Das Unangenehmste am Wählen ist der Wahlkampf, auf dem Fuße gefolgt von einer Wahl zwischen Räude und Krätze. Wenn Sie auch noch nicht wissen, wen oder was Sie wählen oder besser nicht wählen sollen – Sie sind nicht allein.
Jetzt hängen sie wieder alle an den Laternen, in effigie natürlich nur, und Schlimmeres will man ihnen ja gar nicht wünschen. Obwohl – naja. Egal: Das Unangenehmste am Wählen ist der Wahlkampf, auf dem Fuße gefolgt von einer Wahl zwischen Räude und Krätze. Wenn Sie auch noch nicht wissen, wen oder was Sie wählen oder besser nicht wählen sollen – Sie sind nicht allein.
Auch wenn sie sich heuer wieder übertreffen hier bei uns in der Provinz, die Männer und (wenigen) Frauen, die um unsere Stimme buhlen. Lokale Kräfte werben mit „Der Junge macht das“ (SPD) oder „Ein echter Landwirt für Berlin“ (AfD). Bei manch anderem breit Plakatierten würde man freiwillig keine Versicherungspolice abschließen – und der will Bürgermeister werden? Und sich die immer wieder aktuellen Beschwerden über dieses oder jenes neue Schlagloch auf den Straßen anhören?
Es ist schon richtig: Wahlkampfslogans sind selten intelligent, es müssen ja „alle“ abgeholt werden, und Politiker sind offenbar der Meinung, die geistig ein wenig geringer Ausgestatteten seien in der Mehrheit. Doch einfache Sprache kann ganz schön daneben gehen. Etwa beim Hauptplakat der CDU: „Weil es um die Menschen geht, wenn es um Deutschland geht.“ Ex Bild-Chef Hans-Hermann Tiedje meint, das sei fast so intelligent wie der Spruch „Nachts ist es kälter als draußen.“ Auch wieder wahr. Mich allerdings macht das Wort „Menschen“ nervös. Denn immer, wenn es angeblich „um die Menschen“ geht, wird kein Widerspruch geduldet. Dabei hat die „Volkspartei“ CDU, die Kanzlerin Merkel dabei geholfen hat, das Land abzuschaffen, gewiss weder „die“ Menschen noch „Deutschland“ im Sinn, sondern Wählerstimmen. Ob Pipifax da hilft? Denn was sonst soll uns „Deutschland gemeinsam machen“ sagen? Dass bei uns dank Pandemiepanik alles in die Hose geht?
„Respekt für dich“
Mal schauen, wie viele es diesmal gibt, die überhaupt noch wählen gehen. A wie Ahrkatastrophe und Afghanistan. B wie Baerbock. C wie einstige Volkspartei. D wie Delta-Virus. E wie EU. F wie öffentlich-rechtliches Framing. G wie Geld weg. H wie Habeck. I wie Impferpressung. Undsoweiter undsofort. V wie Vertrauen ist dahin.
Doch vergessen wir über alledem nicht die SPD, ebenfalls Regierungspartei, mit ihrem neuen Shootingstar, Olaf „Knäckebrot“ Scholz, der soeben von den Medien in den Scholz-Zug geschickt wird. Der lässt sich wie einst polizeilich erfasste Straftäter leicht umwölkt mit einem Schild vor der Brust abbilden, auf dem „Stimmzettelumschlag“ steht. Ob er da reinpasst?
Vor allem aber begeistert Olaf Scholz mit dem Slogan: „Respekt für dich“. Da ich nicht geduzt werden möchte, kann er mich nicht meinen. Überdies ist das einst verheißungsvolle Wort mittlerweile unter die Räder gekommen. Respekt ist nicht mehr das, was man hat – zum Beispiel einer alten weißen Frau gegenüber – sondern was man herrisch verlangt, etwa, wenn man zu einer Gruppe südländisch aussehender junger Männer gehört, die es, kommen sie einem in Phalanxformation entgegen, ratsam erscheinen lassen, die Straßenseite zu wechseln. Es gibt wenig, was respektloser wäre.
Bereitet Olaf Scholz uns damit womöglich auf die Einreise respektheischender Jungmänner aus Afghanistan vor, die er auch ohne Visum einfliegen lassen möchte – also ohne Anspruchsprüfung und Kontrolle? Muss man demnächst nur „Ortskraft“ murmeln, so wie 2015 „Syrer“ reichte, um ein Willkommensbärchen zu erhalten?
Also lasst uns doch und steht uns nicht immer im Weg!
Aber was reg ich mich auf. Wir hier in der Provinz sind duldsam. Bei uns werden keine Plakate abgerissen oder mit Hassrede beschriftet, die AfD müsste ihre gar nicht so hoch hängen, zumal sie sich auf Slogans beschränkt, die irgendwie normal sind: „Kein Wohlstand ohne Mittelstand“, etwa. Stimmt doch. Auch das, was Die Grünen plakatieren, mit den so sympathisch lächelnden KandidatInnen: „Unser Land kann viel, wenn man es lässt.“ Stimmt ebenfalls. Also lasst uns doch und steht uns nicht immer im Weg!
Wir haben sowieso andere Sorgen. Immer spannend, wenn der Förster vorbeikommt, der zugleich ein Jäger ist. Nicht nur, weil er Beute mitbringt. Sondern auch, weil er was zu erzählen hat. Zum Beispiel das hier.
In Cäsars „De bello gallico“ wird in einem Exkurs über die Germanen berichtet, auf welche Weise sie im Herkynischen Wald Elche jagen. Diese ziegenartigen Tiere hätten keine Kniegelenke, weshalb sie sich zum Schlafen nicht hinlegen könnten. Also lehnten sie sich zur Nachtruhe an Büsche oder Bäume. Doch der schlaue Germane spioniert ihre Schlafstellen aus, sägt den Baum an oder unterwühlt das Gebüsch – und schon fällt der Elch um und wird zu leichter Beute.
So viel zum Verhältnis zwischen Wald und Tier, das derzeit in unseren Breiten aus anderen Gründen gestört ist. Der Forstwirt möchte aufforsten. Dabei stört das Rehwild, das sich nichts lieber gönnt als saftige Bäumchen. Weg mit ihm! Was wiederum dem Jäger missfällt, der nicht ausrotten mag, was er noch jagen will. Was also tun? Sich an Jungbäume ketten oder schützend vor Bambi werfen? Ein moralischer Konflikt erster Güte.
Interessiert das irgendeinen unserer tapferen Wahlkämpfer? Nein. Eben. Siehste.
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