Das vor allem in Bayern strapazierte Klischee glücklicher Kühe auf grüner Weide trifft, wenn überhaupt, am ehesten auf Tiere in Irland zu. Da sollte man eigentlich viel öfter zu irischer Butter greifen.
Vor ein paar Jahren dachte ich noch an einen schlechten Witz, wenn davon die Rede war, dass pupsende und rülpsende Kühe für die Anreicherung der Atmosphäre mit extrem klimaschädlichem Methan mitverantwortlich seien. Jetzt droht daraus bitterer Ernst zu werden. Die irische Regierung erwägt nämlich, in den nächsten drei Jahren bis zu 200.000 Milchkühe zwangsschlachten zu lassen, um „die Klimaziele“ zu erreichen.
Bis 2025 müssten 65.000 Milchkühe pro Jahr „aus dem Markt“ genommen werden. Insgesamt zehn Prozent des irischen Viehbestandes sollen laut einer Sprecherin des Agrarministeriums in Dublin durch „andere Aktivitäten“ ersetzt werden, das wären rund 700.000 Tiere. Auf irischen Weiden grasen fast sieben Millionen Rinder, etwa doppelt so viele Viecher wie Menschen.
Dabei war die irische Milchproduktion bislang eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Goldgelbe Butter von der feuchten Insel in den Kühlregalen deutscher Supermärkte zeugt davon. Irische Butter, vertrieben vor allem unter dem Markennamen Kerrygold, ist nicht nur ob ihrer attraktiven Farbe beliebt, sondern auch wegen ihrer Streichfähigkeit. 2018 exportierten die Iren Butter im Wert von mehr als einer Milliarde Euro. Für Deutschland ist Irland nach den Niederlanden der wichtigste Butter-Lieferant.
Ich dachte immer, dass irische Butter voll künstlicher Zusatzstoffe sei und griff lieber zu deutscher Markenbutter. Doch wenn die mir zugänglichen Informationen stimmen, ist die besondere Konsistenz und Farbe irischer Butter das Ergebnis der Ernährung der Kühe ausschließlich mit frischem Gras. Irische Kühe verbringen nämlich wegen der vom Golfstrom verursachten milden Witterung auf der nicht umsonst „grün“ genannten Insel fast das ganze Jahr unter freiem Himmel und mümmeln, was das Zeug hält, ohne dass sich der Rohstoff Gras je erschöpfen würde.
Man setzt auf „muttergebundene Kuhhaltung“
Deutschen Kühen dagegen wird der Luxus des Weidegangs immer seltener zuteil. Seit die EU die Bauern dazu gezwungen hat, große, angeblich tierfreundlichere Laufställe zu bauen, lassen viele Landwirte ihre Viecher aus Gründen einer effizienteren Bewirtschaftung ganzjährig im Stall. Und weil zudem die natürliche Futterbasis in Form von Grünland für die hierzulande überdimensionierten Viehbestände nicht ausreicht, landet massenhaft (importierter) Futtermais in den Trögen deutscher Milchkühe. Mais enthält weniger Carotin als Gras, deshalb die schon fast aufdringliche, goldgelbe Farbe irischer Butter. Außerdem soll Butter von der Insel infolge eines höheren Gehalts an ungesättigten Fettsäuren gesünder sein.
Das vor allem in Bayern strapazierte Klischee glücklicher Kühe auf grüner Weide trifft, wenn überhaupt, am ehesten auf irische Tiere zu. Weidekühe sind nämlich seltener krank als ihre Artgenossen, die im Stall mit Gras-Silage – vergorenem Grünschnitt – und Kraftfutter ernährt werden. Außerdem müssen sie weniger Milch liefern als Hochleistungskühe anderswo. Die irische Ornua-Kooperative („Kerrygold“), an der etwa 14.000 irische Bauern beteiligt sind, wirbt zudem damit, dass die für sie tätigen Landwirte eine „muttergebundene Kuhhaltung“ praktizierten. In Deutschland werden Kälber meist kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und in sogenannten Iglus mit der Flasche aufgezogen.
Bei so viel Öko und Tierschutz sollte man eigentlich viel öfter zu irischer Butter greifen, auch wenn es sich um ein aus Sicht von Klimaschützern „böses“, weil importiertes Produkt handelt. Doch daraus wird wohl nichts, weil die Iren offenbar drauf und dran sind, freiwillig ihre Landwirtschaft zu ruinieren. So, wie es schon die Niederlande vorgemacht und dabei zum Teil gewalttätige Proteste der Landbevölkerung provoziert haben. Vielleicht sollte sich die Regierung in Dublin wieder einmal daran erinnern, dass nicht zuletzt der Siegeszug ihrer Landwirtschaft vergessen gemacht hat, dass einst Millionen Iren ihrer Heimat den Rücken kehrten, weil sie sonst verhungert wären.
Ich werde jetzt jedenfalls öfter mal zu irischer Butter greifen. Und würde es sehr begrüßen, wenn es auch eine gesalzene Variante gäbe. Irische Butter, die nicht für den Export bestimmt ist, ist nämlich traditionell immer salzig. Hält länger und schmeckt besser, mir zumindest.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.