Manfred Haferburg / 21.02.2019 / 12:00 / Foto: pixabay / 53 / Seite ausdrucken

Blackout (2) – ein Sieben-Tage-Szenario

Was im Kleinen bei einem Stromausfall passiert, wurde hier gestern am aktuellen Beispiel des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick geschildert. Doch was geschieht, wenn ein solcher Zustand einmal landesweit eintritt? Eine Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag „Was bei einem Blackout geschieht. Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls“, schildert die Situation so:

Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten würden sich die Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls zu einer Schadenslage von besonderer Qualität summieren. Betroffen wären alle Kritischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden“.

Der Innenminister de Maiziere wagte sich einst aus der Blackout-Deckung und sagte (ab Min. 5:30 und ab 10:00): „Es ist vernünftig und angemessen, sich auf Katastrophenszenarien vorzubereiten, sei deren Eintritt auch noch so unwahrscheinlich… dafür zu sorgen, dass man bei einem Stromausfall jedenfalls eine gewisse Zeitlang sich selbst versorgen kann…“ Er wurde reichlich dafür gescholten. Was wird gesagt?

Auch die Bevölkerung kann sich selbst schützen. Aus diesem Grund spricht die Konzeption Zivile Verteidigung eine Empfehlung an die Bürgerinnen und Bürger aus: Sie sollten ein Vorrat von Lebensmitteln für zehn Tage im Haushalt vorhalten“. (Broschüre Katastrophenschutz) Doch reicht das?

Was aber versteckt sich hinter der Phrase „Kollaps der gesamten Gesellschaft“? Hier ein fiktives Beispiel, wie sich das für normale Bürger ohne Sonderabsicherung anfühlen könnte:

Es ist Mitte Januar, ein kalter, trüber Nieselregen-Abend. Die Familie sitzt in einem Düsseldorfer Randbezirk beim Abendbrot. Es gibt Brote mit Aufschnitt, das Baby nuckelt noch an seiner Flasche. Plötzlich flackert das Licht, geht aus und das im Hintergrund laufende Radio wird stumm. Der Papa schaut aus dem Fenster – alles stockdunkel bis auf ein paar Autoscheinwerfer. An der nahen Kreuzung scheppert ein Blechschaden – die Ampel ist wohl ausgefallen. Wildes Gehupe. Mama hat ein paar Teelichter angezündet, es sieht gemütlich aus.

Pullover an – die Heizung wird kalt

Eine Stunde später ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Papa mault nachhaltig, weil er von seiner sportlichen Betätigung nicht nachgehen kann – das Fußballspiel im Fernsehen ansehen. Bier und Chips ohne Fußball schmecken nicht. Mama hat schon den dicken Pullover an – die Heizung wird kalt. Der Achtjährige hat sein Tablet leergedaddelt und heult umher, weil er es nicht aufladen kann.

Ruf doch mal die Oma an, ob die auch keinen Strom hat. Die Oma geht nicht ran. Wahrscheinlich geht die Schnurlosstation nicht. Mama packt den Geschirrspüler ein und fordert den Papa auf, morgen früh ja das Programm zu starten. Er wird es sowieso vergessen, das weiß sie schon. Schlechtgelaunt und ungewöhnlich früh gehen alle zu Bett.

Am nächsten Morgen wird die Mama durch das laute Fluchen ihres Mannes wach. Das Licht funktioniert immer noch nicht, Papa hat die Teelichter von gestern wieder angezündet. Es sind ihre Letzen. Der Papa flucht, weil das Klo unbenutzbar ist – kein Wasser für die Spülung. Das hat er nicht gewusst und nun ist der Zustand des Badezimmers unerträglich. Die Mama erschrickt furchtbar: Ich brauche doch heißes Wasser für das Baby… Sie haben noch zwei Flaschen Mineralwasser – mit Kohlensäure. In der Wohnung sind 11 Grad Celsius, Mama gerät in Panik wegen des Babys. Wie soll sie das Fläschchen zubereiten, der Elektrokochherd ist toter als tot. Papa tröstet sie – ich bringe Wasser mit, wenn ich von der Arbeit komme. Bis dahin ist auch der Strom wieder da…

Papa kann nicht zur Arbeit fahren. Das Rolltor der stockfinsteren Tiefgarage geht nicht auf. Er beschließt, mit dem Bus zu fahren. Die Zustände auf den Straßen sind chaotisch. Staus, Unfälle, Blaulichtfahrzeuge überall. Ein Lautsprecherwagen fordert die Leute auf, zu Fuß nach Hause zu gehen. Zur Arbeit kommt er heute sicherlich nicht, es sind 25 km. Er will nicht ohne Wasser nach Hause kommen und geht zum Supermarkt. Dort ist ein Riesenauflauf. Aber die Tür ist zu: „Wegen Stromausfall geschlossen“ steht an der elektrischen Schiebetür. Die Leute sind wütend, ein Mitarbeiter fleht um Verständnis: Kassen gehen nicht, kein Licht, was sollen sie machen. Trotz des Flehens gibt es an der Tür ein Gerangel. 

Die ganze Wohnung stinkt 

Als Papa heim kommt, hat er eine Flasche Mineralwasser dabei. Das THW hat sie verteilt, für jeden nur eine. Mama gibt dem Baby ein Fläschchen. Die Nachbarn haben einen Campingkocher, leider aber kaum noch Spiritus. Sohnemann schwänzt heute die Schule, jammert aber endlos wegen seines Smartphones. Die ganze Wohnung stinkt, weil sie das Klo weiter benutzen, obwohl die Spülung nicht geht. Es ist ein kalter Gestank. In der Wohnung sind nur noch acht Grad.

Papa bringt Gerüchte mit, dass Hacker für den Stromausfall verantwortlich sein sollen. Das soll im Radio gekommen sein. Andere sagen, das liegt an der Flaute, dem trüben Wetter und dem Atomausstieg. 

Mittags gibt es eine Fischkonserve und Brot mit Bier für alle, Papas Fußball-Kasten ist noch halbvoll. Der Achtjährige wirkt danach eher lustig.

Der Papa soll einen Camping-Kocher besorgen – egal was für einen – das Baby braucht sein Fläschchen. Kreidebleich hat die Mama gesagt: „Und die Oma muss heute zur Dialyse. Geh doch mal bei ihr vorbei“. Die Stunden vergehen. Der Papa kommt heute nicht mehr zurück. Keine Nachricht, das Telefonnetz geht nicht. Sie gehen in der stinkenden kalten Wohnung ohne Abendbrot mit einem Bier zu Bett – das Wasser bleibt für das Baby. Die Milch wird kalt angeschüttelt, das Baby fiebert schon ein bisschen. Die Kerzen sind alle, die Taschenlampe glimmt nur noch.

Mitten in der Nacht kommt der Papa nach Hause, er bringt die Oma mit. Sie sind vom Krankenhaus mit einem Fahrrad gekommen, die Oma auf dem Gepäckträger. Der Papa druckst rum, als ihn sein Filius fragt, wo er das Fahrrad denn her hätte. Die Oma erzählt von den Zuständen im Krankenhaus. Sie haben den ganzen Tag auf die Dialyse warten müssen. Die Leute haben sich geprügelt, auf Ärzte und Schwestern eingetreten. Zum Glück haben die dort Notstrom. Aber die Polizei und die Ärzte sind gegen die rüden Patienten völlig machtlos. Oma sagt, dass sie lieber stirbt, als sich dem nochmal auszusetzen.

Die Supermärkte sind geplündert

Es ist der vierte Tag ohne Strom. Die Familie hungert, die Haut juckt, das Klo stinkt. Das Baby hat immer noch Fieber. Nur noch der Papa wagt sich aus dem Haus. Er berichtet von chaotischen Szenen. Draußen ist es inzwischen lebensgefährlich geworden. Es gibt viele Brände und noch mehr Unfälle. Marodierende Männergruppen liefern sich Scharmützel mit Polizei und Militär, die aussichtslos versuchen, die Ordnung herzustellen. Die U-Bahn wird immer noch evakuiert. Es werden auch immer noch Menschen aus steckengebliebenen Aufzügen geholt, es gibt schon Tote. 

Die Supermärkte sind geplündert und völlig verwüstet. Papa ist in einem solchen Geschäft gewesen und hat ein Toastbrot und Wasser erbeutet. Es wurde ihm aber auf der Straße von einer wildgewordenen Frau wieder entrissen, die schrie, dass sie es für ihre Kinder brauchte. Eine dicke Rolle erbeuteter Müllbeutel erweist sich als sehr nützlich – sie verrichten ihre Notdurft jetzt in Müllbeutel. Der Papa bringt auch wieder zwei Flaschen Wasser mit, die er von den tapferen Männern vom THW bekommen hat. Ihr Fahrzeug war ohne Diesel liegengeblieben, die Pumpen der Tankstellen funktionieren nicht ohne Strom. Die Männer hatten das Wasser verteilen wollen, wurden aber von der wütenden Menge überrannt.

Fast der gesamte Verkehr ist zum Erliegen gekommen. Auch Feuerwehr und Krankenwagen kommen nicht mehr durch. Kein Telefon, kein Internet, kein Fernsehen, kein Notruf der Polizei. Es ist, als hätte der Bodensatz der Gesellschaft nur auf so eine Gelegenheit gewartet.

Die Mama hat auf einem Kuchenblech ein provisorisches Feuer gemacht, um das Fläschchen für das Baby zu erwärmen. Sie verheizt zusammengetretene Kleinmöbel. Das offene Fenster dient als Rauchabzug, der Topf steht auf dem Ofengrillrost. Der Papa hat geschimpft und rumgeschrien, dass die Feuerwehr nicht kommen kann, wenn’s brennt. Mama bezeichnet seine „Vorsichtsattacken“ als Berufskrankheit – er ist Arbeitsschutzobmann auf seiner Baustelle.

Nun hat Mama mit einem bisschen Wasser sogar einen Topf Reis gekocht, den die Familie mit dem Resttomatenmark vermischt gierig isst. Die aufgetaute Hackfleischsoße aus dem Tiefkühlfach roch schon etwas schmierig. Nur der Papa hat davon gegessen. Er sagte: Das verbrät sich“, als er die Pfanne auf Mamas improvisierten Feuer erwärmte. Jetzt verbraucht er Unmengen von den Müllbeuteln, weil die Hackfleischsoße aus allen Rohren gleichzeitig zurückkommt. 

Die Beseitigung der Schadensfolgen dauert Monate

Der Bierkasten ist leer. Der Oma und dem Baby geht es schlecht. Verzweiflung macht sich in der Familie breit. Der Achtjährige aber hat – oh Wunder – angefangen, seine Bücher zu lesen, weil sein Tablet nicht funktioniert.

Die Familie muss noch drei weitere Tage durchhalten, bis der Strom wiederkommt. Doch sie kommen glimpflich davon, keiner stirbt. Es gibt landesweit hunderte von Opfern, der Schaden geht in -zig Milliarden. Die Beseitigung der Schadensfolgen dauert Monate. 

Inzwischen machen Gerüchte in den Medien die Runde, dass die Energieversorger absichtlich ihrer gesetzlichen Pflicht zur sicheren Stromversorgung nicht nachgekommen sind, um gegen die Abschaltung ihrer Kraftwerke zu protestieren. Auch wird berichtet, dass der Blackout passierte, weil es noch nicht genügend Windräder und Solarpaneele gibt. Der Achtjährige lernt in der Schule, was die Ursache für den Blackout war, nämlich, dass die Kohlekraftwerke die Netze verstopft hatten. Andere Medien und die Politik hingegen machen Putins Hacker für die Katastrophe verantwortlich. Die Grünen und die Linken, die das schon immer vorhergesagt hatten, bekommen ungeheuren Zulauf und werden bei den nächste Wahl Rekordergebnisse einfahren…

Soweit meine kleine fiktive Geschichte. In den Medien wird bisher über Blackouts nur verdruckst berichtet – schließlich könnten einige Bürger in ihrer Meinung über den bevorstehenden Kohleausstieg verunsichert werden. Wie bereite ich mich auf einen Blackout vor? Im Teil 3 dieses Beitrages will ich daher mal der Bundesregierung ein wenig beim Katastrophenschutz zur Hand gehen. 

Den ersten Teil dieser Serie finden Sie hier.

Den dritten Teil dieser Serie finden Sie hier.

Manfred Haferburg ist Autor des Romans Wohn-Haft“, mit einem Vorwort von Wolf Biermann, der nun auch als Taschenbuch erhältlich ist.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Achim Kaussen / 21.02.2019

Hallo zusammen, mal von dem Scenario eines Terrorangriffes auf neuralgische Punkte unseres Netzes abgesehen, die ein gewisses KnowHow voraussetzen, halte ich einen grossflaechigen Blackout fuer unwarscheinlich. Die Netze koennen durch Lastabwurf stabilisiert werden. Grosse Industrieanlagen und Stadtteile koennen bei Ueberlast abgekoppelt werden. Das ist fuer die Betroffenen aergelich, fuehrt aber nicht zur Anarchie, da ja ein paar Strassen weiter alles funktioniert. Die Wechselrichter der Solaranlagen verringern stufenlos, in Abhaengikeit der Netzfrequenz, die eingespeiste Leistung, grosse Produzenten koennen durch die Leitwarten ferngesteuert werden, Notstroemer in oeffentlichen Gebaueden (z.B. Krankenhaeuser) ebenfalls. Technisch steht eine recht grosse Toolbox zur Verfuegung, das Netz im Gleichgewicht zu halten, sofern Leute an den Schaltern sitzen, die wissen, was sie tun. Das Netz nach einem deutschlandweiten Blackout wieder anzufahren, ist vermutlich nicht so einfach und wuerde einige Tage dauern, zumal viele Kraftwerke nicht schwarzstartfaehig sind und dadurch erst nach und nach wieder alles hochfahren koennte. Meiner Meinung nach besteht kein Grund zur Panik, man sollte aber schon darueber nachdenken, was ein paar Tage Stromausfall fuer Konsequenzen haetten und ob man sich irgendwie vorbereiten kann, falls mal ein Lastabwuf stattfindet. Bei einem laengerfristigen Stromausfall haetten wir noch ganz andere Probleme, AKW’s z.B. muessen mehrere Jahre nach deren Abschaltung mit Strom versorgt werden, damit die Nachkuehlung funktioniert. Die haben zwar Notstrom, aber keine Dieseltanks, die fuer mehrere Jahre reichen, zumal diese Dieselgeneratoren wegen Feinstaubemission wohl kurzfristig stillgelegt wuerden :=)

herbert binder / 21.02.2019

Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Greife lieber zur H [afer] B [urg].

Peter Sticherling / 21.02.2019

“Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden“, heißt es in der zitierten Studie. Ich denke, dass dieses Risikobewußsein weniger in der Bevölkerung als viel mehr bei den Politikern fast aller Parteien, den Mitgliedern der Kohlekommission und vor allem bei der letztlich für alles verantwortlichen Person, die unbedingt Kanzlerin sein will, fehlt. Wenn es zum umfassenden Blackout kommt, wird sie sagen: Jetzt ist er halt da. Ist mir doch egal.

Chris Lock / 21.02.2019

Ich habe daran gedacht und desswegen einen Kachelofen im Haus. Leider wird das jahrzehntausende alte Mittel des Feuers inzwischen wegen der Feinstaubbelastung totreguliert und gebührenpflichtig.

Florian Bode / 21.02.2019

1.) Schuld am Blackout ist die AfD 2.) Warum findet man in vielen amerikanischen Haushalten Munition und Geräte zu deren Benutzung?

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