Manfred Haferburg / 25.03.2024 / 12:00 / Foto: Dennis Hansch / 107 / Seite ausdrucken

ISAR 2: Das beste Kernkraftwerk der Welt wird zersägt

Die Rückbaugenehmigung für ISAR 2 ist erteilt, hieß es am Freitag. Der Betreiber Preussen Elektra könne den Rückbau unverzüglich durchführen.

Eine wenig beachtete DPA-Meldung leitet in Deutschland eine Zeitenwende ein: „Genehmigung für Rückbau des Atomkraftwerks Isar 2 erteilt. ESSENBACH (dpa-AFX) – Fast ein Jahr nach dem Abschalten des letzten bayerischen Atomkraftwerks liegt hierfür nun die Rückbaugenehmigung vor. Der Bescheid für den Meiler Isar 2 in Essenbach im Landkreis Landshut sei am Freitag erlassen worden, teilte ein Sprecher des Umweltministeriums mit. Damit könne der Betreiber Preussen Elektra den Rückbau unverzüglich durchführen.“ 

Jetzt kommen in ISAR 2 die Männer mit den Trennschleifmaschinen und Sägen. Sie werden in einer klinisch sauberen Umgebung hochglänzende Rohre auf Schrottgröße zerschneiden. Sie werden perfekt funktionierende Pumpen auseinanderbauen, um ihre Bauteile zu verschrotten. Sie werden super funktionierende Armaturen zerlegen und in Metallwertstoffe verwandeln. Sie machen aus hochmoderner Steuerelektronik Kupferschrott.

Deutsche Gründlichkeit in Aktion

Vor 15 Jahren erzeugte die Kernenergie ein Viertel des deutschen Strombedarfs. Dann beschlossen größenwahnsinnige Politiker, dass aus dieser Technologie ausgestiegen werden sollte. So entstand die „dümmste Energiepolitik der Welt“.

Ein Großversuch wurde gestartet, ob mit den Energiequellen des Mittelalters ein Industrieland betrieben werden kann. Unsummen von Geld wurden investiert. Eine unfassbare Propaganda begleitete diesen Versuch und gaukelte den Menschen vor, dass dies problemlos machbar und am Ende billiger sein würde. Dieser Nachweis konnte bis heute trotzdem nicht erbracht werden. Aus den Vorreitern sind Geisterfahrer geworden.

Alle Vorgänge, welche die Energiepolitik betreffen, sind langfristig. Ein Kraftwerk zu planen und zu bauen, dauert zwei Legislaturperioden. Danach kann es zehn bis fünfzehn Legislaturperioden betrieben werden. Dazu braucht es Fachwissen und Erfahrung, Verwaltungsstrukturen und Hersteller.

Langsam setzt sich in der Bevölkerung die Erkenntnis durch, dass die Energiewende scheitert und das Land in einen industriellen und ökonomischen Abgrund reißt. Bei kommenden Wahlen droht der Regierung die Abwahl. Darum heißt es jetzt für die fanatischen Energiewender, schnell zu handeln. Die neuen Brunnen geben zwar noch kein Wasser, aber die alten Brunnen müssen ganz schnell zugeschüttet werden. Die Kernkraftwerke müssen unbrauchbar gemacht werden.

Das ist ein zutiefst undemokratisches Ziel: Es wird mit der Zerstörung der kerntechnischen Infrastruktur eine Situation erzeugt, die weit über die Legislaturperiode der Entscheider hinaus wirkt. Der Gesellschaft wird der Weg zurück zu einer neuen Entscheidung verbaut. Deutschland wird vom führenden Kernenergieland zum kerntechnischen Entwicklungsland. Mit der Zerstörung des letzten Kernkraftwerkes wurde dieser Pyrrhussieg errungen. Die Folgen wird neben der heutigen Generation auch die nächste Generation tragen.

Der Kernenergieausstieg war ein gigantischer Fehler

Derzeit sind weltweit 53 Reaktoren im Bau, davon 21 in China, acht in Indien und jeweils drei in Russland, Südkorea und der Türkei. In der EU sind es einer in Frankreich und zwei in der Slowakei, dazu kommen zwei in Großbritannien. Etwa 100 Reaktoren sind in der Planung. Kernenergie wird von der EU als „erneuerbare Energie“ geführt und gefördert, weil sie weniger CO2 erzeugt als alle anderen Stromquellen.

Obwohl die beteiligten Politiker von CDU/CSU, FDP und Freien Wählern längst begriffen haben, dass der Ausstieg ein gigantischer Fehler war, haben sie ihn weiter betrieben. Zu tief waren sie in die Ausstiegspolitik verstrickt, an zu vielen Fehlern waren sie aktiv beteiligt. Seit Kurzem sind diese Parteien für den KKW-Weiterbetrieb. Sie haben das sogar heuchlerisch in ihre Parteiprogramme geschrieben. Aber wenn es darauf ankam, haben sie gegen diesbezügliche Anträge der AfD gestimmt und somit der Kernenergie das Genick gebrochen.

Ein großes Kapitel der Energieversorgung wird geschlossen

Der Bayerische Amtsschimmel hat bei der Erteilung der Verschrottungsgenehmigung eine erstaunliche Agilität gezeigt, es konnte ihm gar nicht schnell genug gehen. Da helfen auch die heuchlerischen Beteuerungen des Bayerischen Umweltministers Thorsten Glauber (Freie Wähler) nichts, der den deutschen Atomausstieg am Freitag als falsch bezeichnete. „Wir haben uns immer dafür eingesetzt, die Kernkraftwerke als klimafreundliche Brücke vorübergehend weiterlaufen zu lassen. Mit dem Atomgesetz erzwingt der Bund, dass der Bescheid zum Rückbau von Isar 2 erlassen wird. Das ist der nächste Schritt auf dem energiepolitischen Irrweg des Bundes. Damit wird ein großes Kapitel der bayerischen Energieversorgung geschlossen.

Das KKW ISAR 2 gehörte zu den besten Kernkraftwerken der Welt, und es hätte der Wirtschaft des Freistaates Bayern noch gut 30 Jahre sicheren und günstigen Strom liefern können. Es hatte rund 18 Prozent des Stroms für Bayern zum Gestehungspreis von ca. 4 Ct/kWh erzeugt. Das Kraftwerk war zehn Jahre lang „Erzeugungsweltmeister“. Kein anderes Kraftwerk auf der ganzen Welt hatte in diesen zehn Jahren mehr und zuverlässiger günstigen Strom mit einer Verfügbarkeit von 95 Prozent erzeugt. ISAR 2 hatte sogar jahrelang geholfen, durch Hoch- und Runterfahren die Leistung des Flatterstroms von Wind und Sonne auszugleichen. Diesen Fakt streiten Grüne auch heute noch ab und behaupten, dass Kernenergiestrom „die Netze verstopft“.

ISAR 2 muss durch 1.500 Windräder und drei Gaskraftwerke ersetzt werden

ISAR 2 soll nun nach den Plänen der Bundesregierung durch die Flatterstromerzeuger Wind und Sonne ersetzt werden. Noch scheint in Bayern nachts die Sonne nicht. Das wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch so bald nicht ändern. Windkraftanlagen haben leider nur eine Verfügbarkeit von 20 Prozent. In Bayern kommen Windräder auf einen Stromgestehungspreis von 11 Ct/kWh.

Um die 1.500 Megawatt von Isar rein rechnerisch zu ersetzen, müssen also ca. 1.500 moderne Windkraftanlagen von je 5 Megawatt in die Bayerische Landschaft gestellt werden. Da es aber auch in Bayern windstille Zeiten gibt, müssen dazu noch drei große Gaskraftwerke von je 500 MW errichtet werden. Da diese wegen des Windeinspeisevorrangs nur unwirtschaftlich betrieben werden können, muss der Stromkunde und Steuerzahler sie bezahlen.

Es ist ungefähr so, als ob Bayern eine fast neue Miele-Waschmaschine verschrottet, um dafür eine Unzahl von superteuren Wäsche-Rubbelbrettern einzukaufen. 

Das deutsche Panikorchester

Berufspolitiker haben drei Prioritäten, die ihr ganzes Handeln bestimmen. Zuerst kommt die eigene Politikerkarriere. Dann kommt die eigene Macht. Und dann kommt die eigene Partei als Vehikel zu Karriere und Macht. Die Politik erkannte, dass Kernenergiegegnerschaft ihnen auf dem Weg zur Erreichung ihrer Ziele nützlich sein konnte. Mit dem Kernenergieausstieg wurden Parteiprogramme verziert und Wahlen gewonnen. Es wurde chic, gegen Kernenergie zu sein. Kernenergiegegnerschaft gehörte viele Jahre zur deutschen Kultur.

Keiner der Beteiligten kommt auf die Idee, sich zu fragen, ob die vielen Länder, die Kernenergie betreiben und ausbauen, allesamt völlig verblödet sind, weil sie Probleme, die es zweifelsfrei auch gibt, als lösbar ansehen. Die Deutschen erwarben sich einen Ruf als Besserwisser.

Doch nun kommen unweigerlich die Konsequenzen. Wer wird die verfehlte deutsche Energiepolitik ausbaden müssen? Diese Frage ist einfach zu beantworten: Es sind die kleinen Leute. Unter dem Begriff „Degrowth“ wird schon der Verzicht gepredigt, natürlich zur Weltrettung durch Deutschland. Der Verzicht wird auf Dauer kein freiwilliger sein. Weil sich die kleinen Leute dann eben nicht mehr die Annehmlichkeiten des Lebens leisten können. Leckeres Fleisch essen, modische Kleidung tragen, schöne Urlaubsreisen machen, ein kleines Häuschen mit Garten, ein schönes Auto und was dergleichen Lebensträume sind – weg damit. Wer es noch nicht begriffen hat: Deutschland geht mit dem Abriss von ISAR 2 einen weiteren großen Schritt  auf seinem Weg in die Energieknappheits-Rezession.

 

Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman Wohn-Haft mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

Foto: Dennis Hansch CC BY 3.0, Link

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Leserpost

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Dirk Hermann / 25.03.2024

Die Reiter der Apokalypse haben offenbar auf der Regierungsbank Platz genommen. Seuche, Hunger, Krieg. Aber sie sind gnädig. Es betrifft nicht die ganze Welt. Nur uns. Wir können dann wieder neu anfangen, wie in der guten alten Zeit. Sechs Tage-Woche, die Mama bleibt zu Hause, weil es nur noch schwere körperliche Arbeit gibt. Die Kinder müssen im Haushalt helfen, weil es kein Geld und keinen Strom für Waschmaschine, Geschirrspüler etc. gibt. E-Mobile für Politiker, Pferdedroschken für Wohlhabende, Fahrrad für Normalos und wieder Nutztierhaltung in Berliner Hinterhöfen. Die ersten Mieter wohnen die neuen Wohnungen trocken, danach ziehen dann Großfamilien ein. Im Keller wohnen dann wieder die Bediensteten. Und die Menschen werden dann wieder von den guten alten Zeiten reden. Über Smartphones, Autos für alle, Urlaub und 40 Stunden-Woche. Wie romantisch.

Carl Friedrich / 25.03.2024

Natürlich war der Austieg aus der Kernenergie ein riesiger historischer Fehler, aber noch vor 6 Jahren war man ansoluter Außenseiter wenn man sich für Kernenergie ausgesprochen hat. Kernenergie wollte niemand, egal ob links oder rechts. Die Grünen haben es offensichtlich geschafft über die Jahre eine paranoide Atomangst bei den Deutschen zu implementieren.

gerhard giesemann / 25.03.2024

It’s nice to be a Preiß’ - but it’s higher to be a Bayer. Sollen sie doch in Dummheit unter gehen. Die merken eh nix.

A. Ostrovsky / 25.03.2024

@Lutz Herrmann : >>Bevor jetzt schon wieder jemand fragt, warum der Betreiber sofort ans Verschrotten geht und nicht die nächste Wahl abwartet. Das steht so im Atomgesetz, Paragraph 7.<< ## Hätten Sie auch noch die Güte, uns mitzuteilen, seit wann das so im Atomgesetz steht? Davon hängt es ja ab, wer dafür verantwortlich ist. Das ist dann auch die Antwort auf die Frage, wen man überhaupt ansprechen müsste, wenn es geändert werden müsste. Und als letzte Frage: Wenn das so im Gesetz steht, und gar kein Abweichen davon möglich ist, warum ist dann hier das Geheul? Das ist doch Klamauk! Oder sind alle wieder auf Start und müssen erstmal wieder lernen, dass man Gesetze befolgen muss?

Gert Friederichs / 25.03.2024

Herr Haferburg! Bitte beantragen sie eine Namensänderung in “Kassandra”! Das Orakel in Nuklearphi haben sie ja auch schon mehr als einmal befragt. Und entgegen allen doppeldeutigen Aussagen antiker Vorbilder, haben die Hüter der atomaren Weisheit immer korrekt und deutlich angesagt, wie es ausgehen wird. Also beenden sie das Nachahmen des Herrn Sysiphus und widmen sie sich den herkulesfordernden Aufgaben in Kanada und äh, da irgendwo in Schwarzafrika (Rumbamba? Bumrumbi?)! Atommannsheil!

Reinhard Offermann / 25.03.2024

Man sollte sich ganz genau ansehen, wann und wie der Betreiber Hand an das AKW legen wird um es zu demontieren. Er hat dazu keinen Befehl! Ich erinnere nur an die Sekretärin und an den Wachmann, beide in NS-Vernichtungslagern tätig. Auch nach 90 Jahren kamen sie vor Gericht.

W. Renner / 25.03.2024

Harry kann den Wagen leider nicht mehr holen, um die Bayrischen und Preussischen Don Quijotes auf frischer Tat des Ökozids zu überführen.

Wilolf Moser / 25.03.2024

Grade mal 35 Jahre gelaufen. Ich kann es immer noch nicht glauben. Und stattdessen wird jetzt der „Atomstrom“ aus den alten „Schrottmeilern“ im Ausland importiert. Und in D die alten Kohlekraftwerke hochgefahren. Das ist ja noch grüner als grüngrün.

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