Gastautor / 14.07.2024 / 16:00 / Foto: WikiCommons (bearbeitet) / 8 / Seite ausdrucken

Ein Ball hat mehr Durchschlagskraft als 1.000 Raketen

Von Klaus-Erich Strohschön.

Zum Endspiel-Tag der Fußball-Europameisterschaft: Ein Loblied auf das friedliche Zusammenspielen der Völker.

Mehr Eigentore als von Stürmern geschossene, lauter Tore in der letzten Minute, die Hand Gottes hat auch wieder mitgespielt, Schiedsrichter und der Video-Assistent haben sich auf nie gekannte Weise blamiert, die Fans waren die eigentlichen Stars, und die besseren Teams haben häufig verloren…

So könnte man in aller Kürze die Fußball-EM 24 zusammenfassen. Die mit einer großen Euphorie (nach dem 5:1 Deutschlands über die Schotten) begann, und die uns durchaus einen heiteren Sommer bescherte, trotz Sturm und Regens. Zum Glück waren dies alles heitere Spiele, die uns jubeln und staunen ließen. Und die Europa durchaus ein weiteres Stück zusammengebracht haben. Allein die sympathischen Schotten zu Beginn des Turniers oder die furios aufspielenden Georgier haben unsere Herzen erreicht. 

Wenn man zurückdenkt in der Geschichte, wurden solche Begegnungen bei uns noch vor 80 Jahren auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Höchst blutig und mit beinharten Konsequenzen. Man kann sich vorstellen, dass es taktisch nicht viel anders ablief: Blitz-Einwechslungen, Überraschungs-Angriffe in der letzten Minute, „alles nach vorne werfen“, statt 4er-Ketten, Soldaten in tödlichen Schlachtformationen. Und am Ende vieler Schlachten waren nicht nur Tausende von Toten zu beklagen, sondern die Geschichte musste umgeschrieben werden, ganze Länder wurden unterworfen oder gar aufgelöst, Gewalt-Herrschaften wechselten hin und her. 

Leichtes Spiel statt tödlicher Ernst

Dagegen ist eine friedliche EM (wie die nun zu Ende gehende in Deutschland) mehr als eine Wohltat. Und vor allem: Es ist nur noch leichtes Spiel statt tödlicher Ernst. Europa ist zwar kein „geiles Land“, wie die Bild-Zeitung in ihrer Werbung provokativ behauptet, sondern immer noch ein Kontinent mit 47 Einzelstaaten. Doch es ist schon großartig, wie die meisten Länder seit 1945 zusammengewachsen sind.

An den östlichen Grenzen sieht man dagegen, wie brüchig und umkämpft dieser Frieden noch immer ist. Ob und wie sich Ukraine & Co. in das friedliche Europa integrieren können, wird eben (noch) nicht auf dem Spielfeld, sondern mit roher Waffengewalt bestimmt. Und „unser“ Europa sollte hier nicht den Fehler machen, die Aggression Russlands stets mit den gleichen Waffen zu beantworten. Ein einziger Fußball kann am Ende mehr Durchschlagskraft haben als tausend Raketen! Das hat die EM doch gerade wieder gezeigt! 

Wir können dankbar und zufrieden sein über unsere Verhältnisse in Nord-, Mittel- und Südeuropa. Wir sollten aber auch nicht übers Ziel hinausschießen und alle Ländergrenzen abschaffen wollen. Das würde die jetzige stabile Ordnung nur gefährden. Ansonsten könnte man ja auch keine schönen und spannenden Spiele gegeneinander mehr austragen, nach der die Menschen (vulgo: Fans) lechzen. 

Der jetzige Zustand ist nahezu ideal und gleichzeitig brüchig. Und nur, wenn wir es schaffen, sämtliche militärischen Aufmärsche dieser Welt durch friedliche Fanmärsche zu ersetzen, und so sämtliche destruktive Energien in friedliche umzupolen, hat unser Europa eine gute Zukunft.

Klaus-Erich Strohschön studierte in seiner Heimatstadt München Germanistik. Parallel lernte er bei Harry Kupfer das Regie-Handwerk und wirkte als freier Opernregisseur. Dem schloss sich eine Karriere in der Werbung an. Begonnen als Texter, wurde er schnell zu einem führenden Werbe-Strategen und arbeitete für große Marken wie Mercedes-Benz. Auch als „gefürchteter“, aber durchaus wohlwollender Kulturkritiker einer Tageszeitung machte er von sich reden.

Foto: Unknown author - Here, Public Domain, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Volker Kleinophorst / 14.07.2024

@ Luhmann Oder kurz: Ich fass es nicht.

Lutz Liebezeit / 14.07.2024

Das Fußballstadion ist hochpolitisch und wird als moderner circus maximus mißbraucht. Ganze Städte sind vollgeklebt mit dösigen Fußballnarrheiten. Ultras, Wanderers, Totenköpfe, Dämonen, Humunculi, Gewaltorgien. Der Gladiator ist eine gelenkte politische Macho-Bestie, die ihre Intelligenz in den Wadeln hat und uns die Regeln des Zusammenlebens an den Kopf ballert. Leg dich nicht mit Sankt Pauli an! HSV gegen Faschismus! Den Parteien ist nichts zu niedrig. Es gibt nichts Blöderes als Fußball.

W. Renner / 14.07.2024

„Wir können dankbar und zufrieden sein über unsere Verhältnisse in Nord-, Mittel- und Südeuropa.“ Ja das Leben kann wirklich Strohschön sein. Selbst im Donbas und im Südsudan die lebenden ja auch heilfroh noch am Leben zu sein. Man muss den Massstrich nur tief genug setzen, dann ist das Glas immer voll.

Gerd Quallo / 14.07.2024

Ist heute der 1. April?

Dietrich Herrmann / 14.07.2024

Es ist schon interessant, wenn man sieht, wie ca. 25x25 Multimillionäre auf einem Rasen einem Ball hinterher jagen, um ihn in einem vernetzten Kasten unterzubringen. Sie erleiden unglaubliche Schmerzen bei Fouls, aber außerirdische Freuden bei einem Tor. Und diskutieren können die alle! Erstaunlich. Ebenfalls großartige Leistungen erbringen die Fans 90 Minuten oder mehr indem sie sich die ganze Zeit mit Grölerei die Zeit vertreiben. Und künstlerisch tätig sind sie: Trommel-Lehrgang 90 Minuten für die anderen Zuschauer.    OK, ich habe mir trotzdem einige Spiele angesehen, bei Servus TV, wegen der himmelhoch besseren Kommentatoren als die deutschen.  Ich bin für Spanien!

Heiko Stadler / 14.07.2024

Ein Fußballspiel von einer bunten Mischung aus allerlei Völkern gegen eine andere bunte Mischung ist so spannend wie ein wokes Sportfest, bei dem es keine Punkte gibt.

Karsten Dörre / 14.07.2024

“Und nur, wenn wir es schaffen, sämtliche militärischen Aufmärsche dieser Welt durch friedliche Fanmärsche zu ersetzen, und so sämtliche destruktive Energien in friedliche umzupolen, hat unser Europa eine gute Zukunft.” - Dieser Pazifismus hat ebenso wenig Chance, wie bisheriger Pazifismus in der Menschheitsgeschichte. Falls wer jetzt mit “ja, aber die Schweiz” kommt: die war strategisch bedeutungslos und wichtigster Bankier/Käufer für Nazideutschland.

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