Es begann mit dem “alternativlos” der Kanzlerin, denn dieses Wort bedeutet nichts anderes als den Alleinvertretungsanspruch auf die zu glaubende “Wahrheit”. Dieses Wort war der Frontalangriff auf den demokratischen Konsens, der Beginn der Spaltung.
Merkels Stasi ist nicht 100.000-Mann stark, es sind Abermillionen von informellen Mitarbeitern, die ueberall und immer das Reden und wohl auch das Denken verbieten. Und sie ist nicht einmal Big Brother: das machen die sogenannte sozialen Medien, die natuerlich asoziale Medien sind. Die Chefetagen interessiert ihr Unternehmen nicht, sondern nur die naechsten fuenf Jahre. Ein perfect storm. Chaim Noll ist ebenso ein Nazi wie Henryk Broder. Wahrheit ist Luege, Liebe ist Hass. Davon gibt es kein graduelles Zurueck: es wird eine Katharsis geben, aber das Ergebnis ist offen. Ich bin nicht optimistisch gestimmt.
Sie denken also, dass vor Merkel niemals unliebsame Äußerungen unterdrückt wurden, indem man das Einkommen der Äußernden angriff? Es wurde vor Merkel also niemals jemand existenziell vernichtet, weil er die falsche Sichtweise äußerte? Das ist komisch. Seitdem ich denken kann, ist diese Taktik nämlich geläufig, und ich konnte bereits denken, bevor “Angela Merkel” ein Begriff war. Es war schon lange vor Merkel Staatsräson, bestimmte Meinungen zu unterdrücken, und die Existenz deren Inhaber zu vernichten. Ich rede hier von allerlei sogenannten Extremisten oder Tabubrechern, die man auf diese Weise zuerst in den Untergrund trieb, um ihnen dann vorzuwerfen, dass sie in den Untergrund gegangen sind, sofern sie bei ihren Äußerungen blieben. Ich hege den Verdacht, dass Ihr Problem mit mangelnder Redefreiheit kein Prinzipielles ist. Es würde mich zum Beispiel wundern, wenn Sie, aus Gründen der Redefreiheit, für die in jeder Hinsicht ungehinderte Verbreitung von IS- und Nazi-Propaganda wären, und natürlich auch für die ungehinderte Verbreitung jedweder Pornographie, einschließlich Gewaltpornographie, sowie für die ungehinderte Verbreitung von beleidigenden oder diskriminierenden Inhalten, bis hin zur Volksverhetzung. Was ich Ihnen hingegen unterstellen würde, ist, dass es Ihnen nicht schmeckt, dass Sie Ihre eigene Medizin kosten müssen, weil sich der Wind nun gegen Sie gedreht hat. Der Geist der Redefreiheit schützt Extremisten vor der Mehrheit und den Mächtigen. Akzeptable Äußerungen bedürfen dieses Schutzes nicht, eben weil sie akzeptabel sind. Das ist, was “westliche Meinungsfreiheit” eigentlich meint. So lange “Konservative” sich nur dann beklagen, wenn sie selbst Ziel der Angriffe werden, gleichzeitig jedoch kein Problem damit haben, wenn die Redefreiheit Anderer unterdrückt wird, fehlt es an Glaubwürdigkeit. Jeder wird mal Opfer. Ein Opfer, das als Täter nicht anders gehandelt hätte, hat jedoch kein Mitleid verdient.
“...wesentlich beigetragen hat zum Aufkommen des neuen Denunzianten-Unwesens und zur Vergiftung der geistigen Atmosphäre in Deutschland.” Nicht nur die “vorschnelle, inkompetente Verurteilung von Thilo Sarrazins erstem Buch”, sondern jede Großentscheidung dieser unerträglichen Person hat dazu beigetragen. Beginnend mit dem hysterischen Atomausstieg von 2011 geht es bergab…
Mit dem Erfahrungsschatz des in Schland schon mal erfolgreichen Block(g)warts und Abschnittsbevollmächtigten auf dem Weg in Richtung von Gesinnungssystemen, die unter Pol Pot oder aktuell Kim Jong-Un ihre Volkschaften drangsalierten / tyrannisieren ? Sicher und hoffentlich eine übertriebene Zukunftsaussicht, aber die Meinungsfreiheit scheint faktisch abgeschafft.
@Dr. Stefan Maier: Wer, bitteschön, wurde denn im Mittelalter direkt auf dem Scheinterhaufen verbrannt, wenn er anzweifelte, dass die Erde eine Scheibe sei? “Kein kirchlicher oder weltlicherin Spätantike glaubte, die Erde sei eine Scheibe ...” (Reinhold Krüger, Universität Stuttgart) Mindesten seit der Spätantike, z.B. Augustinus, war die Realität Teil des (katholischen) Weltbildes. Diese Art von uninformierter Relativierung heutiger Denunzierung und Meinungsunterdrückung,die man nicht selten auch in der Auseinandersetzung mit islamischen Gewohnheiten lesen kann, ist nicht nur peinlich, sondern auch riskant.
Ich frage neuerdings immer wieder Freunde und Bekannte, ob sie in den letzten Jahrzehnten in Deutschland einen veritablen Antisemiten oder Rassisten kennengelernt hätten. Bisher mussten alle schwer nachdenken, und praktisch durchgehend ist die Antwort: Fehlanzeige. Dagegen stößt man, bevorzugt im Eingangsbereich von Gymnasien, auf das Schild: “Schule ohne Rassismus / Schule mit Courage”. Einer, der es wissen muss, erzählte mir, dass das Schild von einem privaten Verein stamme (welcher genau das ist, ist mir noch nicht bekannt) und dass Schulleiter es sich nicht leisten könnten, das Aufhängen eines solchen Schildes zu verweigern, sie seien dann “untendurch” (bei wem?). Vor 20 Jahren belustigten mich Erzählungen über Politische Korrektheit an amerikanischen Universitäten, heute scheint es bei uns schlimmer zu sein als jemals dort. In der Nachahmung von Blödsinn, sofern er im Mantel des Edlen und Guten daherkommt, sind wir anscheinend Weltmeister.
Ich sehe es zum Teil etwas anders als Sie, Herr Seiler: Auch ich habe in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts studiert, und es waren, bis in die Achtziger, die goldenen Jahre freier Diskussion: Man konnte im Freundes, Bekannten- und auch Studienkreis über alles kontrovers diskutieren: Über Kernkraft, über den § 218, über Todesstrafe, über Nachrüstung, über die Existenz Gottes, über die Kirchen etc. : Oft ging man kompromisslos auseinander, traf sich aber wie selbstverständlich zum Sport, zum gemeinschaftlichen Essen und Trinken, zu weiteren Diskussionsabenden etc.. Wer aber damals schon solche Runden - hier stimme ich Ihnen zu, Herr Seiler - zum Anlass nahm, zwischen Gut und Böse, Dumm und Schlau zu unterscheiden, wer schon damals politische oder halbpolitische Aktionen immer wieder störte/zerstörte, bis hin zur Gewaltanwendung, wenn die Aktionen nicht in ihrem Sinne verliefen, waren die orthodoxen und vor allen die Neulinken und ihre “rote SA”, die damals schon wie heute quasiuniformiert in Schwarz und mit Mundtüchern auftrat, Versammlungen sprengte, zum Teil direkt gewalttätig wurde, Meinungsfreiheit unterdrückte, wenn auch noch nicht so systematisch wie heute! Nachdem die Apologeten und Zöglinge von Marx, Marcuse, Adorno, Dutschke etc. dann scharenweise Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger in die neu gegründeten Alternativen und Grünen übergingen, später auch in die öffentlichen Medien und in die Presse wanderten, wurden geschickte Meinungsmanipulation und heutiges “Haltung zeigen” zum Programm. Der unangepasste Wolfgang Bosbach (CDU) brachte es vor ein paar Jahren sinngemäß auf folgenden Punkt: Natürlich hätten wir in Deutschland Meinungsfreiheit, aber wehe, man übte sie anders aus, als die selbsternannten Meinungs- und Moralhüter es wollten! Ich selbst habe dies mehr als einmal, mittlerweile selbst im “aufgeklärten ” Bekanntenkreis am eigenen Leib erfahren “dürfen”. “Noah würde Segel setzen!”
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