür eigentlich? Nicht für die ca. 185.000 Soldaten jedenfalls, denn die werden nunmehr ja von den Kommandos der Teilstreitkräfte geführt. Was sagt das Parlament dazu? Natürlich nichts, weil das Gerede von der Parlamentsarmee leer ist, sobald die Interessen der Regierungsparteien berührt werden. 

Was wird nur werden?

Mit Blick in die Zukunft liegt folgende Rechnung nahe:

1913 kamen 0,001 Ministeriumsangehörige auf einen Soldaten, nun, gute 100 Jahre später sind es 0,016 bei etwa gleicher Aufgabenstellung, also das Sechzehnfache. Bleibt es bei diesem Wachstum, werden in weiteren hundert Jahren vier Soldaten einen Ministeriumsangehörigen begründen. Bei 185.000 Soldaten würde das Ministerium dann ca. 46 000 Dienstposten umfassen. Nicht auszudenken, wie viele zusätzliche Dienstposten erforderlich wären, um ein solches Ministerium zu führen. Wahrscheinlich wird bald ein Minister ein Ministerium zur Führung des Ministeriums fordern. Oder Boris Pistorius wird von einem gebildeten Mitarbeiter, so etwas soll es ja auch geben, an Bronsart von Schellendorf erinnert. Man darf gespannt sein.

 

Stephan Miller, Jahrgang 1957, ist pensionierter Offizier und lebt in Brüssel. Seine unspektakuläre Laufbahn brachte ihm ein Studium der Wirtschaftswissenschaften, eine schöne und lange Zeit in der Infanterie, allerlei Stabsverwendungen sowie interessante Einsichten in das Ministerium, die EU und die NATO.

Foto: Pixabay

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Andreas Rühl / 02.02.2023

Zur Formel Parkinsons noch die Anmerkung, dass es sich um eine Satire gehandelt hat…. Ursprünglich. Übrigens wächst die Zahl der Beamten nach der Formel ins Unendliche, wenn es gar kein Kriegsschiff und null marinesoldaten, dockarbeiter und so weiter mehr gibt…. Das erinnert mich an die jährlichen Steigerungen bei der tabaksteuer, die notwendig dazu führen muss, dass irgendwann NULL Zigaretten in einer Packung unendlich Euro kosten werden.

Moritz Ramtal / 02.02.2023

Eigentlich ist das Ministerium das falsche Beispiel. Die Ampel hat seit Antritt über 4.000 neue Dienstposten geschaffen, verhältnismäßig dürfte das BMVg also noch recht gut dastehen. Rechnet man die Quasistellen in den vom Regime finanzierten NROs mit ein noch besser.

Oliver Lang / 02.02.2023

“Auch wenn die Bundeswehr kleiner und schwächer wird, so wächst doch der Apparat, der sie verwaltet, immer weiter.” ist auch keine neue Erkenntnis. Parkinsonsche Gesetze 1955:   - Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht   - Jeder Angestellte wünscht, die Zahl seiner Untergebenen, nicht jedoch die Zahl seiner Rivalen zu vergrößern.   -Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit. Er [Parkinson] geht sogar so weit zu behaupten, dass die Kernaufgaben auch ganz wegfallen könnten, ohne dass die Verwaltung deshalb schrumpfen würde.

Dennis Decker / 02.02.2023

Die Wasserköpfe betreffen nicht nur Bundeswehr, sondern ganze Administration! 10€ für ein Artikel, der den krebsartige Wucherung unserer Bürokratie gut genau so bildlich, gut belegt beschreibt.

Boris Kotchoubey / 02.02.2023

Einfach ein Ministerienabbauministerium gründen, dann ist alles in Ordnung

Rolf Mainz / 02.02.2023

Beamte tendieren dazu sich gegenseitig zu beschäftigen und parallel die eigene Leistung stetig herunterzufahren - kein Wunder, dass in der Folge der administrative Wasserkopf anschwillt. Bestens auf Kosten des Steuerzahlers ausgestattet, unkündbar, gratis privat krankenversichert, gering besteuert, jede Stunde Arbeitszeit geltend machend, sicher und grosszügig pensioniert. Und es verhält sich wie das berühmte Beispiel der Ruderbootrennen mit Steuermann: Deutschland rudert gegen Japan (könnte auch China sein…), Japan gewinnt. Wie reagiert Deutschland? Indem es einen Ruderer durch einen weiteren Steuermann ersetzt. Folge: Japan gewinnt noch deutlicher. Deutschland ersetzt in der Folge nach jeder weiteren Niederlage einen weiteren Ruderer durch weitere Steuermänner. Bis kein Ruderer mehr übrig ist…

Peter Wachter / 02.02.2023

Tja is aber in allen (Bundes)Ämterm so, womit ich das nicht relativieren will, nur es wundert mich nicht mehr, gewundert hat mich aber als ich heute las, das der MAD (Nachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland zuständig für die zivile und militärische Auslandsaufklärung, inzwischen 6500 Mitarbeiter) nicht mehr im Ausland Ausländer aufklären darf. Glaubt du nicht, schauts dies auf YT: “Falsches Signal: Flughafen macht Abschiebe-Terminal dicht | BILD-Kommentar Claus Strunz”.

Sturm Peter / 02.02.2023

Nun, es werden noch etliche afrikanische Fachkräfte für Büroklammern sortieren, Briefmarkenkleben und Stempeln händeringend gesucht. 90 Millionen Überbevölkerung (8Milliarden) müssen irgendwo gestapelt werden. Der Humanismus der Zivilisation verbietet sich die Endlösung zu Ungunsten seiner Selbst.

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