Chaim Noll / 21.06.2019 / 06:25 / Foto: Bundesarchiv / 89 / Seite ausdrucken

Bye, bye, Berlin

Ich bin gebürtiger Berliner. Auch meine Mutter und deren Mutter. Und deren Eltern, also zwei meiner acht Urgroßeltern. Mit einer Vorgeschichte von vier Generationen gehöre ich im heutigen Berlin zu einer Minderheit. Und zweitens: Ich habe Berlin einmal geliebt. Besonders den Westen der Stadt, der uns, als wir Anfang der Achtziger dem Osten entflohen, als lebendiges Modell westlicher Freiheit erschien. Auch der verwestlichte Osten war eine Zeitlang bezaubernd. Es war beglückend zu sehen, wie die durch totalitäre Willkür und Misswirtschaft ruinierten Stadtteile aufblühten. Umso deprimierender im letzten Jahrzehnt der Rückschlag: die übergreifende Ossifizierung Berlins.

Die Stadt ist längst, wie man im Amerikanischen sagen würde, „a failed city“. Der skandalöse Flughafen, der seit zehn Jahren Millionen verschlingt, damit sich immer neue Generationen dubioser Bauleute und korrupter Politiker daran bereichern können, ist das selbst geschaffene Symbol. Wer Süditalien kennt, weiß: An solchen Bauprojekten, die nie zu Ende kommen, erkennt man Mafia-Wirtschaft.

Infrastrukturell funktioniert in der Stadt nur noch das Nötigste. Und auch das oft nicht mehr. Die Taxi-Fahrer schimpfen über die sinnlosen Baustellen und Umleitungen. Eine Stadt, in der man zwar ständig neue gloriose Projekte beginnt, aber nicht zu Ende bekommt. Oder, wie die „Begegnungszone“ in der Bergmannstraße in Kreuzberg, bald wieder abbauen muss. Hier hatte ein grüner Stadtrat für über eine Million Euro seine Vorstellungen von futuristischer Urbanität in Szene gesetzt: die Straße wurde mit grünen Punkten und Kreisen besprüht, am Rand der Fahrbahn orangefarbene, an Foltergeräte erinnernde Eisenstühle installiert, die zwar Parkplätze blockierten, aber – außer in der Nacht von Betrunkenen – von niemandem genutzt wurden. Auch diese Million, eine von vielen, ist in Rauch aufgegangen, beziehungsweise in grünen Punkten.

Neuzuwanderer aus Tuttlingen und Paderborn

Dass nichts mehr so richtig funktioniert, sei ja gerade das „Improvisierte“, „Spontane“, erklären mir Berlin-bewusste Neuzuwanderer aus Tuttlingen und Paderborn, das „Schräge“, das den besonderen Reiz der Stadt ausmache. Es mag amüsant sein, solange alles gut geht. Opfer von Diebstahl und Übergriffen beklagen allerdings die paralytische Langsamkeit der Polizei. Und, falls es zu einer Anklage kommt, der Berliner Justiz.

Ein von jungen Arabern attackierter türkischer Taxifahrer erzählte mir, es hätte nachts in der Innenstadt zwanzig Minuten gedauert, bis die Funkstreife kam. Auch ein Polizist sprach offen davon, seine Behörde sei durch Personalmangel „überfordert“. Man müsse ganze Stadtteile „sich selbst überlassen“. Besser gesagt: den arabischen Clans, die dort hausen. Danach bat er mich inständig, niemandem von unserem Gespräch zu erzählen, zumindest keine Angaben zu machen, die ihn „verraten“ könnten. Denn, so schlampig die Berliner Behörden sind, so gut funktioniert das Denunzieren und Entfernen Unliebsamer aus dem öffentlichen Dienst.

Um heute in Berlin einen Termin auf dem „Bürgeramt“ zu bekommen, etwa zur Verlängerung des Reisepasses, muss man sich drei Monate vorher anmelden. Die unbegreiflich geduldigen Berliner, in einer Mischung aus Resignation und Furcht, nehmen es hin. Was sollen sie auch machen? Die Zugezogenen aus aller Welt – inklusive westdeutsche Provinz – betrachten Berlin als ihren Abenteuerspielplatz und sorgen bei den Wahlen dafür, dass der experimentelle Nonsens an der Macht bleibt.

Unter den üblichen galligen Scherzen bezahlen die länger Ansässigen, noch Arbeitenden mit ihren Steuern den Ideologie-gesteuerten Humbug der Politiker, etwa eine „Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales“ namens Sawsan Chebli, die ihre Zeit damit verbringt, groteske Tweets in die Welt zu setzen und Strafanzeigen – mehrere pro Tag – gegen Mitbürger zu erstatten, von denen sie sich in ihrer unerschöpflichen Eitelkeit beleidigt fühlt. Oder sich über einen früheren Botschafter zu beklagen, der sie in diplomatischer Heuchelei „eine schöne Frau“ genannt hatte. Es hätte kaum Sinn, Frau Chebli zu erklären, dass die Stadt Berlin einst berühmt war für ihren Humor.

Amerika-Hasser, für die „Dankbarkeit“ ein Fremdwort ist

Ich habe noch einen Berliner „Wohnsitz“. Dort lebt meine alte Mutter, die ich gelegentlich besuche. Zum Glück liegt unser Ort einige hundert Meter außerhalb der Stadtgrenze, verwaltungstechnisch bereits im Bundesland Brandenburg, das zwar gleichfalls unter einer rot-roten Regierung von implodierender Infrastruktur gezeichnet ist, uns aber wenigstens – wegen der ständig schwindenden Bevölkerung – in den fast leeren Behörden keine langen Wartezeiten mehr abverlangt. Auch hier sind Post, Supermarkt und der letzte Arzt längst aus dem näherem Umkreis verschwunden. Um ein Päckchen abzuschicken, braucht es eine längere Fahrt über Land. Und die Postsendung kommt in vielen Fällen nicht am Bestimmungsort an.

Berlin war einst eine Stadt mit Charakter. Auch der schwindet mit dem Niedergang. Der Senat, der sonst alles durchgehen lässt, Kundgebungen der Hamas und offenen Rauschgift-Handel, verbot dieser Tage die Landung von dreizehn amerikanischen „Rosinenbombern“, die einst den Westen der Stadt während der sowjetischen Blockade am Leben gehalten hatten und anlässlich des siebzigsten Jahrestags der Luftbrücke noch einmal Berlin besuchen wollten. Womit sich die Regierenden der Stadt als Amerika-Hasser profilieren, für die „Dankbarkeit“ ein Fremdwort ist.

Heute wird Berlin benutzt wie ein Nomadenlager, ein Amüsierlokal. Und als Regierungssitz einer weitgehend unbeliebten Regierung. Gelegentlich muss ich mit der S-Bahn in die Stadt fahren, um von einem der Fernbahnhöfe – oft mit erheblicher Verspätung – auf Lesereise zu gehen. Die Fahrt aus dem Umland in die Stadt ist ein echtes Abenteuer geworden, die Berliner S-Bahn fährt jeden Tag anders, kein Vorwand ist zu verrückt, Züge ausfallen zu lassen oder ganze Strecken zu sperren. Sonst halte ich mich fern und meide die Stadt.

Ich bin in Berlin aufgewachsen, einst war diese Stadt mein Zuhause – vielleicht nehme ich es deshalb schwer, dass sie verschwunden ist und nur ein Auffanglager zurücklässt, das sich nach ihr nennt.

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Martin Lederer / 21.06.2019

Viele Leute meinen “Berlin ist doch beliebt.” Das ist aber ein “kostenloses Puff” oder “der Mann mit den 3 Köpfen” oder “der Ort wo man ungestraft andere verprügeln darf und selbst nicht verprügelt wird” auch.

Karsten Dörre / 21.06.2019

Taxifahrer im öffentlichen Dienst? Jeder Taxifahrer würde sich freuen :)  Behördentum ist in Berlin nachweislich katastrophal.

Manuela Pietsch / 21.06.2019

“Die Zugezogenen aus aller Welt – inklusive westdeutsche Provinz – betrachten Berlin als ihren Abenteuerspielplatz und sorgen bei den Wahlen dafür, dass der experimentelle Nonsens an der Macht bleibt.” - Ja… erst kamen die langhaarigen Wehrdienstverweigerer, die mit ihren alternativ erzogenen Gören nun Grün wählen, dann die Zugereisten, unter denen die Pässe incl. Wahlberechtigung wie olle Kamellen verteilt wurden. Wahlen werden hier also nichts mehr ändern. Was schade ist, denn ich halte den “Ur-Berliner” für eher konservativ. Ich bin auch einer. Ich würde diese Stadt auch gern meiden, leider habe ich diese Wahl aber nicht.  Die Rosinenbomber dürfen nicht landen, aber die Halbwüchsigen besuchen heute die Cannabismesse “Many-Jane”. Gestern wollte ich meine Mutter im KHS besuchen und kam mir vor, wie auf dem Dorf: Der Bus, der sowieso nur alle 20 Minuten fährt, ist ausgefallen. Das passiert sogar ziemlich oft. So läuft das hier und das ganze ist bezeichnend für diese Stadt: Berlin ist gut darin, in nichts gut zu sein. Wäre das gewollt, könnte man sagen “Mut zur Lücke”. Es ist aber nicht gewollt, sondern das Ergebnis von Unfähigkeit. Denn eine Stadt, die wert darauf legt, Grün zu sein, sollte doch wohl in der Lage sein… nein, sie sollte es sich auf die Fahne schreiben, Busse und Bahnen ordentlich fahren zu lassen und Radwege anzulegen, für die man kein Mountain-Bike braucht! Ich weiß nicht, warum es alle Welt hier her zieht - mich stinkt diese Stadt nur noch an!

Werner Rosenthal / 21.06.2019

Berlin wird voller, jünger, internationaler. Wird es besser oder schlechter-es wird anders. Das Berlinische ist fast verschwunden. Eine Formulierung im Artikel ließ mich als Berliner schmunzeln. Der Autor fuhr „in die Stadt“. Herrlich, so spricht der Berliner. Ansonsten kann man seinen Beobachtungen nur zustimmen. Wie heißt es: in Berlin können sie machen was sie wollen, es wird immer eine Bulette.

Rainer Niersberger / 21.06.2019

Berlin als vorsichtig formuliert Amüsierlokal, das Vulvamalen auf dem Kirchentag und anderes mehr sind nicht nur Zeichen neurotischen Verhaltens ( „ Befreiung“vom Minderwertigkeitskomplex, Zerstreuung und Ablenkung durch sofortige Triebabfuhr ), sondern, das alte Rom in seinen letzten Zügen lässt grüßen, Zeichen von Dekadenz und Verwahrlosung. Für die Mächtigen ist die Alimentation ( Berlin ) und die „ Erlaubnis“ oder gar Aufforderung unter anderem zu Drogen und Kopulation ein durchaus geeignetes Mittel zum Machterhalt. Leider ist die Halbwertszeit dieses üblichen Verfahrens der Endzeit, zu der auch Apokalypsephantasien gehören, begrenzt, wie die Geschichte lehrt. Auch die Vulva kann nur sehr begrenzt die fehlende Spiritualität „ ersetzen“, ebenso wie der allgemeine Verfall ( Berlin) sich selbst beschleunigend immer schneller voranschreitet. Ablenkung und Sozialismus halten - zumal bei zwangsläufig zunehmender Dominanz ( auch dafür gibt es historische Beispiele )des archaischen Tribalismus - das wie auch immer gestaltete ( die sozialistisch/ islamische Verelendung der Masse ist zwingend )Ende nicht auf.

Heiko Stadler / 21.06.2019

Würde ein Unternehmer sein Unternehmen so führen, wie die Berliner Regierung ihre Stadt herunterwirtschaftet, so würde er wegen Insolvenzverschleppung und Korruption hinter Gittern landen. Nicht nur die rot-rot-grüne Regierung in Berlin ist schuld, sondern auch die Ministerpräsidenten von Bayern, BW und Hessen, die diese Misswirtschaft mit zwei Milliarden Euro pro Jahr fördern.

Horst Jungsbluth / 21.06.2019

Was erwarten Sie denn von einem Senat, sehr geehrter Herr Noll, der aus Parteien besteht, die 1989 in etwas anderer Formation das damalige Westberlin der DDR “überlassen” wollten, weil die diktatorische SED diesen Staat vollkommen ruiniert hatte und dringend das im Westteil befindliche Vermögen benötigte und zusätzlich mit den Bürgern als Geisel in Bonn Kasse machen wollte, was durch den Mauerfall zur falschen Seite “leider” verhindert wurde.  Was erwarten Sie denn angesichts der heutigen unfassbaren Kriminalität, wenn Berliner Staatsanwälte bereits im Juli 1991 der Justizsenatorin Limbach in einem offenen Brief vorwarfen, dass “Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität liegen bleiben und die rechtstreuen Bürger weiterhin deren Repressalien ausgesetzt sind”. Ja, was erwarten Sie denn von diesen Leuten?

Lars Schweitzer / 21.06.2019

Bis die Berliner Verhältnisse auf dem Land angekommen sind, dauert es noch ein wenig - aber sie werden auch dorthin kommen. Wie es dann in Berlin aussehen wird, mag ich mir gar nicht vorstellen.

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