Vera Lengsfeld / 24.09.2021 / 14:00 / Foto: Ot / 20 / Seite ausdrucken

Das Bundesverfassungsgericht als Klimaaktivist

Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning analysieren in ihrem Buch „Unanfechtbar“ den neuen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz – und listen erhebliche Zweifel auf.

Fragt man nach den Merkmalen einer funktionierenden Demokratie, wird an vorderer Stelle die Gewaltenteilung genannt. Den Eltern des Grundgesetzes war vor allem die Unabhängigkeit der Justiz wichtig. Es sollte nie wieder eine politisierte Gerichtsbarkeit geben. Wie weit sich das Bundesverfassungsgericht trotzdem politisiert hat, kann man an einigen jüngsten Entscheidungen festmachen. Mit seinem Beschluss vom 24. März 2021 zum Klimaschutz hat es allerdings eine neue Stufe erklommen. Es hat sich zum Klimaaktivisten gemacht.

Geklagt hatten Einzelpersonen wie Hannes Jaenicke und Luisa Neubauer unter anderem gegen das Klimaschutzgesetz vom 12.12.2019, das angeblich verfassungswidrig gewesen sei, weil „hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen“. Die Regierung reagierte prompt und legte sechs Wochen nach dem Urteil ein verschärftes Klimagesetz vor, das am 24.06.2021 im Bundestag beschlossen wurde.

Durch das Gesetz wird die CO2-Minderung bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt, bis 2040 um 88 Prozent. 2045, fünf Jahre früher, als das Gericht verlangt, soll „Klimaneutralität“ erreicht sein. Der Bevölkerung ist überwiegend nicht klar, dass diese Festlegung einen Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlust zur Folge hat, der zu tiefen Verwerfungen in der Gesellschaft führen wird. Allerdings gehören die erfolgreichen Kläger nicht zu denen, die an den Folgen zu tragen haben werden. Sie werden sich auf ihre Fluchtburgen in anderen Teilen der Welt zurückziehen.

Die späte Erfüllung des Morgenthau-Plans

Viel zu spät wird allgemein bekannt, was man jetzt schon wissen kann: dass die angestrebte Elektrifizierung der Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie ohne Erdgas, ohne die in Deutschland verbotene CO2-Abscheidung in tiefen Gesteinsschichten und ohne die in Deutschland verbotene Kernenergie nicht zu bewerkstelligen ist. Es geht praktisch um die Stilllegung der Gas- und Ölheizungen, das Verbot von Benzin- und Dieselautos, die Aufgabe des dieselbetriebenen LKW-Verkehrs, des Flugverkehres, der Raffinerien, der Grundstoffindustrie und die Durchleitung des in Nordstream 1 und 2 ankommenden Erdgases an unsere Nachbarn, die es dann verbrennen dürfen. Da bleibt neben der Landwirtschaft nicht mehr viel übrig. Das wäre die späte Erfüllung des Morgenthau-Plans, der nach dem Sieg der Alliierten über die Nazis Deutschland in ein Agrarland verwandeln wollte.

Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning kommt das unschätzbare Verdienst zu, in ihrem Buch „Unanfechtbar? Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im Faktencheck“ das Urteil analysiert und alle Fehler des Gerichts aufgelistet zu haben.

Es geht damit los, dass unklar ist, ob an der Beschlussbegründung Fachleute mit klimawissenschaftlicher und energiewirtschaftlicher Fachkompetenz beteiligt waren. Diese Zweifel ergeben sich laut den Autoren aus einem „Anfängerfehler“, den das Dokument enthält.

„So behauptet das BVerfG, dass zwischen Treibhausgasen und dem Anstieg der Temperatur eine ‚annähernd lineare Beziehung‘ bestünde. Das ist falsch, denn der Zusammenhang ist in Wirklichkeit logarithmisch. An anderer Stelle erklärt das Gericht fälschlicherweise, dass nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen von den Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen würden. Auch dies ist objektiv falsch, da derzeit etwa die Hälfte aller globalen Emissionen von CO2-Senken abgepuffert werden …“

„Planungsdruck“ erzeugen und „Verhaltensweisen“ ändern

„Durch Auslassung der in den Fachpublikationen und vom IPPC quantitativ angegebenen Unsicherheiten erweckt das BVerfG in seiner Beschlussbegründung den Eindruck einer alternativlosen klimatischen Gefahrenlage. Hätte das BVerfG die immer noch große Unsicherheitsspanne des genauen Wertes der CO2-Klimasensitivität angemessen berücksichtigt, wären die eventuell noch bestehenden erheblich größeren Handlungsspielräume deutlich geworden.“

Insgesamt fällt auf, dass das Gericht der Sichtweise des Potsdamer Klimafolgenforschungsinstituts (PIK) weitgehend folgt, ohne zu beachten, dass die Katastrophenszenarien dieses Instituts Außenseitermeinungen sind. Auch zitiert das Gericht das Buch „Klimawandel“ der PIK-Autoren Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber, das kein wissenschaftliches Werk, sondern Populärliteratur ist und kein formales Begutachterverfahren durchlaufen hat. Es kommt hinzu, dass streckenweise ganze Passagen aus einer Online-Publikation des grünen Ehemannes einer am Verfahren beteiligten Richterin übernommen wurden. Die Autoren resümieren:

„Eine Fachbegutachtung hätten die BVerfG-Leitsätze nicht erfolgreich überstanden. Und trotzdem bilden sie die Grundlage für politische Entscheidungen.“

Laut Beschlussbegründung war dem Gericht daran gelegen „Planungsdruck“ zu erzeugen und „Verhaltensweisen“ zu ändern. Das geht allerdings weit über seinen verfassungsmäßigen Auftrag hinaus.

„Am Ende führt ein solcher Beschluss zu einem schwerwiegenden Vertrauensverlust in die Institution und Arbeit des BVerfG. Wenn fachlich komplexe Themen derart schlecht und einseitig recherchiert werden, müssen Neutralität und Unabhängigkeit des Gerichts in Zweifel gezogen werden.“

 

„Unanfechtbar? Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im Faktencheck“ von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning, 2021, Langen Müller Verlag: München. Hier bestellbar.

Hinweis: Hören Sie zum gleichen Thema auch ein Indubio-Gespräch mit Sebastian Lüning

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Steffen Huebner / 24.09.2021

Einziger Trost: Wenn sich der Wirtschaftsmotor, der die ganze EU am Leben hält, auch noch zerlegt, ist der Spuk endlich vorbei.

Dr. Joachim Lucas / 24.09.2021

Es ist alle nur Wünsch-dir-was. Diese Leute sind nicht in Lage in komplexen Zusammenhängen zu denken oder das Ganze bis zu Ende zu denken. Es wird ein riesigen Lumpenproletariat geben, das sich Energie (das gleiche wie früher Brot) nicht mehr leisten kann. Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur von 8-9 Grad in D!. Alle Kaufkraft wird durch die Energie- und Mobilitätskosten absorbiert. Ein Rückfall in Zeiten des Feudaladels ist die Folge, der sich einen Dreck um die verelendeten Leute schert. Hauptsache die Schwachsinnsreligion des “Klimas” wird hochgehalten. Gegen das, was hier läuft, war die Russische Revolution mit ihrem kompletten gesellschaftliche Umsturz ein laues Lüftchen. Sie werden am Ende alles zerstört haben und sonst nichts.

Rainer Nicolaisen / 24.09.2021

Nu, nennen wir das BVerfG vielleicht am treffendsten: Schäbiger, geistloser Erfüllungsgehilfe der Regierungspolitik. Eben verderbt.

Claudius Pappe / 24.09.2021

Berichtigung : Luisa Neubauers Ur-Großvater war Alwin Siegfried Fürchtegott Reemtsma -nicht der Großvater . Auszug aus Klimanews : ” Der Urgroßvater von Luisa und Carla war Alwin Siegfried Fürchtegott Reemtsma (1895–1970), Zigarettenfabrikant, Standartenführer der Waffen-SS, 1939 Verleihung des Ehrendegens des Reichsführers SS. Ihr Großvater war Feiko Reemtsma (1926–1999), Zigarettenfabrikant aus Hamburg. Die Mutter von Luisa Neubauer ist Frauke Neubauer (geb. Reemtsma) und der Vater von Carla Reemtsma ist Reemt Remmtsma. Frauke Neubauer ist gemäß COMPANYHOUSE Gesellschafterin der Reemtsma Grundbesitz Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH, ihr Bruder Reemt Reemtsma ist gemäß COMPANYHOUSE Geschäftsführer der Reemtsma Grundbesitz Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH. Die Familien Neubauer/ Reemtsma hat weitreichende Verbindungen zur Wirtschaft und Vermögen in Wohn-/ Grundbesitz und Beteiligungen an Schifffahrtsgesellschaften, etc. investiert und betreibt Vermögensberatung/ -anlage/ -verwaltung im großen Stil. Das ist alles andere als würdig für vorbildliche Klimaschützer! Und dann noch mit dem Finger auf andere Unternehmer zu zeigen und die Politik als Schuldigen anzuklagen ist mehr als Doppelmoral! Wenn man Klimaschutz fordert, dann muss man zuallererst bei sich selbst anfangen und nicht nur Klimaschutz von anderen einfordern! “

Claudius Pappe / 24.09.2021

Bitte bei TE nachlesen welche Verbindungen die maßgebliche Richterin über ihren Ehemann zu den Grünen hat. Sie hat Teile der Urteilsbegründung aus einem Wochen vorher veröffentlichen Artikel von ihrem Ehemann übernommen…............................Über die Nazi-Vergangenheit des Großvaters der Luisa Neubauer Fürchtegott Reemtsma dürfte ja schon einiges bekannt sein ( 28 000 Zwangsarbeiter schufteten für Wasser und Brot für die Reemtsma Familie während des zweiten Weltkrieges auf der Krim ). Der ÖR ( ARD und ZDF ) ist der Arbeitgeber des untalentierten ” Schauspielers ”  Jaenicke .

Raimund Mönig / 24.09.2021

@Vera Längsfeld: Ich lese derzeit »Unerwünschte Wahrheiten«, gleiche Autoren, gleicher Verlag – ich bin erst am Anfang, aber das Buch räumt auf mit dem ganzen Lügengebäude um den »menschengemachten« Klimawandel, das von geistigen Tieffliegern verzapfte Urteil des BVG wird ordentlich zerpflückt, empfehlenswert zur Klimageschichte ist J. Reichholfs »Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends« (Fischer TB).

D. Schmidt / 24.09.2021

Thunberg nennt Deutschland “Klima-Schurken” und neben dran steht Luise Neubauer oder wie die Tussi sich nennt. Genau, wir sind ein Schurkenstaat mit 2% Dreck am Weltaufkommen, der von seiner Industrie lebt, weil wir sonst nichts zu bieten haben. Wir machen den Dreck, den andere nicht haben, aber unsere Produkte kaufen, ohne die sie nicht leben können. Diese 2 Tussen sollten mal nach China oder sonst wo zum Hüpfen. Trauen sich aber nicht, weil sie dort für ihr Verhalten eingesperrt werden. Und unsere Politik biedert sich diesem Kinderkram auf kindische Weise an. Leute wählt endliche einen Besenstiel. Mit dem kommt man weiter als mit solchen Figuren.

Wilfried Cremer / 24.09.2021

Liebe Frau Lengsfeld, das BVG will auch im Fleisch des Heilands der Natur erscheinen. Wo schon Bischöfe mit Greten dicke sind, ist das juristische Geprotze ja gesegnet.

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